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Etwa hundert ungarische Intellektuelle fordern eine Debatte über das Epidemie-Management

Lesezeit: 3 Minuten

Ungarn – Während Europa mit einer neuen Welle des Coronavirus konfrontiert wird und die meisten Länder, darunter auch Ungarn und dessen Nachbarländer, ihre sanitären Maßnahmen schrittweise verschärfen, um insbesondere zahlreiche Bürger gegen ihren Willen zur Impfung zu drängen, ohne diese jedoch offiziell als pflichtig zu erklären, haben rund 100 ungarische Intellektuelle einen Aufruf für einen „echten Dialog“ über das Epidemie-Management veröffentlicht. Der Aufruf wurde unter anderem von der ungarischen Journalistin Bea Bakó unterzeichnet, von der wir im Januar 2021 einen Artikel veröffentlicht hatten.

Ein schlechtes Epidemie-Management kann schwere Schäden verursachen 

Diese 100 ungarischen Persönlichkeiten mit unterschiedlichem Hintergrund – Forscher, Ärzte, Soziologen, Juristen, Journalisten bzw. Künstler – erklären eingangs, dass „die wichtigste Frage für 2020/21 und vielleicht auch für die kommenden Jahre und Jahrzehnte darin besteht, inwieweit die Reaktionen auf die Epidemie wirksam, gerechtfertigt und angemessen waren. 

Eine Krankheit kann gefährlich sein, aber ein schlechtes Epidemie-Management kann der Gesellschaft als Ganzes grundlegenden und in vielen Fällen irreversiblen Schaden zufügen.“

Und gelinde gesagt, stellen sie eine Reihe von Dingen richtig: „Wir leugnen nicht, dass es eine Epidemie gibt. Aber die Schwere des Problems und die Maßnahmen, die es erfordert, sind nicht nur eine Frage, die es zu diskutieren gilt – sie sollten Gegenstand einer ständigen öffentlichen Debatte sein. Wir glauben an die Diskussion, an die argumentative Auseinandersetzung. 

Niemand ist der alleinige Besitzer der Wahrheit. Offenbarung, die keinen Widerspruch duldet, ist auch nicht die Stimme der Wissenschaft, sondern [eher] die Stimme der Religion. 

Regeln, die ohne Überzeugungskraft auferlegt werden 

Die Maßnahmen, die in den letzten 18 Monaten ergriffen wurden, haben einen beunruhigenden infantilisierenden Effekt. Sie lenken die Menschen von der Eigenverantwortung und bewusstem Handeln ab, 

und lenken sie auf eine Art unmündiges Verhalten: eine Welt, in der Regeln ohne Überredung oder Überzeugung eingehalten werden müssen, in der ,gutes Benehmenʼ verlangt wird und in der man – ebenfalls durch Infantilisierung der Bevölkerung – denjenigen verspricht, die sich ,gut benehmenʼ, dass sie sicher sein werden, ist nicht die Welt, in der wir leben wollen. 

Missbrauch des Moralbegriffs

Die ständige Zurschaustellung der individuellen Moral erweckt den Eindruck, dass die Debatte über den Umgang mit der Covid-Epidemie ein Kampf zwischen ,gutʼ und ,böseʼ, zwischen ,Verantwortlichenʼ und ,Unverantwortlichenʼ sei, und ertränkt den öffentlichen Diskurs in einer kindischen und ungestümen Moralisierung zu einer Zeit, in der wir um komplexe Antworten auf komplexe soziale Fragen kämpfen sollten.“

Auch das Epidemie-Management fordert Opfer 

Sie erinnern diejenigen, die es vergessen oder nicht sehen wollen, daran, dass „es nicht nur Opfer der Epidemie, sondern auch des Epidemie-Managements gibt“:

Bei vielen Gelegenheiten haben wir gehört, dass jede Maßnahme gerechtfertigt sei, weil Menschenleben auf dem Spiel stehen. Dabei wird jedoch die Tatsache ignoriert, dass die Auswirkungen jeder restriktiven Maßnahme auch in Jahren und Menschenleben ausgedrückt werden können. 

Abgesehen von den deprimierenden wirtschaftlichen Auswirkungen haben Ausgangssperren und die Schließung von Einrichtungen zu schweren und massiven Problemen der psychischen Gesundheit geführt.“

„Stoppt den intellektuellen Bürgerkrieg!“ 

Dementsprechend fordern sie ein Ende dessen, was sie als „intellektuellen Bürgerkrieg“ bezeichnen:

Wir befinden uns an einem gefährlichen Punkt, an dem die endlosen Debatten über den Umgang mit Krankheiten drohen, den völligen Zerfall der politischen Gemeinschaft, der Gesellschaft herbeizuführen.

Diejenigen, die auf ,der einen Seiteʼ stehen, verstehen nicht einmal, was ,die andere Seiteʼ nicht versteht. Dabei sind wir aufgrund dessen, was wir über den Umgang mit Krankheiten denken, weder besser noch schlechter. Dies zu ignorieren, schafft eine Situation, die für das menschliche Zusammenleben und die Zusammenarbeit nicht geeignet ist.

In den letzten anderthalb Jahren haben wir viele Vorhersagen, Prognosen und geplante Maßnahmen gehört, die nicht eingetreten sind. Natürlich ist es möglich, aus Echtzeitinformationen falsche Schlüsse zu ziehen, aber ein ehrlicher und objektiver Dialog kann nur dann erleichtert werden, wenn es eine Rückmeldung gibt, wenn gesagt wird, dass diese falschen Vorhersagen eben falsch waren, und wenn kein Alarmismus geschürt wird. Die Verantwortung der Presse ist hier besonders wichtig.

Wir glauben an die Wissenschaft, aber auch die Wissenschaft ist nicht unfehlbar. Vor allem handelt es sich hier nicht um eine Religion.

[…] Vor einem Jahr behaupteten Wissenschaftler, dass der kommende Impfstoff alles lösen würde, aber heute plädieren sie für eine dritte oder sogar eine vierte Impfung.

Schließlich fordern die Unterzeichneten dieses Aufrufs, „nur notwendige und verhältnismäßige Beschränkungen zu erlassen“:

„Restriktive Maßnahmen müssen im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit ergriffen werden [und] nur unvermeidbare und dem Grad des Gesundheitsrisikos angemessene Beschränkungen [sollten] auferlegt werden“, um sich nicht „mit einer Welt abzufinden, die für immer in einem Zustand der Gefahr erstarrt sei“.