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CPAC Hungary 2023: Orbán will zeigen, dass er nicht isoliert ist

Lesezeit: 7 Minuten

Ungarn – Nach der ersten europäischen Veranstaltung im vergangenen Jahr wurde am 4. und 5. Mai 2023 eine zweite CPAC in Budapest organisiert. Als einzige Version dieses großen Treffens von Konservativen (nach Art der US-Republikaner) auf dieser Seite des Atlantiks ist es kein Zufall, dass die Veranstaltung in der ungarischen Hauptstadt stattfindet. Viktor Orbán, der sich mit Washington sowohl über den Krieg in der Ukraine als auch über die Woke-Ideologie und den Progressivismus auseinandersetzt und ein Jahr vor den Europawahlen steht, will seine Beziehungen zu den USA pflegen und der Welt und seinen Wählern zeigen, dass er auf der internationalen Bühne alles andere als isoliert sei.

Haupthalle des Bálna. Im ersten Stock die Ausstellung der ungarischen Armee. Im zweiten Stock die Stände der Partner. Auf dem Banner im Atrium, auf Ungarisch und Englisch, der Slogan „Zusammen sind wir eine Kraft / wir stehen“. Bild: Visegrád Post / Ferenc Almássy

Nein zu Einwanderung, Nein zu Gender, Nein zum Krieg“

Vor einem vollen Saal im Bálna, einem ehemaligen Lagerhaus, das am Ufer der Donau in ein Einkaufs- und Kongresszentrum umgewandelt wurde, begann Orbán lautstark seine Tirade gegen den westlichen Progressivismus. „Wir werden alle angegriffen, sowohl in Europa als auch in Amerika […], und der Angriff ist nicht wirtschaftlicher Natur, wir haben es mit einer biologischen Waffe zu tun, es ist ein Virusangriff, der gegen uns gestartet wurde. Dieses Virus wurde in den liberal-progressistischen Labors entwickelt. […] Es ist ein nationophober Virus“, so der Ministerpräsident in einer ziemlich deutlichen Anspielung für eine Versammlung, in der die Covid-Gegner zahlreich vertreten waren – Kari Lake, Rob Roos, Virginie Joron, Eva Vlaardingerbroek, um nur einige zu nennen. „Menschen ohne Heimat können nicht frei sein, sie werden nur Nomaden sein, die sich hier und dort niedergelassen haben und die Spielfiguren der globalen Elite sein“.

Die Rede Viktor Orbáns war eine wahre Ode an die Konzepte Nation und Nationalstaat und konzentrierte sich auf den Zusammenbruch des Westens und seinen relativen Niedergang gegenüber dem Rest der Welt, sowohl demografisch als auch wirtschaftlich. Laut Viktor Orbán hat der Westen seine Führungsposition in allen Bereichen außer im militärischen verloren. „Wenn aber nur noch ein militärischer Vorteil übrig ist, führt das zwangsläufig zu bewaffneten Konflikten, und das ist es, was heute passiert.“ Und für diesen Zustand ist Orbán kategorisch: Der Westen ist selbst schuld.

Viktor Orbán griff das Bild eines Virus auf, um die radikal-progressistische Woke-Ideologie zu bezeichnen, und fuhr dann wie folgt fort: „Dieser Virus ist nicht entkommen, er wurde produziert, vervielfältigt und auf die ganze Welt losgelassen. Migration, Gender, Wokismus – all das sind nur Varianten desselben Virus“. Orbán zufolge entspringen der Immigrationismus und die Woke-Ideologie demselben Willen, nämlich Nationen zu zerstören, Gesellschaften zu atomisieren und Identitäten zu dekonstruieren.

Der ungarische Regierungschef griff dann die „progressistische Diplomatie“ an, die seiner Meinung nach von Natur aus imperialistisch sei und im Namen des Demokratieexports Länder zerstört habe, bevor er den Wunsch einer Rückkehr von Donald Trump an die Macht in den USA äußerte und meinte, wenn er [Trump] Präsident wäre, würde es derzeit keinen Krieg in der Ukraine geben. „Die Progressisten betreiben immer noch eine imperialistische Politik, sie üben diplomatischen Druck auf Nationen aus und erwarten eine Angleichung: Unterstützen Sie die Einwanderung, die Propaganda der Gendertheorie, die Relativierung der Familie, die Sexualisierung der Kinder? Diejenigen, die all dem nicht zustimmen, werden als Feinde bezeichnet, und gegen diese wird dann die liberale Fatwa ausgesprochen“.

Daraus schlussfolgerte er: „Das neueste Ziel der progressistischen imperialistischen Diplomatie ist es, den Nationen der Europäischen Union ihr Recht auf eine nationale Diplomatie zu nehmen.

Viktor Orbán wandte sich direkt an die amerikanischen Gäste und gab sich mit einem Grinsen auf den Lippen optimistischer. „Die gute Nachricht ist, dass hier in Europa die Reconquista bereits begonnen hat“, sagte Orbán, bevor er die Siege der Konservativen in Italien und Israel als Beispiele anführte und sich optimistisch über Spanien und Polen äußerte, wo Wahlen heuer stattfinden werden. Nächstes Ziel: die Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2024.

Zum Abschluss seiner Rede griff Viktor Orbán dann die virale Metapher auf. „Die gute Nachricht ist, dass es nicht mehr nötig ist, nach dem Heilmittel für den progressistischen Virus zu suchen. Es ist hier, in Ungarn. Es ist für alle zugänglich. Es ist kostenlos und mit einer einfachen lokalen Anpassung kann es auch anderswo implementiert werden und funktioniert. […] Es schützt vor allen Varianten des Progressivismus und hat darüber hinaus keine Nebenwirkungen. […] Es genügt, vor den Wahlen in riesigen, gut sichtbaren Buchstaben auf die Flagge zu schreiben: Nein zur Einwanderung, Nein zu Gender, Nein zum Krieg“.

Für den starken Mann in Budapest bleibt die Demokratie die Schwachstelle der Progressisten. „Sie wussten schon im alten Rom, dass es zwei Wege gibt, eine Stadt einzunehmen: Entweder man nimmt die Stadtmauern ein oder man besetzt ihre Heiligtümer. Ich schlage vor, dass wir mit den Heiligtümern beginnen, dann kommen die Mauern. Wir haben in den letzten Jahren einige große europäische Heiligtümer eingenommen: Budapest, Warschau, Rom, Jerusalem; Wien ist nicht ohne Hoffnung. Aber die Wahrheit ist, dass die beiden wichtigsten Heiligtümer der modernen Demokratie, Washington und Brüssel, immer noch in den Händen der Progressisten sind. Lassen Sie uns handeln, damit dies nicht mehr der Fall sei“.

Einer der Teilnehmer trägt ein überraschendes Trikot, auf dem die Gesichter von Viktor Orbán und Donald Trump mit den englischsprachigen Bezeichnungen „Friedensstifter“ und „Weltretter“ versehen sind. Bild: Visegrád Post / Ferenc Almássy.

Eine bunte Ansammlung von Konservativen, vereint gegen den Progressivismus

Die etwas chaotische Organisation der Veranstaltung hielt Tausende von Konservativen nicht davon ab, sich zwei Tage lang im Herzen der ungarischen Hauptstadt zu versammeln. Politiker, Journalisten, Influencer, Unternehmer, Akademiker und bedingungslose Unterstützer konnten unter den Flaggen Ungarns, der USA und… der NATO vernetzen, Interviews führen und Gedanken austauschen – was den anwesenden französischen Europaabgeordneten Thierry Mariani durchaus amüsierte.

Thierry Mariani gibt Yann Caspar ein Interview für TV Libertés am 5. Mai 2023 in der CPAC Hungary. Bild: Visegrád Post / Mátyás Cavalli.

Einige unserer Kollegen waren allerdings nicht willkommen, was garantierte, dass die Veranstaltung zu einem echten konservativen Safe Space wurde. So wurden Journalisten von The Guardian, Le Point bzw. Radio Free Europe von der Security hinausbegleitet (einige waren unter falscher Identität reingekommen) oder einfach am Betreten des Geländes gehindert. Auch unsere Kollegen vom Courrier d’Europe Centrale wurden nicht akkreditiert.

Die Veranstaltung war ein wahrer Turmbau zu Babel, in dem Menschen aus den USA, Frankreich, Spanien, Portugal, Georgien, Polen, den Niederlanden, Deutschland, Slowenien, Serbien und Schweden zusammenkamen. Interessanterweise zeigt die Vielfalt der Meinungen zu so kontroversen Themen wie dem Krieg in der Ukraine oder dem Covid, dass die verschiedenen in der CPAC vertretenen Kräfte zu einer tiefgreifenden Zusammenarbeit bereit sind und dass Orbán den Kreis seiner Unterstützer und Verbündeten erweitern muss.

Doch während Viktor Orbán seine Vision der progressistischen Agenda klar darlegte, blieben die Differenzen unter den Gästen bestehen. „Es ist komisch, dass Orbán, der doch wie anderswo verbindliche und absurde Covid-Regeln eingeführt hat, den Covid-Gegners hier und auf der anderen Seite des Atlantiks den Fuß in die Tür stellt. Aber es stimmt, dass sich der Wind bei diesem Thema dreht …“, vertraute mir ein EU-Politiker an, der anonym bleiben wollte. Was den Krieg in der Ukraine betrifft, so wichen die Polen, die auch in diesem Jahr nicht zahlreich waren, dem Thema diplomatisch aus und konzentrierten sich lieber auf den gemeinsamen Kampf gegen den Wokismus, die Cancel Culture, die Dekonstruktion der traditionellen Familie und die Sexualisierung der Kinder. Unter den Botschaften, die für diesen Anlass aufgenommen und auf allen Bildschirmen des Bálna ausgestrahlt wurden, waren auch die von Persönlichkeiten wie Donald Trump, Steve Bannon bzw. Eduardo Bolsonaro, dem Sohn des früheren brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro.

Die Anwesenheit zahlreicher Europaabgeordneter, vor allem aber des Shootingstars Kari Lake, der nachgesagt wird, dass sie möglicherweise auf demselben Ticket wie der nächste republikanische Kandidat für die Wahlen 2024 stehen könne, sowie des georgischen Ministerpräsidenten Irakli Garibaschwili, des ehemaligen tschechischen Präsidenten Vacláv Klaus und der ehemaligen tschechischen und slowenischen Ministerpräsidenten Andrej Babiš und Janez Janša machte diesen zweitägigen Kongress zu einem wichtigen Treffen des Konservatismus auf europäischer Ebene.

Der frühere slowenische Ministerpräsident Janez Janša. Bild: Visegrád Post / Ferenc Almássy.

Und genau das ist das Ziel von Viktor Orbán, der ein Jahr vor den Europawahlen in der Europäischen Union isolierter ist als je zuvor. Neben der Botschaft an seine Wählerschaft, die sie in Bezug auf die Richtigkeit der geopolitischen Entscheidungen der Regierung beruhigen soll, geht es auch darum, den Gegenangriff im Europäischen Parlament vorzubereiten. Viktor Orbán empfing die wichtigsten Persönlichkeiten der Veranstaltung im Karmeliterkloster, seinem Amtssitz im Burgviertel hoch über der Stadt, mit allen erdenklichen Aufmerksamkeiten. Dies war insbesondere für die große französische Delegation eine Gelegenheit, einige Worte mit einem Verbündeten zu tauschen, der nicht mehr wegzudenken sein will und der Frankreich (sei es Macron oder die konservativen Oppositionskräfte) zunehmend braucht, um insbesondere sein ziviles Atomprogramm gegenüber Berlin abzusichern.

Die französische Politikerin Marion Maréchal während eines Interviews für TV Libertés in der CPAC Hungary in Budapest am 5. Mai 2023. Bild: Visegrád Post / Ferenc Almássy.

Dabei wird es bemerkenswert sein, wie subtil die beiden französischen konservativen Parteien Rassemblement National und Reconquête, die von Jordan Bardella und mehreren Europaabgeordneten einerseits bzw. von Marion Maréchal andererseits vertreten wurden, gegeneinander ausgespielt werden. Während der RN-Vorsitzende Bardella einer der letzten Redner auf dem Kongress war, war Marion Maréchal (Reconquête) die einzige Rednerin auf der sehr erlesenen Gala am Freitagabend. Wie im Herbst 2021, als der ungarische Ministerpräsident im Abstand von einigen Wochen Éric Zemmour (Reconquête) und Marine Le Pen (RN) empfing, versucht Orbán, sein Interesse an beiden Parteien zu zeigen, ohne sie zu brüskieren oder eine der beiden Türen zu schließen. Orbán ist zweifellos sehr diplomatisch, denn seine Haltung zum Krieg in der Ukraine hat ihn in der im Einklang mit der Agenda der US-amerikanischen Demokraten stehenden EU mehr denn je isoliert.

Jordan Bardella während seiner Rede vor der CPAC am Freitag, den 5. Mai 2023. Bild: Visegrád Post / Ferenc Almássy.

Diese Position zum Krieg in der Ukraine könnte insbesondere einen Beitritt zur EKR-Fraktion (Europäische Konservative und Reformisten) des Europäischen Parlaments unmöglich machen und dazu führen, dass der Fidesz unter den Fraktionslosen bleibe, sofern er nicht eine eigene Fraktion gründe bzw. sich der Fraktion Identität & Demokratie (zu der auch der Rassemblement National gehört) anschließe.