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Vertreibungsdrohungen gegen die „ungarischen Hunde“ in Subkarpatien

Die Magyar Nemzet ist die größte Tageszeitung Ungarns. Die 1938 gegründete Magyar Nemzet (dt. Ungarische Nation) ist eine führende Zeitung der Konservativen und steht der Regierung von Viktor Orbán nahe.

Lesezeit: 4 Minuten

Dieser Artikel ist am 24. August 2020 in der Magyar Nemzet erschienen.

Anonyme Botschaften, die ihnen mit Vernichtung und Vertreibung drohen, falsche Bombenwarnungen und zu allem Überfluss auch noch eine Anti-Terror-Übung: Das Leben der Magyaren in Subkarpatien (am westlichen Ende der Ukraine) ist nicht einfach. Sogar der Gouverneur des Oblasts (Bezirk) Subkarpatien war der Meinung, dass das Ziel dieser Angriffe darin besteht, die ungarische Minderheit zu provozieren. Um diese steigende Aktivität der ukrainischen Ultranationalisten zu verstehen, muss man auch wissen, dass in der Ukraine bald Kommunalwahlen stattfinden sollten, sobald es die Pandemiesituation erlaubt.

Das ukrainisch-ungarischsprachige Nachrichtenportal Kárpátalja.ma („Subkarpatien heute“) berichtet, dass mehrere Kirchen und Vereine der ungarischen Minderheit in Subkarpatien – darunter das ungarische Theater, der ungarische Lehrerverband, eine Wohltätigkeitsorganisation und das Portal selbst – an die „ungarischen Hunde“ gerichtete Botschaften erhalten haben. In diesen E-Mails, die von einem gewissen ukranianwolf unterzeichnet sind, werden Angehörige der ungarischen Minderheit aufgefordert, „ihre Wertgegenstände und Verwandten zu sammeln und sich ihrer historischen Familie anzuschließen“. „Die Ukraine braucht Ihre Enklave und ihre Gemeinschaft nicht!“ zitiert das oben erwähnte Portal Passagen aus dieser E-Mail. Der anonyme und gesichtslose Täter droht ihnen mit kollektiver Vergeltung und ruft dazu auf, „Ihrer Nation beizubringen, die Ukrainer zu respektieren“. Die Magyaren werden aufgefordert, dieses Ultimatum innerhalb einer Woche zu erfüllen.

Dieser Vorfall ist kein Einzelfall: In den letzten Tagen haben sie sich angehäuft. Am 20. August, dem Jahrestag der ungarischen Staatsgründung, schickte ein Internetnutzer, der sich als „ukrainischer Patriot“ bezeichnete, eine weitere anonyme Drohbotschaft an die Redaktion von Kárpátalja.ma und andere ungarische Vereine in der Region. Sie enthielt eine Warnung: Wenn die ungarischsprachige Gemeinschaft weiterhin sicher auf ukrainischem Boden leben will, müsse sie ihre Pläne zur Schaffung einer ethnischen Enklave aufgeben.

„Sie haben es geschafft, die ukrainische Regierung zu bestechen, aber die ukrainischen Patrioten durchschauen Sie. Wir werden mit unseren Sabotageaktionen beginnen und Ihre Städte, Dörfer und Schulen angreifen, bis diese Ideologie der Schaffung eines ungarischen Bezirks verschwindet. Der Schlüssel zu Ihrer Sicherheit liegt in Ihren Händen. Wenn Sie die Zahl der Opfer unter der ungarischen Bevölkerung minimieren wollen, müssen Sie dringend Maßnahmen ergreifen, um die in Subkarpatien laufenden anti-ukrainischen Initiativen zu stoppen!“

Mit diesen Worten beendete der „ukrainische Patriot“ seinen Brief. Nach unseren Informationen beabsichtigen die betroffenen Stellen, in diesem Fall eine gemeinsame Klage einzureichen, und die ukrainische Polizei teilt auf ihrer Internetseite mit, dass sie eine Untersuchung eingeleitet hat. „Sie können uns jederzeit befehlen, in unser Mutterland oder unsere historische Heimat zurückzukehren. Danke, Sie sind sehr freundlich, aber unsere Heimat ist hier. Seit etwas mehr als tausend Jahren ist dies unser Zuhause.“ Mit diesen Worten reagierte Marianna Pallagi, Chefredakteurin von Kárpátalja.ma, in ihrem Leitartikel auf die Drohungen.

Und die Liste der Qualen, denen die ungarische Minderheit in den Unterkarpaten ausgesetzt ist, hört damit nicht auf. Am Stephanstag (Gründer des ungarischen Staates) wurden die Feierlichkeiten durch drei Bombendrohungen gestört, wobei ein Telefonanruf besagte, dass die katholische Kirche in Berehove (Beregszász – der größten ungarischsprachigen Stadt in den Unterkarpaten) sowie andere Gebäude in den Dörfern Tiatchiv (Técső) und Solotvyno (Aknaszlatina) – wo eine bedeutende ungarischsprachige Minderheit wohnt – mit einer Sprengfalle versehen worden waren. Die betroffenen Objekte mussten evakuiert werden, aber letztendlich fanden die Ingenieure vor Ort keinen Sprengstoff. Der ukrainische Sicherheitsdienst SBU leistete seinen bescheidenen Beitrag zu den Unruhen, indem er am 19. und 20. August eine groß angelegte Anti-Terror-Übung in den Bezirken Mukachevo (Munkács) und Berehove durchführte, so dass es schon vor dem Fehlalarm in der Gegend nur von bewaffneten ukrainischen Soldaten wimmelte; zunächst war nicht klar, dass es sich nur um eine Übung handelte. Später meinte Oleksij Petrow, der Gouverneur des Bezirks Subkarpatien, dass diese falschen Bombendrohungen darauf abzielten, die ungarische Minderheit in Subkarpatien zu destabilisieren und zu provozieren. Er vermutet, dass diese Operationen vom Ausland aus organisiert wurden, und dass die Täter der Fehlalarme auch diejenigen sein müssen, die die Operation im Februar 2018 organisiert hatten,

als die Zentrale des Kulturbundes der Ungarn für Subkarpatien (KMKSZ) in Uzhorod (Ungvár) niedergebrannt wurde.

Diese Drohungen könnten nicht in Verbindung damit stehen, dass im Oktober – wenn die Coronavirus-Epidemie es zulässt – in der Ukraine Kommunalwahlen stattfinden sollen. Bereits im Juli beklagten ukrainische Nationalisten lautstark die geplante Änderung der Grenzen des Bezirks Berehove im Rahmen der laufenden Verwaltungsreform – eine Änderung, auf die sich auch der Autor der anonymen Briefe bezieht. Die Extremisten befürchteten die Schaffung eines „ungarischen Bezirks“, obwohl der Anteil der ethnischen Ungarn innerhalb der neuen Grenzen im Vergleich zu den aktuellen Grenzen tatsächlich abnimmt.

An diesem Montag hat die Ukraine gerade des Jahrestag ihrer Unabhängigkeit gefeiert. Aus diesem Anlass adressierte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán einen Brief an seinen Amtskollegen Denys Chmyhal. Er schrieb darin: „Ungarn hat sich von Anfang an für die Erhaltung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine eingesetzt, und Sie können sich darauf verlassen, dass wir diese Position auch in Zukunft beibehalten werden.“ Der ungarische Regierungschef zeigte sich darüber erfreut, dass die ukrainische Regierung offen für die Erörterung der noch offenen Aspekte der bilateralen Beziehungen sei. Schließlich versicherte er seinem ukrainischen Amtskollegen, dass er in der ungarischen Regierung einen Partner für eine Zusammenarbeit auf der Grundlage gegenseitigen Respekts und gutnachbarlicher Beziehungen finden werde.

Die ungarisch-ukrainischen Beziehungen waren zum Erliegen gekommen, seitdem Kiew 2017 ein neues Bildungsgesetz verabschiedet hatte, das für die ungarische Minderheit in Subkarpatien nachteilig ist. Solange dieser Streit nicht beigelegt ist, wird Ungarn – wie auch in diesem Moment – die Treffen der Ukraine-NATO-Außenministerkommission blockieren. In den letzten Monaten ist es jedoch gelungen, diesen Beziehungen neues Leben einzuhauchen: Ungarns Außen- und Außenhandelsminister Péter Szijjártó traf seinen ukrainischen Amtskollegen im heurigen Sommer zweimal. Schon vorher hatte die ungarische Regierung keinen Hehl aus ihren Hoffnungen auf Wolodymyr Zelenski gemacht, der vor etwas mehr als einem Jahr zum Präsidenten der Ukraine gewählt wurde. Im Juli glaubte man sogar, dass der lang ersehnte Moment für ein Treffen Zelenskis mit Viktor Orbán gekommen sei, doch die Coronavirus-Epidemie zwang dieses und andere Vorhaben zu verschieben. Dennoch steht ein Besuch des ungarischen Ministerpräsidenten in Kiew auf der Tagesordnung.

Dávid László

Von der Visegrád Post aus dem Ungarischen übersetzt.