Polen – Während die Situation der 32 Migranten, die im Niemandsland an der polnisch-weißrussischen Grenze in der Nähe des Dorfes Usnarz Górny (Podlachien) festsitzen, immer mehr in eine Sackgasse gerät – polnische Grenzpolitisten verweigern ihnen die Einreise nach Polen, während ihre weißrussischen Kollegen sie daran hindern, nach Weißrussland zurückzukehren –, haben sich durch den durch den Gutmenschen und linken Filmemacher Paweł Kasprzak ermutigte Pro-Migranten-Aktivisten am Sonntag, den 29. August, aufgemacht, um den Stacheldraht des polnischen Grenzzauns zu durchtrennen.
„Lasst uns diese Barrieren symbolisch niederreißen“
Vor diesem Hintergrund einer Migrationskrise, in der die weißrussischen Behörden Migranten eindeutig als Mittel zur Vergeltung gegen die Sanktionen der Europäischen Union nach der umstrittenen Wiederwahl von Präsident Lukaschenko im August 2020 einsetzen, beschloß der polnische Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak den Bau eines Schutzzauns an der polnischen Ostgrenze nach dem Vorbild dessen, was Ungarn an dessen Südgrenze 2015 getan hat. Bis Freitag, den 27. August, waren die ersten sechs Kilometer fertiggestellt. Am Sonntag, dem 29. August, näherten sich jedoch in der Stadt Szymaki, etwa 20 Kilometer nördlich von Usnarz Górny, wie die konservative Zeitschrift Do Rzeczy berichtete, ein Dutzend Aktivisten der Stiftung Offener Dialog (Fundacja Otwarty Dialog) unter der Leitung des Aktivisten Bartosz Kramek dem Zaun und begannen, ihn mit Drahtscheren zu zerschneiden und veröffentlichten dabei die Bilder ihrer Aktion in sozialen Netzwerken.
Der engagierte Filmemacher Paweł Kasprzak postete die Bilder auf seinem Facebook-Konto mit folgendem Kommentar:
„Dies ist nicht nur eine ‚Reaktion des Herzens’. Dies ist eine bewusste Strategie. 13 entschlossene und beeindruckend mutige Menschen machten sich daran, ein möglichst großes Loch in Błaszczaks Zaun zu schlagen.
Darüber machen sie sich keine großen Illusionen. Sie gingen dorthin, um wegen Zerstörung von Eigentum und Verletzung einer Grenzeinrichtung verurteilt zu werden…“, was darauf hindeutet, dass der Zweck dieser symbolischen Aktion – da sie den illegalen Grenzübertritt von Migranten nicht unmittelbar ermöglichte – genau darin besteht, später die zu erwartende strafrechtliche Verurteilung für diese vorsätzlichen Handlungen der Beschädigung öffentlichen Eigentums auszunutzen. Bartosz Kramek hatte seinerseits die liberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza dazu aufgerufen, „die Zerstörung des Stacheldrahts an der Grenze zu unterstützen“ und stellte seine Aktion als „zivilen Ungehorsam“ dar: „Lasst uns hingehen und diese Barrieren symbolisch niederreißen – so wie es der Gründer der Bewegung Bürger der Republik Polen [Obywatele RP, ndlr.], Paweł Kasprzak, vorgeschlagen hat. Lasst uns protestieren – aktiv und entschlossen, im Geiste des zivilen Ungehorsams. Die Barrieren sind nur in unseren Köpfen.“
Starke Reaktion der Regierung
Wie zu erwarten war, wurden die dreizehn Personen – zwölf Polen und ein Niederländer –, die an der illegalen Aktion teilgenommen hatten, kurz darauf von polnischen Grenzpolizisten festgenommen, und Innenminister Mariusz Kamiński (PiS) erklärte, dass sie „alle strafrechtlichen Konsequenzen ihres Handelns tragen werden […] Die Situation an unserer Grenze ist absolut inakzeptabel.
Die Täter, die den Zaun durchbrochen haben, wurden von den Grenzpolizisten festgenommen und werden mit allen strafrechtlichen Konsequenzen ihres Handelns rechnen müssen. Wir werden auf ähnliche Handlungen mit voller Entschlossenheit reagieren“,
während der stellvertretende Innenminister Maciej Wąsik seinerseits hinzufügte: „Die Grenzpolizisten haben eine Gruppe von 13 Personen festgenommen, die dabei waren, die Infrastruktur an der polnisch-weißrussischen Grenze zu zerstören. Unter den Verhafteten befindet sich auch Bartosz Kramek, der in der Gazeta Wyborcza […] zu einer solchen Handlung aufgerufen hat.
Für die Unterstützung von Lukaschenkos hybriden Krieg wird es keine Nachsicht geben. Die Täter werden der Staatsanwaltschaft vorgeführt.“
Tusk kritisiert die „späte Reaktion“ der Regierung
In diesem Zusammenhang – allerdings noch vor diesem Vandalenakt – hatte der liberale ehemalige Ministerpräsident Donald Tusk, Vorsitzender der Bürgerplattform (PO), am Mittwoch, den 25. August, eine Erklärung abgegeben, in der er das Vorgehen der Regierung von Mateusz Morawiecki in Bezug auf diese von Weißrussland ausgelöste Migrationskrise kritisierte: „Wir alle sind besorgt über die Situation an unserer Ostgrenze. Leider ist diese Sorge berechtigt.
Zunächst einmal sind wir tief betroffen von der humanitären Krise und der dramatischen Lage der 30 Menschen, die an unserer Grenze lagern – darunter auch Frauen und Kinder.
[…] Dieses Gefühl der Hilflosigkeit unserer Behörden ist umso mehr gerechtfertigt, als wir sehr wohl wissen, dass in den letzten Wochen Tausende von Migranten die polnische Grenze illegal überquert haben, wie von Regierungsvertretern bestätigt wurde […] Was ist also zu tun? Wie können wir diese negative, ja dramatische Entwicklung verhindern? Wir müssen einen nationalen Konsens über diese beiden grundlegenden Dimensionen der Krise herstellen. Zunächst einmal denke ich, dass wir alle denjenigen helfen wollen, die leiden, und ich spreche speziell von dieser Gruppe von 30 Personen.
Es ist nicht möglich, dass die Regierung eines großen europäischen Landes nicht in der Lage ist, einer Mutter und ihrem Kind an unserer Grenze Medikamente und ein Sandwich zu geben.
Zweitens, und dies ist ein Thema von großer politischer Bedeutung, müssen wir in der Lage sein, unsere Grenzen zu sichern, und auch hier haben wir ein Gefühl der Hilflosigkeit und Bestürzung gegenüber unserer Regierung und ihrer verspäteten Reaktion auf die wachsende Migrationskrise. […] Die Regierung, aber auch wir alle, haben die Verantwortung, ernsthaft und verantwortungsbewusst darüber zu sprechen, wie diese Krise verhindert werden kann, wie den Bedürftigen geholfen werden kann und wie unsere Grenzen gesichert werden können […] Heute gibt es in der Tat nur Opfer in dieser noch kleinen Krise, und diese Opfer sind die Menschen, die an der Grenze leiden, die Soldaten und die Grenzpolizisten, deren Ruf vor allem durch das rücksichtslose Vorgehen der Behörden beschädigt worden ist.
Wir sind alle Opfer, weil wir zunehmend gespalten sind. Deshalb erwarte ich von der polnischen Regierung und vom Präsidenten, dass sie unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um einen nationalen Konsens und eine Einigung über diese Probleme zu erzielen.“