Von Olivier Bault.
Dieser Artikel wurde ursprünglich in der französischen Tageszeitung Présent veröffentlicht.
Polen – Am Sonntag Abend wie jedes Jahr fanden Konzerte in verschiedenen Städten Polens statt, um den großen Aktionstag abzuschließen, bei dem Spenden gesammelt wurden, um Material für die polnischen Kinderspitäler zu kaufen. Diese Aktion namens Großes Orchester der Weihnachtshilfe (Wielka Orkiestra Świątecznej Pomocy, WOŚP) wird dank Tausenden von freiwilligen Helfern für die Spendensammlung organisiert und ist der Anlass für die Auktion von extra hierfür gespendeten Objekten. Das „Finale“ dieser Auktionen wurde bis 2016 vom öffentlichen Fernsehen übertragen, seit 2017 vom privaten Sender TVN.
Heuer in Danzig, während des 27. Finale dieses Großen Orchesters der Weihnachtshilfe, während der Lichtshow am Ende des Konzerts und als der Danziger Bürgermeister Paweł Adamowicz sich gerade mit einer Gruppe von Personen u.a. mit Kindern auf der Bühne befand, stieg ein Mann ebenfalls auf die Bühne und trat auf Adamowicz zu, bevor er dreimal mit einem 15 cm langen Messer auf ihn stach. Anschließend hatte er noch die Zeit, die Arme als Zeichen des Sieges hochzuheben, nach einem Mikrofon zu greifen und zu erklären, dass er unter den PO-Regierungen zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden war, daß er gefoltert worden sei und unschuldig sei bzw. dass der Bürgermeister aus diesem Grund nun sterben müsse. Es brauchte ein paar Dutzend Sekunden bis der Sicherheitsdienst wahrnahm, was geschehen war, und den Täter festnahm. Das ohnmächtige Opfer wurde erst auf der Bühne betreut und danach in schlechtem Zustand ins Krankenhaus gebracht, wo es am folgenden Tag trotz aller Rettungsversuche der Ärzte verstarb. Die Ehefrau des Bürgermeisters, die sich gerade auf dem Rückweg aus den USA befand, wurde in London von einer eigens von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hierfür geschickte Regierungsmaschine abgeholt. Paweł Adamowicz war 53 Jahre alt und hinterlässt zwei Töchter (8 und 15). Der ehemalige Dissident war seit 1998 Bürgermeister der Stadt Danzig und wurde zuletzt im vergangenen November wiedergewählt, indem er den zweiten Wahlgang mit Unterstützung der liberalen Koalition – darunter der Bürgerplattform (PO), seiner ehemaligen Partei – gewonnen hatte.
Sein Mörder, Stefan W., ist ein 27jähriger Danziger, der 2013 zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis wegen Banküberfälle verurteilt worden war. Er wurde im Dezember entlassen, nachdem er seine Strafe abgesessen hatte. Während die ersten Ermittlungen zutage brachten, dass er im Gefängnis wegen paranoider Schizophrenie behandelt worden sei und die Familie bzw. die Stellvertreterin des Danziger Bürgermeisters dazu aufriefen, dieses Verbrechen nicht unnötig politisieren zu wollen, entflammte die Polemik rasch im Internet und in den Medien über die jeweilige Verantwortung von Politik und Medien, da manche liberale und linke Anhänger die Schuld auf die PiS-Regierung zuschieben wollten und manche PiS-Mitglieder bzw. das öffentliche Fernsehen schon versuchten, Aussagen der heutigen Opposition zu hinterfragen.
Diese Polemik ist übrigens nicht neu; man brauche ja nur die Ermordung des parlamentarischen Assistenten Marek Rosiak im Jahr 2010 in einem PiS-Büro in Łódź durch einen Mann zu erwähnen, der sich später dazu bekannte, dass er Kaczyński töten wollte, und da er Jarosław Kaczyński nicht habe antreffen können, sich dann dafür entschied, irgendein PiS-Mitglied zu ermorden, da er diese Partei hasse.
Übersetzt von Visegrád Post.