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Francis Fukuyama greift Orbán an und unterstützt Karácsony

Lesezeit: 4 Minuten

Ungarn – Nach seiner Teilnahme an einem Forum über nachhaltige Demokratie, das von der Stadt Budapest und der Cenrral European University (CEU) des amerikanisch-ungarischen Finanziers und Philanthropen George Soros mitorganisiert wurde, folgte der Bürgermeister der ungarischen Hauptstadt Gergely Karácsony der Einladung von American Purpose, das sich als „eine Zeitschrift, ein Medienprojekt und eine intellektuelle Gemeinschaft“ darstellt und eine zweitägige Online-Konferenz mit dem Titel „Continuing Liberty“ organisierte.

In seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Redaktion von American Purpose hat der renommierte amerikanische Politikwissenschaftler und Autor von „Das Ende der Geschichte. Wo stehen wir?“ (The End of History and the Last Man) aus dem Jahr 1992, Francis Fukuyama, den Bürgermeister von Budapest fast eine Stunde lang ausgefragt und dabei auch seine Bemerkungen über den ungarischen Premierminister Viktor Orbán nicht ausgelassen.

Francis Fukuyama zufolge kämpft der Bürgermeister von Budapest und Kandidat bei den aktuellen Vorwahlen der Opposition dafür, die Ausbreitung der illiberalen Ideologie in Europa zu stoppen, wo „rechte Nationalisten das demokratische Spiel verändert haben, um an der Macht zu bleiben“. Der amerikanische Politikwissenschaftler erwähnt Gerrymandering (Manipulation von Wahlkreisgrenzen) bzw. Medienkontrolle durch die Regierungspartei und macht den Bürgermeister von Budapest zum Anführer der demokratischen Opposition in Ungarn.

Auf die Bemerkung von Francis Fukuyama angesprochen, pflichtete Gergely Karácsony dem Mann bei, den er als große Inspiration in seiner wissenschaftlichen und politischen Laufbahn betrachtet, und servierte den in den Reihen der Opposition abgenutzten Diskus über die Monopolisierung der Macht durch die Fidesz mittels Verfassungsänderungen, über die Reform des Wahlsystems zur Spaltung der Opposition und zur Festigung des Regierungsblocks, über die Korruption durch die Abzweigung europäischer Gelder, über die Belastung der von der Opposition geführten Städte mit Haushaltsmitteln, über den Einfluss Chinas auf Ungarn, über die populistische Taktik, Krisen zu nutzen, um die Demokratie einzuschränken, und über die Kommunikation bezüglich ausländischer Einmischung usw.

Francis Fukuyama, der zweifellos die Unruhen in Budapest wegen des geplanten Baus eines Campus der chinesischen Fudan-Universität kannte, erinnerte seinen Gast Gergely Karácsony daran, dass die Beziehungen der USA und Europas zu Peking niemals gut sein würden, da China nicht die „gleichen Werte wie wir“ habe, Eine Aussage, der der Budapester Bürgermeister zustimmte, da er sich seit Beginn seiner Amtszeit sehr in Bezug auf die China-Frage eingesetzt hat, insbesondere bei den Debatten über die Ansiedlung der Fudan-Universität in Ungarn (ein Thema, zu dem er ein Referendum anregte).

Es überrascht nicht, dass Francis Fukuyama und Gergely Karácsony den Eintritt in eine Zeit gesundheitsbedingter Freiheitseinschränkungen im März 2020 nie erwähnt haben, außer aus dem Blickwinkel, der von der ungarischen Opposition häufig benutzt wird, um die Machtergreifung von Ministerpräsident Orbán und seinesgleichen anzuprangern, d.h. aus einem Blickwinkel, der nicht viel zum Verständnis der tiefgreifenden Veränderungen beiträgt, die die „sanitäre Krise“ mit sich bringt.

Die Kritik am Regime in Peking sollte sie jedoch dazu bringen, zur Kenntnis zu nehmen, dass in Europa ein Sozialkreditsystem nach chinesischem Vorbild aufgebaut wird. Sie verschweigen dies nicht nur, sondern scheinen die Verfechter einer antichinesischen Linie à la Karácsony und Fukuyama die Errichtung eines solchen Systems zu begrüßen.

Francis Fukuyamas Schriften zur „sanitären Krise“, die er in den letzten Monaten auf der Website American Purpose veröffentlicht hat, sind sehr interessant. In einem Artikel vom 21. Juni 2021 mit dem Titel „Covid und die bürokratische Autonomie“ vertritt er die Auffassung, dass die bürokratische Autonomie und die Achtung der Experten die Garanten für eine gute Regierung sind. Unter Bezugnahme auf Herbert Simon, einen auf die Theorie der öffentlichen Verwaltung spezialisierten Denker, erklärt er, dass Experten über mehr Informationen und Wissen verfügen als Politiker, was es ihnen ermöglicht, eine Situation besser zu beurteilen und Ineffizienz, Willkür und Chaos zu vermeiden.

Francis Fukuyama ist intellektuell ehrlich genug, um darauf hinzuweisen, dass Expertenmeinungen von Natur aus fließend sind und dass das, was an einem Tag wahr ist, am nächsten Tag falsch sein kann.

Andererseits erwähnt er nicht einen einzigen Moment die Durchlässigkeit zwischen der Expertengemeinschaft und den privaten Interessen, was seine Erklärung als Denker der liberalen Demokratie eher rhetorisch und unwirksam macht, oder einfach auf seine klare Verstrickung in den US-Staatsapparat durch seine Nähe zur Carnegie Foundation, dem National Endowment for Democracy oder der RAND Corporation zurückzuführen ist.

In Bezug auf die „Covid-Krise“ äußert Francis Fukuyama offen seine Feindseligkeit gegenüber Staatsoberhäuptern wie Donald Trump, Jair Bolsonaro und Narendra Modi, die sich in unterschiedlichem Maße dafür entschieden haben, nicht dem zu folgen, was die „Experten“ ihnen rieten. Er bedauert die Verzögerungen beim Erlass von Betriebs- und Schulschließungen im Frühjahr 2020 und zeigt tiefe Verachtung für jeden, der es wagt, das sanitäre Narrativ zu hinterfragen.

Da Francis Fukuyama jahrzehntelang Teil des US-Apparats war und kaum Gefahr läuft, aus diesem entfernt zu werden, kann er sogar kurz diejenigen erwähnen, die aus dem sanitären Narrativ wirklich herausragen: die Schweden.

Nachdem er daran erinnert hat, dass ein Epidemiologe per definitionem immer gesundheitliche Aspekte gegenüber dem wirtschaftlichen und sozialen Wohlergehen bevorzugt, erwähnt er die schwedische Ausnahme und den Fall von Andres Tegnell, dem für das „Covid-Management“ zuständigen Arzt in Schweden. Dieser berücksichtigte nicht nur die gesundheitlichen Aspekte, sondern hatte auch das wirtschaftliche und soziale Wohlergehen seiner Bevölkerung im Blick und schlüpfte so in die Rolle eines Politikers. Fukuyama spricht von der Usurpation des Amtes eines gewählten Beamten und äußert sich nicht zu den Ergebnissen dieser politischen und institutionellen Entscheidung von Stockholm.

Seine Fähigkeit zur Ehrlichkeit endet hier, aber er ist viel zu intelligent und informiert, um die Tatsache zu ignorieren, dass es bei den „sanitären Maßnahmen“ viel mehr um die Kontrolle der Bevölkerung als um die Kontrolle einer Epidemie geht, was die schwedischen Eliten sehr wohl wissen.

Das Gespräch zwischen Francis Fukuyama und dem Bürgermeister von Budapest gibt auch einen Einblick in das, was derzeit mit dem deutschen Wirtschaftsmodell und damit mit dem Wirtschaftsmodell der Länder Mittel- und Osteuropas, insbesondere Ungarns, los ist. Wenn man ihnen zuhört, wird deutlich, dass das Thema der mangelnden Achtung der Rechtsstaatlichkeit in Mitteleuropa unter anderem dazu dient, das Ende der vollständigen Dominanz des deutschen Exportmodells in Europa zu rechtfertigen, wobei Gergely Karácsony nicht zögert, die deutsche Industrielobby zu beschuldigen, Viktor Orbáns „Angriffen“ auf die Demokratie entgegengekommen zu sein. Francis Fukuyama plädiert auch für eine völlige Umgestaltung der Europäischen Union und die Zentralisierung von Entscheidungen, die seiner Meinung nach die einzige Möglichkeit für Europa ist, auf der internationalen Bühne zu bestehen. Dieses Projekt passt gut zum Trend der Regionalisierung der Globalisierung, zum permanenten Staatsstreich von Experten und zum immer weiter fortgeschrittenen Social Engineering – einer Welt, in der nur noch Narren und professionelle Heuchler an eine demokratische Kontrolle zu glauben wagen.