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Hat Emmanuel Macron Papst Franziskus ein in Polen gestohlenes Buch geschenkt?

Lesezeit: 2 Minuten

Polen/Frankreich/Vatikan – Ein Foto des Exemplars von Immanuel Kants Entwurf Zum ewigen Frieden, das der französische Präsident Papst Franziskus, den er am Montag im Vatikan traf, überreichte, sorgt in Polen für Aufregung. Auf dem Foto dieser Ausgabe aus dem Jahr 1796, das der Korrespondent der Zeitung La Croix veröffentlicht hat, ist nämlich ganz deutlich der Stempel der Universitätsbibliothek von Lemberg (polnisch Lwów, ukrainisch Львів – Lwiw) zu erkennen, einer Stadt, die bis 1945 polnisch war. Dies veranlasst viele Kommentatoren – Journalisten, Historiker und Politiker – zu der Vermutung, dass es sich um eines der vielen Objekte handelt, die während des Zweiten Weltkriegs von Deutschen oder Russen gestohlen wurden. Dem Journalisten Arnaud Bédat zufolge wurde das Buch bei einem Pariser Antiquar zum Preis von 2500 € gekauft. Die Universitätsbibliothek, die auf dem Stempel auf der Titelseite des Buches angegeben ist, bestand seit 1867 und war bis 1939 in Betrieb.

Die Universitätsbibliothek in Lemberg wurde 1867 gegründet. Das Buch wurde also von den Deutschen, den Russen oder einer der französischen Einheiten der Waffen-SS gestohlen. Wie dem auch sei, herzlichen Glückwunsch an Präsident Macron zu seiner Hehlerei“,

reagierte der polnische Journalist Stanisław Janecki auf Twitter.

„Öffentliche Institutionen und Organisationen verkaufen ihre Sammlungen nicht und tauschen sie auch nicht aus. Wenn es einen Stempel gibt, sollte der Käufer meiner Meinung nach das Gut zurückgeben und nicht damit handeln“, schrieb Janecki weiter als Antwort auf einen Internetnutzer, der ihn darauf hinwies, dass die Notiz des Buchhändlers, die dem in Königsberg (heute Kaliningrad) gedruckten Buch beilag, besagt, dass es um 1900 nach Frankreich gekommen sei.

Dieses Foto erregte in Polen großes Aufsehen: Der Stempel macht deutlich, dass das Buch, das der französische Präsident Papst Franziskus schenkte, zuvor Eigentum der (damals) polnischen Universitätsbibliothek in Lwiw war … Das Mindeste, was man sagen kann, ist, dass es peinlich ist …“,

schrieb Robert Pszczel vom Polnischen Institut für Internationale Angelegenheiten (PISM), einer 1947 gegründeten Institution, die unter der Schirmherrschaft des polnischen Außenministeriums arbeitet, in seinem Twitter-Feed.

Der Fall bedarf einer Überprüfung.

Das Buch könnte vor dem Zweiten Weltkrieg (als Duplikat) gegen ein anderes Buch aus der Sammlung einer anderen Bibliothek ausgetauscht worden sein. Die Deutschen plünderten jedoch massiv die polnischen Bibliotheken und Archive, sodass dies der wahrscheinlichste Ursprung bleibt“,

erklärte seinerseits Sławomir Dębski, der Direktor des PISM.

Für Łukasz Adamski, Vizedirektor des Juliusz-Mieroszewski-Dialogzentrums, einer Institution, die unter der Aufsicht des Ministeriums für Kultur und nationales Erbe arbeitet und sich sowohl an Polen als auch an Ukrainer, Weißrussen, Russen, Moldawier und Georgier richtet, wurde das Buch „möglicherweise von den deutschen Besatzungsbehörden während des Zweiten Weltkriegs erbeutet, zumal es sich um eine wertvolle Ausgabe von Kants Werk handelt“. Adamski schließt jedoch nicht aus, dass das Geschenk des französischen Präsidenten an Papst Franziskus zu einem früheren Zeitpunkt verkauft, getauscht oder gestohlen worden sein könnte.

Der Sprecher des polnischen Außenministeriums, Łukasz Jasin, teilte mit, dass die Behörden in Warschau an dem Fall interessiert seien, es aber noch zu früh sei, um Erklärungen abzugeben.

Unter den zahlreichen polnischen Medien, die über den Fall berichteten, fragte sich die konservative Website wPolityce.pl, warum der französische Präsident nicht ein Geschenk französischen Ursprungs gewählt habe, anstatt eine französische Übersetzung eines Kant-Werkes, die in Preußen veröffentlicht worden war und die polnische Universitätsbibliothek in Lemberg unter dubiosen Umständen verlassen hatte. Dies ist umso erstaunlicher, bemerkte wPolityce.pl, als derselbe Emmanuel Macron normalerweise sehr empfänglich für gestohlene Kunstgegenstände zu sein scheint, die er bereitwillig an ehemalige französische Kolonien zurückgibt.