Von Olivier Bault.
Dieser Artikel wurde ursprünglich in der Zeitung Présent veröffentlicht.
Polen, Warschau – Am Mittwoch, den 17. und Donnerstag, den 18. Mai fand in Warschau ein Gipeltreffen aller Präsidenten und Vizepräsidenten der nationalen Parlamente Ost- und Mitteleuropas statt. Stellen wir gleich klar: die Definition dieser geographischen Zone für diesen von Polen organisierten Gipfel war eine ziemlich breite, da die Parlamente sowohl der baltischen Staaten, Aserbaidschans, Georgiens, der Visegrád-Gruppe (V4), der Ukraine, Österreichs, des Balkans (inklusive Griechenlands) wie auch der Türkei vertreten waren.
Eine ziemlich bunt zusammengewürfelte Sammlung von Ländern also, die aber – was die europäischen Länder im engeren Sinne betrifft, Gemeinsamkeiten besitzen, die sie von Westeuropa unterscheiden: die Erfahrung einer im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte um den Preis eines oft sehr schwierigen Kampfes wiedergewonnenen Unabhänggkeit bzw. für die Länder des ehemaligen Ostblocks, die Erfahrung des kommunistischen Totalitarismus. Daher sind für diese Länder – auch diejenigen, die EU-Mitglieder sind – ihre nationale Souveränität bzw. die individuellen sowie kollektiven Freiheiten so sehr wichtig. Daher sind sie auch auf die Einmischungen Brüssels so allergisch, wie dies ganz besonders von den Vetretern Polens und Ungarns im Laufe dieses Gipfels betont wurde.
Was diese Länder vereint – und dies wurde von den Präsidenten und Vizepräsidenten der vertretenen Parlamente immer wieder gesagt – ist die Ablehnung eines von manchen westeuropäischen Regierenden gewollten Europa mit zwei Geschindigkeiten sowie der Wille zur Öffnung der EU und der NATO gegenüber anderen europäischen Ländern, die diesen Organisationen vielleicht beitreten möchten. Mehrere Parlamentarier (aus Polen, aus der Ukraine und aus Georgien) stellten in den Vordergrund den Bedarf nach Solidarität gegenüber der russischen Politik des „nahen Auslands“ und alle waren darüber einverstanden, um in der massiven Einwanderung eine gefährliche Drohung für die Zukunft des Kontinents zu sehen, außer der türkische Vertreter, der im Gegenteil die Europäer zu mehr Offenheit aufrief!
Was die Wirtschaft betrifft, wurden Infrastrukturprojekte in den Bereichen Straßenverkehr, Bahn und Energie auf einer Nord-Süd-Achse in den Vordergrund gestellt, sowohl um den Rückstand gegenüber den Ost-West-Verbindungen aufzuholen, wie auch die wachsenden Handelsbeziehungen zu berücksichtigen, bzw. – im Energiebereich – um die Gasversorgungsmöglichkeiten zu diversifizieren und nicht mehr allein von Rußland abhängig zu sein. Ein weiteres Element, das mehrmals erwähnt wurde, ist der notwendige Anschluß zwischen der Infrastruktur in Ost- und Mitteleuropa und derjenigen, die gerade im Rahmen der chinesischen Neuen Seidenstraße entwickelt wird.
Es war das dritte parlamentarische Treffen dieser Art für Ost- und Mitteleuropa seit August 2016, und Polen möchte denen einen zyklischen Charakter geben. Das erklärte Ziel ist es, eine parlamentarische Diplomatie unter diesen Ländern zu entwickeln, die die Aktion der Regierungen ergänze. Bilaterale Treffen fanden zwei Tage lang parallel zu den Plenarsitzungen statt, doch waren sie für Journalisten nicht eröffnet. Am Anfang des Monats hatten sich schon die außenpolitischen Berater der zwölf Länder Ost- und Mitteleuropas (Baltische Staaten, V4, Österreich, Rumänien, Bulgarien Slowenien und Kroatien) in Warschau versammelt, um einen für Juli in Breslau im Rahmen der vor einem Jahr von Polen und Kroatien ins Leben gerufene Drei-Meere-Initiative geplanten Gipfel vorzubereiten.