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Die LGBTQ-Ideologie und die Auflösung der westlichen Identität

Lesezeit: 4 Minuten

Seit die Europäische Union am 11. März 2021 zur „LGBTQ-Freiheitszone“ erklärt wurde, ist die Debatte um die „LGBTQ“-Ideologie in den Medien allgegenwärtig – und damit auch die Kritik an jenem „intoleranten“ und „autoritären“ Polen, in dem Homosexuelle angeblich ständige Angriffe auf ihre „Rechte“ und sogar ihre körperliche Unversehrtheit erleiden. Abgesehen von den zahlreichen Absurditäten, die aus der bewussten Verdrehung der Tatsachen selbst resultieren, finden wir im Kern dieser Debatte einen Mangel an Unterscheidungsvermögen, der ganz typisch für unsere heutige Welt ist: den zwischen der Person und der Ideologie.

Zwar war Polen eines der ersten Länder in Europa, das die Homosexualität entkriminalisiert hat (1932; Deutschland im Vergleich dazu erst 1969), aber zwischen der Toleranz der freien Gestaltung des Privatlebens einerseits und der Gleichstellung hetero- und homosexueller Beziehungen andererseits liegt ein gewaltiger Schritt, den die Mehrheit der polnischen Bevölkerung und damit auch ihr Parlament und ihre Regierung nicht zu gehenbereit sind. Es geht in der aktuellen Debatte also keineswegs um den bloßen „Schutz von Minderheiten“, denn diese Minderheiten haben schon heute von der Gesellschaft oder dem Staat absolut nichts zu befürchten. Im Gegenteil, es handelt sich um eine fundamentale ideologische Entscheidung mit schwerwiegenden Folgen für die gesamte Gesellschaft, und aus diesem Grund müssen wir von einer echten „LGBTQ-Ideologie“ sprechen, die untrennbar mit dem gesamten „politisch korrekten“ Universalismus verbunden ist.

Dieser Ideologie zufolge ist die sexuelle Identität eines Menschen eine bloße „soziale Konstruktion“ ohne realen Bezug zu seiner körperlichen Konstitution, und die Freiheit des Individuums besteht darin, ständig ein anderes „Geschlecht“ und damit andere sexuelle Rollen annehmen zu können. Dies impliziert nicht nur die Forderung nach der Ehe für alle, die Liberalisierung des Adoptionsrechts, die Verharmlosung von Geschlechtsumwandlungstherapien und -operationen, die Forderung nach repräsentativen „Quoten“ in allen denkbaren Körperschaften und die Einführung von LGBTQ-Themen bereits in der Grundschule oder sogar im Kindergarten, sondern auf lange Sicht, wie wir sehen werden, auch die Auflösung des Begriffs der natürlichen Familie selbst. Als ein auf jeder Stufe zentrales Argument erscheint hier (abgesehen von den rein rhetorischen Appellen an den Respekt vor der „Liebe“) die Kunstfigur des „kleineren Übels“, das beständig die (schädlichen) Folgen gescheiterter heterosexueller Beziehungen mit den (nützlichen) erfolgreicher homosexueller Verbindungen vergleicht: das „kleinere Übel“, dass Kinder besser bei liebenden homosexuellen Eltern aufwachsen als bei unglücklichen heterosexuellen Eltern; das kleinere Übel,dass homosexuelle Paare bessermit dem Segen der Kirche heiraten als dem Glauben„entfremdet“ werden; das „kleinere Übel“, dass die Ehe für alle zusammen mit der finanziellen Stabilität auch die politische Inklusion homosexueller Paare garantiert; usw. Aber wie üblich fehlt in dieser rein individualistischen und rationalistischen Gleichung der Gedanke an die Interessen der Gesellschaft als einer Gesamtheit, denn was für einige wenige Individuen ein „kleineres Übel“ sein mag, kann die Grundlagen einer ganzen Zivilisation destabilisieren.

Natürlich liegt das Problem nicht (oder nicht nur) auf der Ebene einer drohenden „Relativierung“ der natürlichen Familie, da sich die beiden Konzepte (noch) nicht in einer unmittelbaren Konkurrenzsituation befinden: Nur wenige Heterosexuelle würden ihre sexuelle Orientierung ändern, um von den rechtlichen Vorteilen einer homosexuellen Beziehung zu profitieren oder umgekehrt. Nein, das Problem ist ein grundsätzliches: Von dem Moment an, wo nicht mehr das Naturrecht und der Respekt vor den grundlegenden historischen Institutionen die Konstruktion der Familie und der Erziehungseinheiten bestimmt, auf denen unsere Gesellschaft beruht, sondern der reine soziale Konstruktivismus, werden auch alle anderen Grenzen früher oder später fallen. Sobald die Ausnahme unter dem Deckmantel des „Minderheitenschutzes“ auf das gleiche Niveau wie die Norm gehoben wird, verliert letztere jegliche Bedeutung, und die Gesellschaft implodiert schnell in eine Vielzahl von Parallelgesellschaften, in denen nicht mehr der Konsens aller, sondern die stärkste Minderheit den Rest dominiert (was natürlich nicht nur für sexuelle Minderheiten gilt, sondern auch für ethnische, kulturelle, religiöse oder politische Gruppen).

Denn die Sexualität, losgelöst von ihremeigentlichen physischen Träger und ihrer natürlichen Rolle als Mittelder Fortpflanzung, wird notwendigerweise zu einer Art Zeitvertreib, den zu begrenzen oder auf die eine oder andere Weise zu regulieren absurd wäre: Und wenn die verschiedenen Varianten der Homosexualität nicht nur toleriert, sondern der traditionellen Familie gleichgestellt werden, gibt es auch kein logisches Argument mehr, die Legalisierung polygamer, inzestuöser oder gar pädophiler bzw. zoophiler Konstellationen zu verbieten, wie sie von der Linken und den Grünen spätestens seit den 1968er Jahren gefordert wird. Schlimmer noch: Die Integration des Sozialkonstruktivismus in die Definition von Paar und Familie birgt nicht nur die Gefahr, dass es früher oder später zu einer Trivialisierung und damit zur Ausbreitung von grundsätzlich ungesunden, ja kriminellen Praktiken kommt, sondern diese Ideologie zeichnet sich geradezu durch ihre Feindschaft gegenüber dem etablierten heterosexuellen Modell aus. Die Linke begnügt sich nicht damit, sie als eine Option unter vielen möglichen Kombinationen überleben zu lassen, sondern assoziiert die traditionelle Familie, die durch die Banalisierung von Scheidungen und das Aufkommen der Patchwork-Familie bereits auf eine harte Probe gestellt wurde, mit einem vermeintlich unterdrückerischen, reaktionären, ja „fachistoiden“ „patriarchalischen“ Modell, wie schon Horkheimer und Deleuze betont hatten.

Weit davon entfernt, die Rechte einer winzigen „bedrohten“ Minderheit gegen eine große unterdrückerische Mehrheit zu verteidigen, untergräbt diese komplexe und zutiefst antihumanistische Ideologie derzeit die letzten Grundlagen eines Familienmodells, das von allen Seiten angegriffen wird. Indem sie versuchen, die abendländische Gesellschaft von ihren letztennaturrechtlichen und traditionalen Grundlagen abzukoppeln, agieren LGBTQ-Aktivisten also nur als „nützliche Idioten“ in einem ideologischen Kampf, dessen volles Ausmaß ihnen wahrscheinlich nur selten selber voll bewusst ist. Es ist daher verständlich, dass jede wirklich konservative Regierung früher oder später sehr klare Grenzen setzen muss, um ihre Werte zu verteidigen und einen Unterschied zu machen zwischen der Duldung der persönlichen Entscheidung einzelner Individuen und der formalen Legalisierung einer Ideologie, die droht, das, was von der westlichen Identität noch übriggeblieben ist, vollends zu unterhöhlen. Polen, und mit ihm viele Länder Osteuropas, hat diese Wahl getroffen, und Westeuropa, dessen Regierungen die gegenwärtige Europäische Union dominieren, scheint seine eigene am 11. März 2021 mit Unterstützung der „Christdemokratie“ ebenfalls gefällt zu haben. Die Zukunft wird deutlich zeigen, welche Folgen diese Entscheidung für die Stabilität, den Wohlstand und die Gesundheit der jeweiligen Gesellschaften haben wird…