Dieser Artikel ist am 11. Februar 2021 in der Magyar Nemzet erschienen.
In Italien, wie auch anderswo, scheint die Ausbreitung der materialistisch-relativistischen Mentalität unaufhaltsam. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften wurden legalisiert, Vater und Mutter wurden zu „Elternteil 1“ und „Elternteil 2“, und der Unterricht der Gender-Ideologie infiltriert die Schulen. Der Neurologe aus Brescia, Massimo Gandolfini, Leiter des Familienverbands „Schützen wir unsere Kinder“ und Vorsitzender der parteiübergreifenden Parlamentsgruppe „Familie und Leben“, kämpft für eine Trendwende.
– In der italienischen Politik sind Sie seit Jahren eine Schlüsselfigur im Kampf gegen den „Einheitsgedanken“. Wie lange läuft diese soziale Mobilisierung, die Sie leiten, schon, und welche sind ihre Werte?
– Es begann alles 2015, als die damalige Regierung die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe vorschlug. Diese Initiative war bereits seit 2007 in Planung, sorgte aber anfangs für einen derartigen öffentlichen Aufschrei, dass die Regierung gezwungen wurde, sie zurückzuziehen. Acht Jahre später versuchten sie erneut, dass gleichgeschlechtliche Paare als eigenständige Familien anerkennen zu lassen. Eine solche Herangehensweise stößt auf Schwierigkeiten verschiedener Art; die Familie basiert nämlich nach der Definition in Artikel 29 der Verfassung der Italienischen Republik auf der natürlichen Ehe, d.h. der zwischen einer Frau und einem Mann geschlossenen Ehe. Die natürliche Familie eignet sich zur Zeugung, zur Fortpflanzung, zur Sicherung des Fortbestands einer Nation. Jede andere Beziehung, die ausschließlich auf Gefühlen beruht, aber natürlich für die Zeugung von Nachkommenschaft ungeeignet ist, kann weder annähernd noch im Entferntesten mit der traditionellen Familie verglichen werden. Dies sind die Grundwerte, um die sich eine Bewegung gebildet hat, die sich im Laufe der Jahre zu einer echten Gemeinschaft entwickelt hat. Ihr haben sich nicht nur Familien und zivilgesellschaftliche Organisationen angeschlossen, sondern auch Mitglieder der klerikalen Hierarchie und viele politische Gruppen. 2015 haben wir vor der Lateranbasilika in Rom und dann 2016 im Circus Maximus eine Veranstaltung namens Familientag organisiert, die anderthalb Millionen Menschen zusammenbrachte. Das Ziel dieser Massenmobilisierung war der Widerstand gegen eine ideologische Demagogie, die weder der italienischen Tradition noch dem Wertesystem und den Gefühlen der meisten Menschen entspricht.
– Welche Ergebnisse hat diese Mobilisierung erzielt?
– Es ist uns nicht gelungen, dem Druck einer gewissen Linken ein Ende zu setzen, die zur Bannerträgerin einer materialistischen und relativistischen Weltanschauung geworden ist. So konnten wir zum Beispiel die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe leider nicht verhindern, aber es bildete sich eine mächtige Bürgerwiderstandsbewegung, die in der Lage war, bewusst und organisiert gegen die kulturellen und politischen Angriffe der Ideologen vorzugehen. Was den Verein zur Verteidigung der Familien, den Familientag, betrifft, so ist er zu einem wichtigen politischen Akteur geworden, zu einem unverzichtbaren Gesprächspartner, vor allem wenn die Diktatur des Einzeldenkens in den Vordergrund tritt. Die Debatte ist sehr zäh, denn die Gegner – die materialistischen Ideologen – verfügen über außerordentliche Macht. Wir betrachten jedoch die Verteidigung traditioneller Werte als unsere Berufung und unsere Pflicht.
– Sie sind der Vorsitzende der parteiübergreifenden Fraktion „Familie und Leben“. Wie arbeitet diese Gruppe, und wer sind ihre Mitglieder?
– Eine der wertvollsten Früchte unserer Initiative, diese Familientage zu organisieren, war die Gründung dieser parlamentarischen Gruppe, der Abgeordnete und Senatoren frei beitreten konnten. Ihre Statuten, die ich eigenhändig verfasst habe, tragen die Unterschriften von einhundertzehn Politikern. Dieser Gründungsakt sieht die Anerkennung und Verteidigung dreier grundlegenden Werte vor: den Schutz des Lebens vom Zeitpunkt der Empfängnis bis zum natürlichen Tod; die Definition der Familie als natürliche Bindung zwischen einer Frau und einem Mann; und die Tatsache, dass die Erziehung von Kindern in erster Linie das Recht und die Pflicht ihrer Eltern ist. Zu uns gesellten sich die Lega, die Fratelli d’Italia, die Forza Italia, ein paar kleine rechte Parteien und einige Mitglieder der Fünf-Sterne-Bewegung. Die Aufgabe der Gruppe ist es, die Verabschiedung von Gesetzen zu verhindern, die zum Nachteil der Familie und des Lebens dem Nihilismus und dem Kult des Todes Nahrung geben. Es ist auch wichtig festzustellen, dass die linken Regierungen der letzten Zeit weder für die politischen Ansichten der Mehrheit des Landes noch für deren Werte repräsentativ sind. Italien steht unter dem Druck der Europäischen Kommission, die auch in Zeiten der Pandemie nicht aufhört, den Mitgliedsstaaten die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe, den Unterricht der Gender-Ideologie in den Schulen und die Zulassung von „Leihmutterschaften“, also von Mietbäuchen, aufzuzwingen. Unsere Aufgabe ist also nicht einfach, aber unser Gewissen diktiert uns, dass dies der Kampf unseres Jahrhunderts ist, und dass es unsere Pflicht ist, zu kämpfen.
– Der Familientag kämpft seit Jahren gegen die schulische Vermittlung der Gender-Ideologie.
– „Wir leben in einem Zeitalter der Diktatur des Relativismus“, sagte der emeritierte Papst Benedikt XVI. bei seiner Wahl auf den Stuhl Petri. Die Gender-Ideologie ist die absurdeste Form des Relativismus: diejenige, die versucht, das biologische Geschlecht in Frage zu stellen und auszulöschen. Wir werden nicht zulassen, dass das unschuldige Gewissen von Kindern mit einer falschen Ideologie infiziert wird. Die ideologische Indoktrination zukünftiger Generationen ist eine reale Gefahr, und deshalb müssen wir alles in unserer Macht stehende tun, um sie zu verhindern. Wir kennen die falschen Ideologien der diktatorischen Regime des letzten Jahrhunderts, die auf Lehren aufbauten, die sie in die Katastrophe führten.
– Es war der frühere Innenminister Matteo Salvini, der die Verwendung der Begriffe „Mutter“ und „Vater“ in offiziellen Dokumenten wieder einführte, aber die amtierende Innenministerin der aktuellen Linksregierung, Luciana Lamorgese, hat sie wieder verschwinden lassen und durch die Begriffe „Elternteil 1“ und „Elternteil 2“ ersetzt.
– Auch dagegen haben wir protestiert. Anstatt die Stammeltern bei ihren Namen „Mutter“ und „Vater“ zu nennen, verwenden sie diese dummen, banalen und oberflächlichen Ausdrücke „Elternteil 1“ und „Elternteil 2“, um die Bedeutung der Unterscheidung zwischen den Geschlechtern in Frage zu stellen, weiter zu verharmlosen. Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um sicherzustellen, dass die normalen Ausdrücke, die sich unter anderem auf das biologische Geschlecht beziehen, so schnell wie möglich zurückkehren. Wir appellieren an die Familien. Wir ermutigen sie zu zivilem Ungehorsam. Wenn sie auf diese Ausdrücke „Elternteil 1“ und „Elternteil 2“ stoßen, zögern Sie nicht, diese zu streichen und „Mutter“ und „Vater“ zu überschreiben.
– Wie können sich die verschiedenen Länder in dieser Angelegenheit solidarisch zeigen?
– Da der aktuelle Versuch, Leben und Familie zu zerstören, eine globale Offensive ist, müssen die Staaten zusammenkommen, um diese Werte zu retten. Sie müssen dies immer dann tun, wenn ein Mitgliedstaat unter Druck gesetzt wird, wie neulich Ungarn und Polen, als die Union unter dem Vorwand der Rechtsstaatlichkeit versuchte, sie für ihre Weltanschauung zu bestrafen, indem sie ihnen Gemeinschaftsmittel entziehe. Die Abgeordneten unserer Fraktion „Familie und Leben“ haben sich entschieden auf die Seite der Ungarn gestellt und betont, dass es nicht Aufgabe der Union ist, die betreffenden Länder zu verpflichten, Maßnahmen zu ergreifen, die anthropologische Abweichungen fördern, wobei jeder Staat das Recht behält, frei über seine nationale Gesetzgebung zu entscheiden. 2019 war der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán auf Einladung der Fratelli d’Italia Gastgeber ihres Festivals Atreju, und ich hatte die Ehre, mich mit ihm zu unterhalten. Ich bat ihn, nie müde zu werden, Familie und Leben zu verteidigen. Ich freue mich besonders, dass er meiner Bitte nachgekommen ist und in seinem Kampf für den Schutz von Familie und Leben große Konsequenz gezeigt und damit ein Beispiel für andere Mitgliedstaaten gesetzt hat.
Dalma Jánosi (Rom)
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Von der Visegrád Post aus dem Ungarischen übersetzt.