Dieser Artikel ist am 8. Dezember 2021 in der Magyar Nemzet erschienen.
Epigraph:
„Kürzlich las ich eine amerikanische Studie über die industrielle Revolution, die wir auf die erste Dampfmaschine zurückführen, obwohl sie in Wirklichkeit erst jetzt richtig beginnt. Selbst wenn die Welt – was früher oder später geschehen wird – alle strengen Folgen des Weltkriegs überwunden hat, ist dies eine noch tiefere tektonische Erschütterung, auf die der Liberalismus eines Cobden ebenso wenig Einfluss hat wie die biblischen Visionen eines Marx. Man wird sie ertragen müssen: Das ist der einzige Rat der Weisheit. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit wird die Agrargesellschaft zur Industriegesellschaft. Dies ist ein äußerst schmerzhafter Wandel.
Was an dieser Revolution am schwersten zu ertragen ist, ist ihre erniedrigende Wirkung auf den Menschen. Der Amerikaner schreibt, dass diese Revolution schon seit geraumer Zeit vor allem die Zahl der angelernten Arbeiter (half-skilled) erhöht. Sie nimmt dem Tagelöhner zwar die Last ab, aber sie erlaubt ihm nicht einmal, sich der Maschine zu nähern. Alles, was er berühren darf, ist eine der Muttern. (Jeder weiß, dass Chaplin diesem Thema einen ganzen Film gewidmet hat.) Der Lastenträger wird verschwinden, aber seinem Verschwinden wird das Verschwinden des romantischen Proletariers folgen, der noch der Sklave einer ganzen Maschine war; selbst das Ziehen des Jochs und die Facharbeit stellten noch einen allzu menschlichen Zustand dar, der zum Privileg einiger weniger wird. Unter dem Kommando eines Stabs von Facharbeitern wird eine Herde von Mutternschraubern zusammengetrieben: die Herde der angelernten Arbeiter. Sie ist das Gegenstück zum Semi-Intellektuellen.
Ich muss zugeben, dass ich beim Lesen dieser Studie ständig an letzteren denken musste. An dieses Meisterwerk der mitteleuropäischen Sekundarschulbildung und der amerikanischen Abendkurse. Keyserling nannte es den Chauffeur-Typ. Aber dieser Chauffeur sitzt an einem Schreibtisch, und nach und nach gehören ihm schließlich alle Länder. Als Staatenloser, der ewig zwischen dem Bauern und dem Gebildeten schwebt, lässt er sich als Landwirt der Planwirtschaft auf den einen ein, während er auf dem anderen herumtrampelt, wenn er an die Macht kommt. Wenn er etwas umstechen müsste, würde er es nicht aushalten, aber er ist noch lange nicht in der Lage, ein Stuhlbein zu schnitzen, und die Lektüre eines echten Buches würde ihm einen Blutsturz verursachen.“
(László Cs. Szabó, Világlázadás [„Weltrevolte“ – AdÜ.])
Auf diesem Weg, den László Cs. Szabó skizziert hat, sind wir nun ein gutes Stück vorangekommen. Nur ist dieser „Arbeiter“ nicht mehr ein Arbeiter, sondern vielmehr ein Bediener. In einer modernen Autofabrik zu arbeiten oder gar einen Mähdrescher der neuesten Generation zu fahren, erfordert zweifellos unglaubliche technische und computertechnische Kenntnisse. Währenddessen erscheinen wie auf einem Fließband Artikel und Analysen, die behaupten, dass die technische Zivilisation, die künstliche Intelligenz und die Vollautomatisierung die Arbeit immer größerer Menschenmassen überflüssig machen werden, und die sich fragen, was man in Zukunft mit dieser „überflüssig gewordenen“ Masse anfangen soll. Danach erklären uns die Autoren dieser Analysen am Tag nach ihrem Erscheinen, dass die Einwanderung ein göttlicher Segen sei, da sie dem Westen, der nun nicht einmal mehr in der Lage ist, „die Art zu erhalten“, die Masse liefert, die er benötigt, um die „fehlenden Arbeitskräfte“ zu ersetzen. Beide Behauptungen können nicht gleichzeitig wahr sein, aber das ist ein Problem, das den betäubten Westen, der in völliger Selbstvergessenheit versinkt, schon lange nicht mehr interessiert – denn außer seinen eigenen Genitalien interessiert ihn nichts mehr.
So bietet er sich den halbanalphabetischen (oder sogar völlig analphabetischen) Massen aus den nahen und ferneren Orten und aus Afrika als Beute an: dem Syrer, der seine Kesra kocht, dem afghanischen Heroinproduzenten, dem Tuareg-Ziegenhirten und diesen Myriaden von Terroristen, oder „nur“ den gebrochenen und verwüsteten Seelen, die von einer schrecklichen Existenz von Plünderern, Mördern, Vergewaltigern, Nichtsnutzern, von Parasiten ohne jeglichen Nutzen, die die Aufnahmegesellschaft unterhalten und ertragen muss – ein Akt, mit dem der Westen natürlich auch dafür sorgt, dass es endgültig unmöglich wird, dass in diesem Teil der Welt wieder ein lebenswertes Leben entsteht.
Und nun kann man auch als sicher annehmen, dass die neuen Führer des Selbstmördervereins – und der Irrenanstalt – mit dem Spitznamen „Europäische Union“ nun fest entschlossen sind, die Selbstvernichtung bis zum Ende durchzuziehen. Der Plan der Gleichstellungskommissarin für ihr Neusprech-Projekt wurde gerade veröffentlicht. Darin wird die Verwendung von Wörtern wie „Weihnachten“ oder „christlich“, der weiblichen und männlichen Geschlechter bzw. – und hier geht sie tatsächlich neue Wege: In der Vergangenheit hatten das nicht einmal die Jakobiner und die Bolschewiken gewagt! – empfiehlt sie die Verwendung von Eigennamen wie Malika und Julio anstelle von Maria und Josef. Nichts Neues unter der Sonne – und doch… Es wird behauptet, dass der Entwurf aufgrund von Protesten des Vatikans (vorläufig) zurückgezogen wurde. Ach was! Das wäre doch das erste Mal, dass diese Leute aufgrund von Protesten des Vatikans etwas zurückziehen würden! Das war nur die Testphase. Es wird nicht lange dauern – da können wir sicher sein –, bis sie es noch einmal versuchen.
Aber was noch viel erschreckender ist, ist die Zukunft Deutschlands. Oder genauer gesagt: seine Gegenwart. In einem außergewöhnlichen Essay schreibt László Bogár: „Eines der Werke von Marx – vielleicht das meistzitierte von allen – trägt den Titel Die deutsche Ideologie. Aus diesem Werk stammt – unter anderem – das Zitat, das man schamhaft [auf Ungarisch] mit ‚die Rückkehr des alten Mülls’ übersetzt hat, obwohl der darin enthaltene Schlüsselbegriff ‚etwas stärker’ als ‚Müll’ ist. Dieser berühmte Satz lautet im Original nämlich ‚Die ganze Scheiße kommt zurück’, und das inkriminierte Wort ist das Wort Scheiße. Was Marx damit meint, ist die Idee, dass der Kommunismus nicht als ‚lokales Phänomen’ auftreten kann, da sonst die Rückkehr der alten Scheiße – die für ihn nichts anderes ist als die Gesamtheit der noch lebenden Reste der heiligen Traditionen – diesen lokalen Kommunismus verschwinden lassen würde. Was übrigens, rein logisch betrachtet, streng genommen stimmt und auch eingetreten ist, wenn auch auf eine Weise, die nicht ganz der entspricht, die Marx sich vorgestellt hat. Dies zeigt einmal mehr, dass es nicht der Kapitalismus war, in dem Marx – wie man eventuell denken könnte – die Verkörperung des ‚Bösen’ in der Geschichte sah, sondern die von der sakralen Tradition inspirierte Art der Organisation des Daseins. In der brutalen Zerstörung dieser Tradition sah er einen glorreichen Höhepunkt des Kapitalismus. Das reimt sich perfekt auf das Zitat, das der künftige Chef des Super-Klimaministeriums der neuen deutschen Regierung in einem seiner philosophischen Essays ‚begangen’ hat und dessen Genauigkeit und ‚plastische’ Fähigkeit selbst in der Literatur dieses Deutschlands des 21. Jahrhunderts, das damit beschäftigt ist, sich zwangsweise in den stehenden Gewässern des Multikulturalismus zu ertränken, unübertroffen ist: ‚Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland noch nie etwas anzufangen und weiß es bis heute nicht.’ Das schrieb vor einiger Zeit Robert Habeck in einem seiner Bücher – der sehr populäre stellvertretende Vorsitzende der Grünen, die gerade den Zenit ihrer Popularität erreicht haben – und es werden immer mehr, die ihm eine Zukunft als Kanzler zutrauen, da er direkt hinter dem künftigen sozialdemokratischen Kanzler der zweitbeliebteste deutsche Politiker ist. So ‚übersetzt’ Habeck, der zur zweiten Generation der nach dem Krieg geborenen Deutschen gehört, für sich selbst und seine Zeitgenossen den düsteren und verheerenden ‚Vorschlag’ – oder genauer gesagt: die geistigen, moralischen und intellektuellen Folgen davon –, den die ‚imaginären’ Herren dieser Welt dem deutschen Volk unterbreitet haben, das von einem Dritten Reich, das alles andere als zufällig entstanden war, in eine fatale historische Falle gelockt wurde. ‚Liebes deutsches Volk, wir geben dir das Recht, in dem Komfort und der Sicherheit zu leben, die dir deine eigenen Fähigkeiten und dein Fleiß bieten, aber dieses Zugeständnis ist an die Bedingung einer nicht veränderbaren Klausel geknüpft, die besagt, dass es von nun an keine Vergangenheit, keine Geschichte, keine Tradition und keine Kultur mehr geben wird. Das heißt, unter der Bedingung, dass du ein für alle Mal ‚vergisst’, wer du einmal warst, und dass du anstelle deiner tausendjährigen Identität einen multikulturellen Brei als natürliche Nahrung für deinen Geist betrachtest, der aus Zutaten gekocht wird, die streng auf ihre Globalismuskonformität überprüft wurden.’“
Die ganze Sch… ist also wieder da, wenn auch nicht genau so, wie Marx es sich vorgestellt hatte, sondern eben in Form von Marxismus, Jakobinismus und Bolschewismus. Wiederholen wir diesen Satz, damit er sich in unseren Köpfen festsetze – hier das Geständnis eines späteren Ministers und Vizekanzlers Deutschlands, des gebürtigen Lübeckers Robert Habeck: „Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland noch nie etwas anzufangen und weiß es bis heute nicht.“
Wir haben es verstanden. Jetzt müssten wir nur noch verstehen, weswegen dieser Schwachsinnige Vizekanzler und Minister wohl werden kann. Nun, wir werden ihm den Respekt zollen, den ein Vizekanzler seiner eigenen Kotzlust verdient. Und als Vizekanzler und Minister an der Spitze eines Superministeriums macht er sich mit Hilfe seiner Kameraden unverzüglich an die Aufgabe, Deutschland seiner eigenen Kotzlust würdig zu machen. Dies ist das eigentliche Thema des 175-seitigen Programms der neuen „deutschen“ Regierung: Robert Habecks Brechreiz. Es scheint, als hätten die Deutschen die Zeit zurückgedreht, um den Moment zu finden, in dem sie den falschen Weg eingeschlagen haben. Und dass sie glauben, ihn am Moment der „Nacht der langen Messer“ gefunden zu haben. Mit dem Gedanken, dass man es vielleicht hätte andersherum machen sollen: dass die SA die SS liquidiert, anstatt von der SS liquidiert zu werden – denn zumindest Ernst Röhm war (angeblich) homosexuell. Das Schlimmste ist jedoch, dass das Gefühl der Deutschen, eine historische Mission zu haben, nicht verschwunden ist. Und das ist ein Gefühl, das die Welt schon zweimal verwüstet hat. „Deutschland, Deutschland über alles“ – sangen die Deutschen, die sich ihrer Mission bewusst waren, während sie zuerst die Welt und dann ihr eigenes Land verwüsteten. „Deutschland, Deutschland unter alles“ – so singen die sendungsbewussten Deutschen heute, während sie regelmäßig von diesem Brechreiz geplagt werden, der sie dazu bringen wird, zuerst ihr eigenes Land und dann die Welt zu verwüsten.
Was ist mit uns? Nun, für uns hat die Frage ein Höchstmaß an Einfachheit erreicht: Wollen wir, ja oder nein, an all dem teilhaben? Wollen wir anfangen, wie diese authentischen Idioten zu reden? Wollen wir anfangen, wie diese authentischen Idioten zu leben? Wollen wir einen kollektiven Selbstmord begehen, wie diese authentischen Idioten? Auf den ersten Blick sollte die Antwort nicht allzu schwierig sein, aber wir sollten nichts überstürzen. Schauen wir uns stattdessen an, was László Cs. Szabó über den letzten Europäer:
„Ich habe erst sehr spät die Nachricht vom Tod des Grafen Kessler erfahren. Er war der ‚letzte Europäer’, eine Art Herzog von Reichstadt in seiner Art. Die Fluten der Zeit rollen seinen Namen noch immer – nicht mehr lange, ich weiß. Alles, was von ihm übrig geblieben ist, sind seine unvollständigen Memoiren, die unter dem Titel Mémoires d’un Européen (Memoiren eines Europäers) ins Französische übersetzt wurden, obwohl er sich im deutschen Original weigerte, sich als Europäer zu bezeichnen.
Der Kunsthändler Vollard berichtet, dass dieser deutsche Graf in seiner Jugend als Amateur in Paris einen Verlag betrieb. Aus seinen Mitteln druckte Maillol die Eklogen [anderer Name der Bucolica – AdÜ.] von Vergil. Es sollte ein wunderschönes Buch werden, mit Illustrationen und Layout aus der Hand des berühmten Bildhauers – der sogar das Papier für den Druck selbst herstellte. Da er jedoch festgestellt hatte, dass die Behandlung mit Chlor selbst den hochwertigsten Stoff verdirbt, ließ sein begeisterter Verleger im fernen Ungarn jede Menge Bauernhemden kaufen, die noch nie gechlort worden waren. So kam es, dass eine der Ausgaben von Vergil auf ungarischem Leinen gedruckt wurde.
Es ist ein wenig traurig, dass wir uns an solche amateurhaften Nichtigkeiten erinnern müssen, um die Erinnerung an den letzten Europäer wachzurufen. Aber Europa ist die Heimat der eifersüchtigen Vaterländer, und verloren unter all diesen Vaterländern war der Mann, der nur Europäer ist, immer ein Amateur. Das gilt auch für den erfolgreichsten. Mit Europa kompensiert man einen Mangel an Heimat.
Es ist kein Zufall, dass die spanische Nation – ein schlecht umgewandeltes Nebenprodukt der Latinität – ohne Rückgrat immer zwischen dem trockensten Provinzialismus und gesamteuropäischen Visionen hin und her schwankte, ohne jemals die Lebensweise einer verwurzelten Nation zu begründen. Es war dasselbe europäische „Transplantat“, das einer anderen peripheren Nation – der russischen Nation – zum geistigen Erwachsensein verhalf: Schon Dostojewski kämpfte gegen diese Transplantation, und was immer man auch sagen mag, genau das ist der Grund, warum er die Prüfung der ersten hundert Jahre weniger gut übersteht als ein Puschkin oder sogar ein latinisierter Barbar wie Turgenjew.
Doch bleiben wir beim deutschen Beispiel. Als Mittler zwischen Orient und Okzident, Asien und Europa, Antike und Barbaren hat es der Deutsche nie geschafft, ausreichend er selbst zu sein, genauso wenig wie die drei reifsten europäischen Nationen: die Italiener, Franzosen und Engländer. Aus dieser Zwischenwelt ging der unvergleichliche Humanismus der Leibnitz, Goethe, Humboldt, Nietzsche und Rilke hervor, sowie, in den kleineren Genres, jene zahllosen Deutschen, die bis zu ihrem Tod nie endgültig zwischen dem Schwert des preußischen Offiziers und dem freiwilligen Exil in lateinischen Ländern zu wählen wussten.
Der Europäer ist ein Stern, der am Firmament leuchtet, aber im Chor der Nationen ein wenig auffällt. Und wo sich diese Spezies über das Wünschenswerte hinaus vermehrt, stellt sie sogleich eine tödliche Gefahr für die nationale Kultur dar. Verlorener Sohn im Inland, Luxus-Exilant im Ausland. (Das ist alles, was man über den Tod von Graf Kessler sagen kann)“.
Was uns betrifft, so schlage ich vor, dass wir stolze Ungarn und besorgte Europäer seien (und bleiben). Schließlich sind wir das schon immer gewesen. Und wenn die Zeit gekommen ist, sind wir es, die unser eigenes Europa über den Fluss des Fortbestands bringen. Mit den Flüchtlingen aus Deutschland an Bord. Was den Rest angeht … Der Rest zählt nicht – nicht im Geringsten!
Zsolt Bayer
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Von der Visegrád Post aus dem Ungarischen übersetzt.