Polen/Deutschland – Weniger als zwei Wochen vor der nächsten Bundestagswahl, für die sie nicht mehr kandidiert, nimmt Angela Merkel nun Abschied, nachdem sie Deutschland beinahe 16 Jahre lang geführt hat – fast so lange wie ihr anfänglicher Mentor Helmut Kohl. In diesem Zusammenhang besuchte sie am Samstag, den 11. September nochmals Polen – die Heimat ihres väterlichen Großvaters, Ludwik Kaźmierczak. In Warschau traf sich die deutsche Bundeskanzlerin mit ihrem polnischen Amtskollegen Mateusz Morawiecki, allerdings hatte sie seltsamerweise kein Treffen mit Präsident Andrzej Duda.
Deutsch-polnische Harmonie in der Krise mit Weißrussland
Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem polnischen Ministerpräsidenten sprach Merkel über die aktuelle Migrationskrise an der weißrussischen Grenze, ein Thema, bei dem Berlin nun Warschau zu unterstützen scheint:
Europa müsse mehr für seine Sicherheit tun […] Wir sehen hybride Angriffe an der Ostgrenze, Druck in Form von Flüchtlingen. Wir müssen humanitär helfen und gleichzeitig die Außengrenzen der Europäischen Union schützen, erklärte die Kanzlerin, die findet, daß es völlig inakzeptabel sei, dass solche hybriden Angriffe mit diesen Leuten durchgeführt werden,
Mateusz Morawiecki freute sich entsprechend darüber, dass Deutschland in dieser wichtigen Frage nun „viel näher zu Polen“ sei.
„Wir haben die volle Unterstützung der Europäischen Kommission und der deutschen Regierung, um Europa gegen illegale Einwanderung zu verteidigen“,
stellte er mit Genugtuung fest.
Differenzen über Nord Stream 2
In der Frage der deutsch-russischen Nord-Stream-2-Pipeline, bei der die Meinungen zwischen Deutschland und Polen auseinandergehen, erinnerte Angela Merkel etwas defensiv daran, dass Deutschland „sich dafür einsetzt, dass die Gasversorgung der Ukraine gewährleistet wird“, Garantien, die Herrn Morawiecki noch immer nicht überzeugt haben, der um die „Sicherheit [der] Region“ fürchtet, die Russland nach Ansicht des polnischen Regierungschefs immer noch als seine Interessensphäre betrachtet.
Zur Frage der so genannten Rechtsstaatlichkeit, worüber die polnische Regierung und die europäischen Behörden sich streiten, sagte Merkel, sie ziehe es vor, „diese Probleme im Dialog zu lösen“, und bezog sich dabei auf die bereits laufenden Gespräche zwischen Mateusz Morawiecki und der Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Věra Jourová, die vor einigen Tagen ebenfalls Warschau besuchte.
Deutsche Arroganz gegenüber Polen
Entgegen der üblichen Praxis traf die deutsche Bundeskanzlerin nicht mit dem polnischen Staatspräsidenten Andrzej Duda zusammen, der am 11. September an einer Gedenkveranstaltung in Kattowitz in Oberschlesien teilnahm. Während einige deutsche Zeitungen versuchten, dies als eine hypothetische Weigerung von Herrn Duda, Frau Merkel zu empfangen, zu interpretieren, scheint der Grund darin zu liegen, dass das deutsche Kanzleramt es einfach versäumt hat, einen Termin mit der polnischen Präsidentschaft zu vereinbaren. Wie der Staatssekretär in der Kanzlei des polnischen Präsidenten, Andrzej Dera, betonte:
„Wenn jemand jemanden besuchen möchte, macht er einen Termin aus“,
Doch für das deutsche Kanzleramt hätte die bloße Ankündigung des Besuchs von Angela Merkel in Warschau offenbar ausgereicht, damit der polnische Präsident seine Agenda ändert, ohne daß dieser Wunsch aus Berlin ausdrücklich ausgesprochen werde – eine letzte diplomatische Panne der Ära Merkel, die irgendwie die derzeitige deutsche Haltung gegenüber Mitteleuropa zusammenfaßt.