Polen / Russland – Das Massaker von Katyń ist eines der wichtigsten historischen Ereignisse, das 80 Jahre später die russisch-polnischen Beziehungen noch immer stark beeinträchtigt. Diese Tragödie ist der Höhepunkt von jahrhundertelangen Konflikten zwischen den beiden Nationen.
Polnische Eliten wurden physisch eliminiert
Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs hatten die Sowjetunion und Hitler-Deutschland mit dem sog. deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt vereinbart, ihre Interessenssphären aufzuteilen und Polen gemeinsam anzugreifen und zu zerstückeln. In diesem Zusammenhang kam es zu dem Massaker von Katyń, als zwischen dem 4. April und dem 11. Mai 1940 rund 4.400 polnische Gefangene – hauptsächlich Offiziere – in einem Wald in der Nähe des Dorfes Katyń 20 km westlich der Stadt Smolensk durch Mitglieder des sowjetischen NKWD („Volkskommissariat für innere Angelegenheiten“) erschossen wurden.
Das Massaker von Katyń ist nur eine unter anderen ähnlichen verbrecherischen Handlungen gegen das polnische Volk seitens des Sowjetregimes, dessen Ziel es offensichtlich war, die der kommunistischen Ideologie feindlich gesinnten polnischen Eliten zu liquidieren; erwähnt werden müssen auch das Massaker von Mednoje bei Twer (ehemals Kalinin), wo im Frühjahr 1940 6.314 polnische Polizisten und Grenzschutzbeamte ermordet wurden; das Massaker von Charkow gegen 3.896 polnische Kriegsgefangene; das Massaker von Minsk, bei dem 3.870 ehemalige polnische Soldaten hingerichtet wurden; bzw. das Massaker von Kiew, bei dem mehr als 3.000 polnische Offiziere eliminiert und in Bykownia verscharrt wurden.
Die Massaker sollten Hitler-Deutschland zur Last gelegt werden
Im August 1941 entdeckte die deutsche Wehrmacht im Zuge der Offensive gegen die Sowjetunion ein erstes Massengrab im Wald von Katyń. Andere Massengräber wurden schrittweise bis 1943 entdeckt und vom Hitlerregime natürlich für seine Propaganda im Rahmen des Krieges ausgenutzt. Die Sowjetunion bestritt ihrerseits die Täterschaft und schrieb die Verantwortung für die Massaker offiziell der deutschen Wehrmacht zu. Nach dem Krieg wurde das Gebiet von Katyń für Jahrzehnte zu einer verbotenen Zone. Erst am 13. Oktober 1990, fünfzig Jahre nach den Liquidationen, entschuldigte sich Michail Gorbatschow offiziell beim polnischen Volk für die im Frühjahr 1940 von den Sowjets begangenen Verbrechen.
Im Oktober 1992 übergab der russische Präsident Boris Jelzin seinem polnischen Amtskollegen Lech Wałęsa Dokumente aus den geheimen Archiven des Politbüros der KPdSU, aus denen die sowjetische Verantwortung für die Massaker hervorgeht. Am 7. April 2010 nahmen der russische und der polnische Ministerpräsident Wladimir Putin und Donald Tusk gemeinsam an den Zeremonien zum Gedenken an diese Verbrechen teil. Durch die russische Duma (Parlament) wird am 26. November 2010 die direkte Verantwortung Stalins anerkannt.
Das Jahr 2010 wurde von der zweiten Katyń-Tragödie geprägt: Am 10. April stürzte eine Tupolew Tu-154 der polnischen Armee mit dem polnischen Präsidenten Lech Kaczyński und zahlreichen polnischen Persönlichkeiten der polnischen Führung, die an einer Gedenkfeier in Katyń teilnehmen wollten, während des Landeanflugs zum Flughafen Smolensk ab, wobei alle Insassen ums Leben kamen.