Ungarn/NATO – Am Donnerstag, den 24. März, fand in Brüssel ein NATO-Gipfel zur Lage in der Ukraine statt, an dem auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj per Videoschaltung teilnahm. Aus Solidarität mit der von Russland angegriffenen Ukraine sprachen sich die Vertreter einiger Länder für eine Ausweitung der Sanktionen gegen Moskau aus.
Der ukrainische Präsident liest Ungarn die Leviten
Per Videoschaltung wandte sich der ukrainische Präsident direkt an Ungarn und an Viktor Orbán persönlich: „Ich möchte hier aufhören und ehrlich sein. Ein für alle Mal: Sie müssen sich entscheiden, mit wem Sie stehen. Sie sind ein souveränes Land. Ich war in Budapest. Ich liebe Ihre Stadt. Ich war schon einige Male dort […] Ich habe das [Donauufer] besucht.
Ich habe dieses Denkmal gesehen … die Schuhe am Donauufer, wo ein Massenverbrechen stattgefunden hat. Ich war mit meiner Familie dort. Hör zu, Viktor, weißt du, was gerade in Mariupol passiert? Bitte, geh zum Ufer, sieh dir die Schuhe an, und dann wirst du verstehen, dass wieder ein Massenmord in der Welt stattfindet. Und das ist es, was Russland heute tut.
In Mariupol gibt es die gleichen Schuhe, die gleichen Menschen. Erwachsene, Kinder und Großeltern. Tausende und Abertausende sind bereits unterwegs. Und du zögerst, ob du Waffen durchlassen sollst? Und du zögerst, ob du mit Russland Handel treiben sollst oder nicht? Dafür gibt es keine Zeit. Die Zeit ist gekommen, um zu entscheiden. Wir glauben an Sie, wir brauchen Ihre Hilfe. Wir glauben an Ihre Leute. Wir vertrauen auf die Europäische Union und darauf, dass zu gegebener Zeit auch Deutschland mit uns sein wird“.
Ausweitung der Sanktionen auf den Energiebereich?
Einige Staats- und Regierungschefs wollen neue Sanktionen gegen Russland im Energiebereich (Kohle, Gas, Öl) verhängen, während Volodymyr Zelenskyj Ungarn erneut aufforderte, Waffenlieferungen über sein Territorium zuzulassen bzw. sogar selbst Waffen an die Ukraine zu liefern.
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán wies beide Forderungen zurück, da sie den Interessen Ungarns zuwiderliefen: „Einige Länder haben erneut vorgeschlagen, die Sanktionen auf Energie, Kohle, Gas und Öl auszuweiten. Außerdem forderte uns der Präsident der Ukraine selbst, der über eine Videoverbindung an der Diskussion teilnahm, auf, dies ebenfalls zu tun.
Wir haben es in Erwägung gezogen und dann abgelehnt, da 85% des Gases in Ungarn aus Russland kommen und auch 60% des Öls. […] Das ist inakzeptabel, es ist gegen die Interessen der Ungarn, und es würde sogar bedeuten, dass wir den Preis für den Krieg zahlen würden.“
Außerdem ist Ungarn einer der Hauptlieferanten von (russischem) Gas an … die Ukraine, was auch das Ende der Gaslieferungen an die Ukraine durch Ungarn bedeuten würde.
Ungarn wird keine Waffen an die Ukraine liefern
Derselbe Tenor in Bezug auf die ukrainischen Forderungen nach Waffenlieferungen:
„Ungarn will sich aus diesem Krieg heraushalten und wird daher keine Waffenlieferungen genehmigen und keine Waffen an die Ukraine schicken“.
Gemäß den Verträgen, die Ungarn an die NATO binden, kann jedoch eine gewisse Anzahl an Truppen und Waffen durch Ungarn transportiert werden, die ungarischen Behörden werden jedoch keine Waffenlieferungen über die Grenze lassen. Die Opposition hält dies für heuchlerisch und ist der Meinung, dass Viktor Orbán Ungarn mit seiner Ablehnung der Forderungen des ukrainischen Präsidenten Volodymyr Zelenskyj beschämt habe. Mitten im Wahlkampf hat die ungarische Regierung ihrerseits neue Plakate herausgebracht, auf denen nur das Gesicht von Viktor Orbán im Profil zu sehen ist, mit dem Text „Bewahren wir die Sicherheit und den Frieden Ungarns!“.
Ungarn will sich aus dem Krieg heraushalten, leistet aber seinen Beitrag
Der Pressebeauftragte der Regierung, Bertalan Havasi, erklärte den Medien, dass drei bis vier Jahre nötig seien, um die Raffinerien auf eine andere Ölquelle umzustellen, und dass es physisch unmöglich sei, die derzeit von Russland bezogene Menge derzeit durch andere Quellen auszugleichen.
Havasi erinnerte an die Position der ungarischen Regierung, die nicht wolle, dass ungarische Familien die Auswirkungen eines ausländischen Krieges zu spüren bekämen, weshalb Ungarn die Ausweitung der Sanktionen auf den Energiesektor blockieren werde, wo immer es könne.
Für Balázs Orbán, politischer Direktor im Ministerpräsidentenamt, sei die Diversifizierung der Energiequellen ein Prozess, der zwar bereits im Gange sei, aber noch Jahrzehnte dauern könne.
Parallel dazu hat Ungarn humanitäre Hilfe im Wert von mehr als 5,3 Millionen Euro geleistet und bereits mehr als eine halbe Million Menschen aus der Ukraine aufgenommen, indem es den Bedürftigen Hilfe und Versorgung anbietet. Die Situation ist mittlerweile kaum noch tragbar, weshalb Ungarn auch an die europäische Solidarität appelliert hat.