Dieser Artikel ist am 25. September 2021 in der Magyar Nemzet erschienen.
Im Jahr 2006 gab es guten Grund zu der Annahme, dass die Beziehungen zwischen slowakischen und ungarischen Katholiken einen historischen Wendepunkt erreichen würden. In jenem Jahr unterzeichneten die Vorsitzenden der beiden Bischofskonferenzen in Gran (Esztergom) ein gemeinsames Kommuniqué, dessen Kern in der Erklärung „Wir vergeben und bitten um Vergebung“ enthalten war. Dieser feierlichen Geste folgten jedoch keine spektakulären Veränderungen. Es scheint, dass hier, wie auch anderswo, die Worte Jesu gelten: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ (Joh 12,24). Fünfzehn Jahre sind vergangen, in denen es uns manchmal so vorkam, als würde das Korn sprießen. Doch seit dem 18. September haben wir den Eindruck, dass das Eis gebrochen ist: An diesem Tag erklärte Ján Orosch, Erzbischof von Tyrnau (Trnava/Nagyszombat), in seiner Predigt János Esterházy für gesegnet, ja sogar für geheiligt.
Bis dahin schien das Verhalten der Slowaken nicht darauf hinzudeuten, dass sie sich darüber freuen, dass die Slowakei auf Initiative der Polen der Welt ein neues, auf dem Altar geweihtes Beispiel geben kann. Allein die Tatsache, dass der Seligsprechungsprozess nicht von ihnen eingeleitet wurde, obwohl sie aufgrund des Geburtsortes des Kandidaten die Möglichkeit dazu gehabt hätten, lässt auf Widerstand schließen. Obwohl Esterházy in Tschechien den Märtyrertod erlitt, bestand alles, was der territorial zuständige Bischof für seine Sache tat, darin, die Initiative an Krakau weiterzugeben. Die slowakische politische Klasse tat ihr Möglichstes, um das Verfahren zu bremsen.
Es ist nicht leicht, die Gefahr zu verstehen, die manche in der Seligsprechung Esterházys sehen. Die Verantwortlichen für seine ungerechtfertigte Inhaftierung sind nicht mehr am Leben. Es scheint, dass das slowakische Denken von einer „listigen Angst“ beherrscht wird – auch wenn es stimmt, dass wichtige Persönlichkeiten offen für Esterházy Partei ergriffen haben: Es genügt hier, den ehemaligen Parlamentspräsidenten František Mikloško, die ehemalige Botschafterin im Vatikan Dagmar Babčanova oder den ehemaligen Ministerpräsidenten Ján Čarnogurský zu erwähnen, der als Justizminister erklärte, dass die Verurteilung Esterházys keine Rechtsgrundlage gehabt habe. All dies reichte nicht aus, um Preßburg (Bratislava) davon zu überzeugen, den Prozess der Rehabilitierung abzuschließen, den die Nachwelt jedem zu Unrecht Verurteilten schuldet.
Die Keimung dessen, was in Gran gesät wurde, zeigt sich in der Predigt von Erzbischof Orosch in Alsóbodok (slowak. Dolné Obdokovce). Er begann seine Predigt auf Ungarisch, setzte sie auf Slowakisch fort und beendete sie auf Ungarisch. Ich werde Passagen aus dem slowakischen Teil zitieren. Er erinnerte an die wichtigsten Momente im Leben János Esterházys und sagte, dass Esterházy als Politiker, als tiefgläubiger Christ und schließlich als politischer Gefangener, Sträfling und Verurteilter nie aufgehört habe, seinen Glauben mutig und laut zu bekennen. Dabei stellte uns der Erzbischof den Märtyrer Esterházy als ein Beispiel vor, dem wir auch in Sachen Glaubensbekenntnis folgen sollten. Das einzige Verbrechen, das dem Grafen vorgeworfen werden konnte – so betonte er in dieser Predigt – war, dass er die nationalsozialistischen Serienmörder ebenso verachtete wie die kommunistischen Serienmörder – den völkermordenden Hitler nicht weniger als den völkermordenden Stalin. „Die Grundlage, auf der wir stehen, ist christlich und national, aber die Mentalität der Pfeilkreuzler ist davon so weit entfernt und uns so fremd wie Hammer und Sichel der Bolschewiken“ – so Esterházy, der vom Erzbischof zitiert wurde.
Im nächsten Teil seiner Predigt ging er auf János Esterházys Einsatz für verfolgte Juden ein – eine Gelegenheit für ihn, auch die Figur von Sára Salkaházi zu erwähnen. Was diese Predigt noch wichtiger macht, ist, dass er in diesem Teil die Slowaken und Ungarn aufruft, in ihren Gesprächen mit unseren jüdischen Brüdern und Schwestern oder anderen Volksgruppen an die Geschichte jener großen Männer zu erinnern, die unsere Nationen der Welt geschenkt haben. Obwohl viele Slowaken alles Ungarische als fremd empfinden, bezeichnet der Erzbischof zwei Ungarn als große Menschen aus seiner Heimat.
Ein ungarischer Nationalist, der den Slowaken feindlich gesinnt ist und Parteilichkeit an den Tag legt, würde sicherlich – wenn man dieses Zitat aus dem Zusammenhang reißt – von der „Aneignung“ dieser Persönlichkeiten sprechen, während es um etwas ganz anderes geht: nämlich um Solidarität. Es ist eine Solidarität, die derzeit nur wenige Slowaken verstehen und akzeptieren, eine Solidarität, die in den Lehrplänen der Schulen ignoriert wird, eine Solidarität, deren Ablehnung sich in der Entfernung ungarischer Standbilder, in der Umschreibung von Namen und in der Tendenz ausdrückt, den Gebrauch der ungarischen Sprache so weit wie möglich einzuschränken. In einer solchen Atmosphäre, die durch die derzeitige Harmonie zwischen den beiden Regierungen nur geringfügig gemildert wird, können wir uns nur über diese Aussage des Erzbischofs freuen: „In der letzten Botschaft, die er [János Esterházy] aus dem Gefängnis von Mürau (Mírov), wo die politischen Gefangenen festgehalten wurden, herausschaffen konnte, heißt es im Wesentlichen, dass er sich dem Willen Gottes anvertraue und seine Leiden und sein Leben der Befreiung des ungarischen Volkes widme. Seine Mitgefangenen erzählen uns, dass er während seiner gesamten Haftzeit und auch in Freiheit regelmäßig und täglich gebetet und dies auch nie verheimlicht habe.“ Abschließend noch die letzten Sätze des auf Slowakisch gesprochenen Teils: „Meine lieben Brüder und Schwestern! Diese Worte werden keine leeren Worte sein, solange es lebende Menschen gibt, die diese Geschichte erzählen können. Als Lazaristenbruder bin ich froh, auf meine Weise unter ihnen zu sein, und dass die Mitglieder der Kongregation, obwohl sie Slowaken sind, so viel Respekt vor ihm hatten – vor diesem ungarischen Politiker, vor diesem ungarischen Heiligen: János Esterházy.
Sicherlich hält der Verfasser dieser Worte Esterházy nicht für einen Faschisten und die Ungarn nicht für ein „schuldiges Volk“. Das Einzige, was in dieser Predigt fehlt und was in beiden Ländern bekannt gemacht werden sollte, ist, dass für János Esterházy die Koexistenz und die gegenseitige Abhängigkeit der beiden Völker die Schlüsselfrage für das Überleben des ungarischen Volkes war, so dass er sein Leben nicht nur dem ungarischen Volk, sondern der Versöhnung der beiden Völker gewidmet hat. Die Zeit ist nun reif dafür. In fünf Jahren – wenn sich János Esterházys Geburtstag zum 125. Mal jährt – wird das Fragezeichen, das ich dem Titel dieses Artikels hinzufügen musste, vielleicht verschwunden sein, und wir werden endlich ganz sachlich sagen können, dass das 2006 gesäte Korn tatsächlich gesprossen ist.
László Surján
Ehrenvorsitzender der KDNP [Juniorpartner in der Regierungskoalition in Budapest]
Der Erzbischof von Tyrnau (Trnava/Nagyszombat) unterstützte die Seligsprechung von János Esterházy: Ján Orosch, Erzbischof der Diözese Tyrnau äußerte sich am 18. September 2021 in einer Predigt in Alsóbodok (Dolné Obdokovce) anlässlich des Esterházy-Gedenkjahres, mit dem der 120. Jahrestag der Geburt des Dieners Gottes János Esterházy begangen wird. Um den vollständigen Text dieser Predigt zu lesen, klicken Sie HIER.
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Von der Visegrád Post aus dem Ungarischen übersetzt.