Polen/Tschechien – Die tschechisch-polnischen Verhandlungen in Bezug auf den Tagebau Turów scheinen nicht so schnell zu einer gütlichen Lösung zu führen, wie Polen es sich wünschen würde. Nachdem der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki am 25. Mai etwas voreilig verkündet hatte, er habe eine Einigung mit seinem tschechischen Amtskollegen Andrej Babiš erzielt, mußte er schnell seine Illusionen aufgeben.
Tschechisch-polnischer Konflikt um den Tagebau Turów
Aufgrund des Beschlusses des Gerichtshofs der Europäischen Union (EUGH) vom 21. Mai, mit dem Polen aufgefordert wurde, den Betrieb dieses Braunkohletagebau an der Grenze zwischen den beiden Ländern auszusetzen, das Umweltschäden in Tschechien verursacht und insbesondere die Wasserreserven gefährdet, forderte Prag Anfang Juni Sanktionen gegen Polen, um es zur Einhaltung des Urteils zu zwingen. Das Bergwerk ist für die polnische Stromerzeugung von lebenswichtiger Bedeutung, so dass es für Warschau nicht in Frage kommen kann, den Betrieb auch nur zu unterbrechen.
Verurteilung Polens durch den EUH
In der Zwischenzeit konnten die Tschechen – mitten im Wahlkampf – vor dem EUGH vorerst obsiegen, der Polen im September zur Zahlung eines Zwangsgelds von 500 000 Euro pro Tag bis zur Einstellung des Betriebs der Mine Turów verurteilte. Dieser juristische Erfolg für Prag hat die traditionell guten Beziehungen zwischen den beiden Ländern schwer beschädigt: Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sagte seine Teilnahme am Budapester Demographie-Gipfel ab und kündigte an, seine Teilnahme an den Treffen der Visegrád-Gruppe (V4) auszusetzen, bis der Streit beigelegt sei:
„Die Abschaltung des Bergwerks in Turów würde Millionen von Familien die Stromversorgung entziehen. Das können wir nicht akzeptieren […] Wir wollten eine Einigung mit der Tschechischen Republik erzielen, aber die Tschechen haben keinerlei guten Willen gezeigt“.
sagte er dann.
Infolge ihrer Wahlniederlage befasst sich die Regierung Babiš nur noch mit den laufenden Geschäften
In der Zwischenzeit haben die tschechischen Parlamentswahlen stattgefunden und die unterlegene Regierung von Andrej Babiš – da seine sozialdemokratischen und kommunistischen Verbündeten nicht mehr im Parlament vertreten sind – befasst sich nur noch mit den laufenden Geschäften, während die Verhandlungen zwischen den beiden Oppositionskoalitionen – SPOLU (Konservative und Liberale) und PirSTAN (Globalisierungsgegner und Unabhängige) – noch nicht zur Bildung einer neuen Regierung geführt haben. Die Situation wird wahrscheinlich etwas länger dauern als erwartet, da Präsident Miloš Zeman derzeit nicht in der Lage ist, sein Amt wahrzunehmen, das nun teilweise vom Präsidenten der Abgeordnetenkammer ausgeübt werden muss.
Die tschechisch-polnischen Verhandlungen sind somit ins Stocken geraten, und in Ermangelung einer gütlichen Einigung zwischen Prag und Warschau müsste der EUGH-Beschluss theoretisch trotz der Weigerung Polens bis zum endgültigen Urteil gelten, was für die Beziehungen zwischen Warschau und Brüssel natürlich nicht zuträglich wirkt.
Was für Turów gilt, muss auch anderswo gelten…
Es stellt sich heraus, dass der Standort Turów nicht der einzige Tagebau in der Region ist… und einer davon, in Jänschwalde – mit einer Fläche von etwa 80 km² (im Vergleich zu nur 24 km² für Turów), der sich in Brandenburg (Deutschland) unweit der Oder an der Grenze zu Polen befindet, aber von einem tschechischen Unternehmen (EPH) betrieben wird, verursacht Umweltbelastungen in den beiden benachbarten polnischen Gemeinden Pförten (Brody) und Guben (Gubin), in der Woiwodschaft Lebus (Lubusz), wo die Einwohner auch über einen erheblichen Rückgang des Grundwasserspiegels berichten. Die Angelegenheit wurde nicht aufgeschoben, und das polnische Umweltministerium gab eine detaillierte Studie über die Umweltauswirkungen des Tagebaus Jänschwalde in Auftrag. Nach Ansicht des Bürgermeisters von Guben, Zbigniew Barski, sollte Polen eine Klage gegen Tschechien einreichen, genauso wie die Tschechen es wegen Turów taten:
„Es kann nicht wahr sein, dass wir dort den Tschechen schaden und die Tschechen hier uns nicht. Eigentümer der Grube Jänschwalde ist heute ein tschechisches Unternehmen.
Tatsache ist wohl, dass dieser tagebau bis 2023 geschlossen werden soll, aber die Schäden reichen bis in die DDR-Zeit zurück.
Wir können der EU definitiv beweisen, dass der Konflikt um Turów kein einseitiges Problem ist,
sagte er. Sein Kollege aus Pförten (Brody), Ryszard Kowalczuk, stimmte dem zu und erklärte, dass das Bergwerk auf deutscher Seite seit vielen Jahren negative Auswirkungen auf die Umwelt in den polnischen Grenzgemeinden habe:
„Da wir die Bösewichte sind, die jemandem das Wasser wegnehmen, weil wir Kohle abbauen, müssen wir zeigen, dass es sich um ein System von kommunizierenden Röhren handelt. Wenn unser Bergwerk in Turów einen Depressionskrater erzeugt, wird ein gleicher Depressionskrater auf der polnischen Seite durch den Kohleabbau auf der deutschen Seite verursacht.“
Allerdings soll der Tagebau in Jänschwalde 2023 geschlossen werden, während der Nachweis seiner schädlichen Umweltauswirkungen auch dazu beiträgt, die tschechische Argumentation gegen das Bergwerk in Turów zu stärken.