Von Sébastien Meuwissen.
Polen – Am Donnerstag, den 3. Mai feiert Polen seine Verfassung. Wie jedes Jahr wimmelt es da von Veranstaltungen in Warschau.
Der 3. Mai ist in Polen ein Feiertag. An diesem Tag gedenkt man der Ausrufung der Verfassung im Jahre 1791. Jedes Jahr werden zahlreiche Feierlichkeiten im ganzen Land und insbesondere in der Hauptstadt Warschau organisiert. Ansprache des Präsidenten, Militärparaden, Konzerte mit freiem Eintritt, öffentliche Lesungen von Theaterstücken… Hunderte von Polen tanzen die „Polonäse“ (ein traditioneller Volkstanz für besondere Anlässe) auf dem Vorplatz des königlichen Schlosses.
Man bummelt durch die Straßen, trifft sich mit Freunden. Die Stimmung ist gesellig. Die Touristen, die das Glück haben, die Hauptstadt an diesem Moment zu besichtigen, erleben eine wohlwollende Freudenstimmung über alle politischen Differenzen hinweg. Diese Feierlichkeiten überqueren übrigens auch die polnischen Grenzen. Der 3. Mai wird ebenfalls von den polnischen Minderheiten in Litauen, in Weißrussland und in der Ukraine sowie von der polnischen Diaspora weltweit gefeiert.
Polen ist – mir der Ausnahme Korsikas – das erste europäische Land, das sich eine Verfassung gab, und das zweite weltweit, nach den USA (1787). Wer in Westeuropa kennt dieses historische Ereignis?
Diese Verfassung wurde in einer Zeit ausgerufen, in der Polen zum Gegenstand bedeutender Begehrlichkeiten seitens seiner mächtigen Nachbarn Russland, Preußen und Österreich geworden war. Vier Jahre später, 1795 also, teilten sie das polnische Staatsgebiet unter sich. Polen verschwand also damals für über ein Jahrhundert von der Weltkarte… Die Verabschiedung dieses Gesetzestextes fand somit in einem besonders gespannten Zusammenhang statt.
Die Polen haben gute Gründe, über diesen Kapitel ihrer Geschichte stolz zu sein. Die Verabschiedung der Verfassung am 3. Mai 1791 machte dieses Land zum Wegbereiter für Demokratie und Freiheit auf europäischer und globaler Ebene. Diese ist in der Tat besonders modern für ihre Zeit. Sie wurde so ziemlich an die amerikanische Verfassung angelehnt und stellt ebenfalls aus der Zeit der Aufklärung geerbte Ideen in den Vordergrund, darunter den von Montesquieu theoretisierten Prinzip der Gewaltentrennung.
In ihrem Buch „Le Roman de la Pologne“ (Kapitel 13, Seite 285), kommt die polnisch-französische Schriftstellerin Beata De Robien auf dieses Ereignis zurück:
„Die sogenannte Verfassung des 3. Mai schafft die quasi feudalistische Form der polnischen Regierung ab. Nunmehr wird die Monarchie erblich, was den Nachfolgekrisen und den ausländischen Intrigen ein Ende setzt. Die Abgeordneten werden nach dem Mehrheitswahlrecht in den Sejm gewählt und werden in der Weise des englischen Parlaments selber mehrheitlich bestimmen. Die Bürgerlichen können zu den höchsten Staatsfunktionen gelangen, Polen ist keine adelige Republik mehr. Die Bauern werden vom Gesetz geschützt.“
Polen wird somit zu einer erblichen, konstitutionellen und quasi parlamentarischen Monarchie.
Heuer wird die Verfassungsfeier einen besonderen Reiz dadurch haben, dass Polen ebenfalls die hundert Jahre der Wiedererlangung ihrer Unabhängigkeit nach dem Ende des I. Weltkriegs feiert. Somit könnte es um eine Art Generalprobe vor der riesigen Unabhängigkeitsfeier sein, die am kommenden 11. November stattfinden wird.
Heute wie im Laufe seiner Geschichte wird Polen zum Gegenstand von allerlei Attacken. Innere sowie äußere Kräfte scheinen Schwierigkeiten zu haben, sich damit abzufinden, dass das Land seine Souveränität und Unabhängigkeit endlich wiedererlangt habe. Diese nationale Gedenkfeier ist daher eine gute Gelegenheit, die europäischen liberal-libertären Eliten sowie alle Moralprediger daran zu erinnern, dass Polen immer an der Spitze des Kampfes für Freiheit und Demokratie gestanden ist.