Polen/Europäische Union – Es ist eine Untertreibung zu sagen, dass die Beziehungen zwischen Brüssel und Warschau seit einigen Jahren nicht sehr gut sind. In zahlreichen Fragen (insbesondere bei den LGBT-„Rechten“ und der Justizreform) steht die polnische Regierung unter der Führung der PiS, einer sozialkonservativen Partei, die sich als christlich-demokratisch bezeichnet, den Behörden der Europäischen Union gegenüber, die von den Liberalen und der sozialistischen Linken kontrolliert werden. In diesem Zusammenhang liebäugelt ein Teil der polnischen Rechten mit dem Gedanken eines Polexit – der bisher nur von einer kleinen Minderheit im Land gewünscht wird –, während die Opposition – angeführt von Donald Tusk – natürlich auf den Zug aufspringt, da sie seit Jahren das Schreckgespenst eines angeblich von der PiS gewollten Polexit in die Welt setzt.
Polexit: in Polen nur von einer Minderheit gewünscht
Eine im Juli von der Tageszeitung Rzeczpospolita veröffentlichte Umfrage ergab, dass derzeit nur 17% der Polen einen möglichen Polexit befürworten, und andere Umfragen aus jüngster Zeit haben eine noch geringere Unterstützung für einen EU-Austritt ergeben. Sei es aus pro-europäischer Überzeugung oder aus politischem Realismus, diese Option steht daher überhaupt nicht auf der Agenda der PiS, zumal sie – zumindest vorläufig – der Bürgerplattform (PO) Futter geben würde. Angesichts der hartnäckigen Gerüchte, die sowohl von den Liberalen als auch von der nationalkonservativen Konfederacja und sogar unter der Hand von Solidarna Polska, einem Junior-Partner der PiS in der Regierungskoalition, genährt wurden, trat nun der PiS-Vorsitzende und stellvertretende Ministerpräsident Jarosław Kaczyński auf den Plan, um zu versuchen, eine verfrühte Debatte noch im Keim zu ersticken.
Polens Zukunft liegt in der Europäischen Union
„Es wird keinen Polexit geben. Dies ist ein Propagandagedanke, der immer wieder gegen uns verwendet wurde. Wir sehen Polens Zukunft ganz klar in der Europäischen Union,“
sagte er in einem Interview mit der Agentur PAP, das gestern vom konservativen PiS-nahen Portal wPolityce zitiert wurde. Nicht minder kritisch äußerte sich Kaczyński allerdings zu den europäischen Institutionen und einigen Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland: „Die Verträge werden zum großen Teil nicht mehr eingehalten oder als Vorwand benutzt.
Auch der Grundsatz der Gleichheit der Staaten wird verletzt, und zwar sehr radikal. Es gibt auch eine Tendenz, dass die stärksten Länder, insbesondere Deutschland, die Europäische Union als Instrument nutzen. Dagegen müssen wir uns wehren.
Wir sind dafür, dass die Verträge der Europäischen Union in geeigneter Weise geklärt werden, um Missbräuche jeglicher Art radikal zu verhindern. […]
Wir wollen ein Teil der Union sein, aber gleichzeitig wollen wir ein souveräner Staat bleiben. Wir wollen, dass das, was in den Verträgen steht, strikt eingehalten wird.
[…] Es muss hinzugefügt werden […], dass Angelegenheiten der Justiz in der ausschließlichen Zuständigkeit der Staaten verbleiben und nicht Gegenstand von Eingriffen sein können, wie sie derzeit stattfinden. […] Es gibt noch einen weiteren Grundsatz, der in dieser ‚verbesserten Union’, wie man sagen könnte, beachtet und stark betont werden muss, nämlich der Grundsatz der Gleichheit der Staaten. Wenn etwas in einem Land erlaubt ist, bedeutet das, dass es in allen Ländern erlaubt ist.“
Polen war, ist und wird Mitglied der Europäischen Union sein
In der Sache hatte der Vorsitzende der PiS-Fraktion im Sejm, Ryszard Terlecki – dessen Rede auf dem Wirtschaftsforum in Karpacz (Krummhübel, Niederschlesien) die Spekulationen über Polexit-Bestrebungen innerhalb der PiS neu entfacht hatte – nichts weiter gesagt als dies:
„Wir wollen die EU nicht verlassen, wir sind durchaus für die EU, für die Teilnahme an der EU, aber wir dürfen nicht in etwas hineingezogen werden, das unsere Freiheit einschränkt und unsere Entwicklung begrenzt.
Er selbst hatte es ebenso wie Jarosław Kaczyński sehr deutlich klargestellt: „Polen war, ist und wird Mitglied der Europäischen Union sein.“