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Tagebau Turów: Tschechien und Polen prallen aufeinander und Brüssel profitiert

Lesezeit: 4 Minuten

Polen/Tschechien – Der Streit zwischen Tschechien und Polen um das Bergwerk Turów ist mit der Entscheidung der spanischen Vizepräsidentin des EuGH, Polen eine Geldstrafe von 500.000 Euro pro Tag aufzuerlegen, eskaliert. Wir präsentieren hier einen Leitartikel des Leiters der politischen Abteilung des Büros von Präsident Vaclav Klaus von 2003 bis 2013. Der Leitartikel erschien am 25. September in der tschechischen Tageszeitung MF Dnes und wurde in seiner polnischen Übersetzung am selben Tag von Do Rzeczy veröffentlicht.

Turów: „Wenn zwei kämpfen, profitiert ein Dritter“

Dieses alte Sprichwort trifft perfekt auf den Konflikt zwischen dem Tagebau im niederschlesischen Turów und den Einwohnern der benachbarten tschechischen Gemeinden zu. Tschechien kämpft gegen Polen und Brüssel profitiert davon.

Turów ist ein großer Tagebaubetrieb. Diese Bergwerke haben immer große Auswirkungen auf die Umgebung. Viele Einwohner der Gemeinden zwischen Hrádek nad Nisou (Grottau) und Frýdlant (Friedland) beklagen sich vor allem über das Absinken des Grundwasserspiegels und das Austrocknen der Brunnen. Die Eigentümer und Mitarbeiter des Bergwerks geben an, dass auf beiden Seiten der Grenze nur einige hundert Menschen betroffen sind, während das Bergwerk fast zwei Millionen Menschen mit Strom und Wärme versorgt und Tausende von Menschen direkt oder indirekt beschäftigt. Die Kohle- und Strompreise steigen aufgrund von Verwaltungsbeschränkungen für den Bergbau stark an. In einer solchen Situation wäre die Einstellung des Tagebaus in Turów wie das Töten der Gans, die goldene Eier legt.

Auf polnischer Seite wird behauptet, dass der tschechische Staat in den Konflikt verwickelt ist, weil er den Zugang Polens zu Energiequellen einschränken will, damit er Polen Energie zu überhöhten Preisen verkaufen kann. Der tschechische Staat seinerseits kann die Stimmen der besorgten Öffentlichkeit in der Region Frýdlant nicht ignorieren, insbesondere nicht kurz vor den Wahlen. Bis zu diesem Punkt ist der Streit durchaus verständlich. Schließlich findet man ihn in verschiedenen Formen überall auf der Welt, in der Nähe von großen Unternehmen oder öffentlichen Infrastrukturen. Dieses Phänomen, das als NIMBY (not in my backyard – nicht in meinem Hinterhof) bekannt ist, kann überall dort Emotionen entfachen, wo Menschen der Meinung sind, dass eine Aktivität für die Gemeinschaft zwar nützlich sein könnte, diese aber lieber woanders durchgeführt werden sollte.

Solche Konflikte enden in der Regel mit einer Art von Vereinbarung. Eine Vereinbarung, bei der das investierende Unternehmen oder der Staat eine großzügige Entschädigung zahlt. Unternehmen, die vernünftig wirtschaften, berücksichtigen dies im voraus und stellen rechtzeitig große Summen zur Unterstützung der lokalen Infrastruktur, des sozialen Lebens und öffentlicher Veranstaltungen bereit. Kurz gesagt, sie kümmern sich um ihren guten Ruf, auch wenn es sie teuer zu stehen kommt. In der Tat sind Rechtsstreitigkeiten in der Regel mit wesentlich höheren Kosten verbunden. Bei grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten ist die Angelegenheit etwas komplizierter. Sowohl die radikalen Patrioten als auch der große Staatsapparat sind auf beiden Seiten der Grenze beteiligt. Aber es handelt sich immer noch um einen bilateralen Streit, der auf bilateraler Ebene gelöst werden kann. Natürlich ist das mit viel Arbeit verbunden, aber es bleibt nichts anderes übrig, als zu verhandeln, zu fordern, zu verhandeln, zu fordern. Und bereit zu sein, Kompromisse einzugehen. Die Polen hätten offener für Entschädigungsforderungen sein müssen, die Tschechen hätten sich nicht auf eine einzige Lösung – die Schließung des Bergwerks – festlegen dürfen. In Wirklichkeit ließen sich beide Positionen mit einem Minimum an Aufwand in Einklang bringen.

Die Situation wurde tragisch, als sich die Tschechische Republik an den Europäischen Gerichtshof wandte. Brüssel war nur zu gerne bereit, die Peitsche gegen beide Länder zu schwingen. Ministerpräsident Babiš wiederholt immer wieder, dass er keine Migrationsquoten akzeptieren wird, dass er ein Verbot von Verbrennungsmotoren ablehnt, dass er Brüssel in dieser oder jener Frage nicht nachgeben wird. Natürlich wird er das alles irgendwann akzeptieren! Natürlich wird er nachgeben! Er wird einlenken, weil er die Macht, über unsere Angelegenheiten zu entscheiden, in fremde Hände gelegt hat, indem er einen bilateralen Streitfall an Brüssel weitergegeben hat (ungeachtet der Tatsache, dass der EUGH selbst seinen Sitz in Luxemburg hat). Mit dieser Klage hat der tschechische Staat zugegeben, dass er kein souveränes Land ist und dass in Zukunft andere für uns alles ohne unsere Beteiligung entscheiden werden.

Der EUGH verurteilt Polen zu einer Geldstrafe von dreizehn Millionen Kronen pro Tag. Das ist so, als ob jeder Arbeitnehmer täglich zweitausend Kronen von seinem Lohn abführen müsste. Natürlich werden diese Kosten nicht direkt von den Arbeitnehmern getragen, aber alle zusätzlichen Kosten, die dem Unternehmen entstehen, schlagen sich in der Fähigkeit des Unternehmens nieder, seine Mitarbeiter zu bezahlen, sowie im Preis des Produkts für die Kunden. Es ist davon auszugehen, dass Polen in absehbarer Zeit nichts zahlen und mindestens ein Jahrzehnt lang vor Gericht kämpfen wird.

Dieser Streit, dessen Kern im Wesentlichen wirtschaftlicher Natur ist (Schadensersatz), wird die nachbarschaftlichen Beziehungen und das Bündnis zwischen den beiden Ländern ernsthaft beeinträchtigen. Aber das ist noch nicht alles. Von polnischer Seite sind verschiedene Vergeltungsmaßnahmen und böswillige Aktionen zu erwarten, und das wäre noch nicht das Schlimmste.

Leider ist immer noch damit zu rechnen, dass die Klage gegen die Tschechische Republik wegen der brennenden Deponie in Heřmanice (Hermsdorf), wo verseuchtes Wasser in die Oder und dann nach Polen fließt, bald vor dem EU-Gerichtshof landen wird. Auch dieses Problem ist technisch, rechtlich und finanziell bilateral lösbar, aber wenn eine Seite rechtliche Schritte unternimmt, kann dies die andere Seite nur ermutigen, das Gleiche zu tun. Die Polen werden sich auf diese Weise auch selbst schaden, da sie ihre Position gegenüber den Brüsseler Institutionen bewusst schwächen, indem sie diese zum legitimen Richter ihrer eigenen Fälle machen, einschließlich der Fälle, in denen sie bereits unter Druck aus Brüssel stehen.

So füttern beide Länder unklugerweise diesen europäischen Leviathan, der dankbar jeden Bissen verschlingt, bevor er die Hand verschlingt, die ihn füttert.

Wir sollten nicht nach Brüssel vor Gericht gehen. Verklagen wir nicht unsere Nachbarn oder unsere nationalen Störenfriede. Wir sollten die Bestie nicht füttern. Wir sollten unsere Probleme selbst bzw. mit unseren Nachbarn lösen. Indem wir Brüssel einbeziehen, liefern wir Waffen, die bald gegen uns eingesetzt werden.

Ladislav Jakl,
Leiter der politischen Abteilung im Präsidentamt unter Vaclav Klaus von 2003 bis 2013,
Mitglied des tschechischen Rundfunkrats seit 2019

Von der Visegrád Post aus dem Polnischen übersetzt.