Von Olivier Bault.
Ursprünglich in französischer Sprache auf Réinformation TV veröffentlicht.
Am 3. Juli fand das erste Forum der Regionen der Drei-Meere-Initiative (3MI) in Rzeszów (Polen) statt. Diese 2015 vom polnischen Präsidenten Andrzej Duda und von der kroatischen Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović ins Leben gerufene Initiative besteht aus zwölf mitteleuropäischen Ländern zwischen Ostsee, Adria und Schwarzem Meer: die drei baltischen Staaten, die vier der Visegrád-Gruppe (V4) bzw. Österreich, Slowenien, Kroatien, Rumänien und Bulgarien. Dieses Treffen hatte zum Ziel, von einer einfachen Zusammenarbeit auf Regierungsebene zu einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit unter den von den Projekten der Drei-Meere-Initiative betroffenen Regionen zu kommen. Eine weitere Dimension wurde vom Marschall des polnischen Sejm (Unterhaus) mit dem Projekt einer parlamentarischen Versammlung der Drei-Meere angekündigt, die sich sogar über die 12 3MI-Länder hinaus ausweiten könnte, indem Länder, die nicht EU-Mitglieder sind, sich ihr anschließen könnten, und zwar vorerst die Ukraine und Moldawien.
Der polnische Präsident zitiert den Franzosen Robert Schuman um die Drei-Meere-Initiative zu rechtfertigen
In ihrer jetzigen Form ist die 3MI vor allem ein wirtschaftlicher Kooperationsrahmen mit konkreten Projekten. Denn wie der polnische Präsident Andrzej Duda, der zum Forum gekommen war, um dessen Teilnehmer aus Polen, der Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Kroatien zu begrüßen, es sagte, indem er den Franzosen Robert Schuman zitierte: „Europa lässt sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung. Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen.“ Duda betonte außerdem, dass die Drei-Meere-Initiative ebenfalls eine besonders wichtige politische und soziale Dimension an einem Moment besitze, wo die Europäische Union sich von ihren Grundprinzipien entferne. Von den teilnehmenden Ländern nicht als Konkurrenz sondern als Ergänzung zur EU betrachtet hat diese regionale Kooperationsplattform mit ihren 120 Millionen Einwohnern das Potential, um die West-Ost-Beziehung im Europa der 28, bzw. bald 27, auszugleichen. Umso mehr als, wie die Teilnehmer ebenfalls daran erinnerten, wegen ihrer jüngeren Geschichte, diese zwölf mitteleuropäischen Länder eine gleiche Verbundenheit mit der nationalen Souveränität bzw. mit den christlichen Freiheiten und Werten empfinden.
Ein Ende den drei Jahrzehnten setzen, die man mit den Augen beinahe ausschließlich gegen Westen gerichtet verbracht hat
Während sie 22 % der EU-Bevölkerung darstellen, produzieren sie nur 10% ihres Reichtums, da der nach dem Fall des Kommunismus eingeleitete wirtschaftliche Aufholprozess (mit der Ausnahme Österreichs) bei weitem noch nicht zu Ende ist. Das Ziel der Drei-Meere-Initiative ist eben, die energetischen und Transportinfrastrukturen in der Nord-Süd-Achse bzw. den Handel in gleicher Richtung zu entwickeln, nachdem die Entwicklung drei Jahrzehnte lang vorwiegend in Ost-West-Richtung erfolgte. Im Energiebereich werden die Gasterminals Polens und Litauens an der Ostsee mittelfristig mit dem kroatischen Gasterminal an der Adria verbunden sein.
Dieser Aspekt interessiert die USA ganz besonders, die gerade mit Polen zwei große Verträge über die Gaslieferung nach 2022 – sprich nach Ablauf des Vertrags mit dem russischen Konzern Gazprom – unterzeichnet haben. Nicht alle Länder der Drei-Meere-Initiative möchten – wie Polen – damit aufhören, russischen Gas zu kaufen, aber alle unterstützen die Diversifizierung, die der Bau dieser neuen Gasfernleitungen mit sich bringen wird, umso mehr als es auch bedeutende Gasvorkommen im Mittelmeer gibt bzw. die geplante Baltic Pipe erlauben wird, die Region mit norwegischem Gas zu beliefern. Für den Präsidenten des polnischen Gaskonzerns PGNiG, der auf dem Forum der Regionen der Drei-Meere-Initiative anwesend war, stelle die Entwicklung dieser Verbindungen zwischen Ostsee und Adria eine direkte Konkurrenz zur Allianz zwischen den von der Fernleitung Nord Stream betroffenen deutschen bzw. russischen Unternehmen dar.
Ein weiteres Projekt, das gerade im Rahmen der 3MI realisiert wird, ist die Via Carpatia, eine Autobahn- und Schnellstraßenverbindung, die von Memel (Klaipėda) in Litauen nach Thessaloniki in Griechenland entlang der Ostflanke der Europäischen Union führen wird. Es gibt auch noch künftigere Projekte, um Eisenbahn- bzw. Wasserbeförderungsnetze zu entwickeln, denn heutzutage in Mitteleuropa sind es alle Beförderungsinfrastrukturen, die in Nord-Süd-Richtung weit weniger entwickelt sind als in Ost-West-Richtung. In Zukunft könnten es auch noch die Rede sein – die Frage wurde anläßlich des Forums der Regionen der 3MI aufgegriffen –, den direkten Austausch von Medieninformation zu entwickeln, um zu vermeiden, dass die mitteleuropäischen Gesellschaften durch den ideologischen Filter der Presseagenturen bzw. der westeuropäischen Mainstreammedien darüber informiert werden, was bei ihren Nachbarn geschieht, wie dies derzeit leider der Fall ist.
Die Drei-Meere-Initiative, eine Super-Visegrád-Gruppe?
Nach dem Fall der Berliner Mauer haben die ehemaligen Satellitenstaaten der UdSSR in Europa lange Zeit ihre Augen gen Westen gerichtet gehalten und dabei ihre Beziehungen untereinander vernachlässigt. Heute mit der Identitäts- und Gesellschaftskrise, die Westeuropa durchlebt, bzw. mit der Wahrnehmung einer wirtschaftlichen Beziehung, wo die ehemals kommunistischen Länder sich in der Situation von dominierten Ländern wiederfinden, ist die Versuchung groß, sich unter Mitteleuropäern zu treffen, um womöglich mit einer gemeinsamen Stimme in Brüssel zu sprechen. Das, was die Länder der Visegrád-Gruppe (Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn) schon mit Erfolg zu viert praktizieren, könnte die Drei-Meere-Initiative erlauben, eben zu zwölft zu machen.
Aus dem Französischen übersetzt von Visegrád Post.