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Polen/Ungarn – Der polnische Europaabgeordnete Radosław Sikorski, Leiter der EU-USA-Delegation im Europaparlament, Mitglied der Bürgerplattform (PO) und ehemaliger Außenminister unter Donald Tusk (2007-2014), erklärte kürzlich, dass der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán bezüglich der „Aufteilung der Ukraine“ auf der gleichen Linie wie Präsident Wladimir Putin stehe, da Ungarn angeblich das Ziel habe, die von Volksungarn bewohnten Gebiete in Subkarpatien zurückzugewinnen.

Laut einer Meldung des Senders TVN24, die von Radosław Sikorski aufgegriffen wurde, hätten die russischen Dienste bereits eine Desinformationskampagne für die Bewohner Subkarpatiens gestartet und erklärt, dass die in der Ukraine lebende ungarische Volksgruppe den Plan habe, sich von der Ukraine zu trennen und somit potenziell wieder zu Ungarn zurückzukehren.

Radosław Sikorski im Fahrwasser von Roman Giertychs Ausschweifungen

Sikorskis Äußerungen folgen auf die Äußerungen des ehemaligen stellvertretenden polnischen Ministerpräsidenten (2006-2007) Roman Giertych vom 17. März, die von mehreren polnischen Medien und der ungarischen Oppositionspresse aufgegriffen wurden. In einem Text mit dem Titel „Orbáns Plan“ stellte Giertych die Hypothese auf, dass es einen geheimen Plan zwischen Polen, Ungarn und Russland für die Aufteilung der Ukraine gegeben habe. Im Lichte dieses angeblichen Plans erklärt Roman Giertych das Bündnis zwischen Budapest und Warschau gegen die Europäische Union.

Laut Giertych hätte dieser Plan aus einer schnellen russischen Invasion in der Ostukraine und einem anschließenden Marsch auf Kiew bestanden, um Präsident Selenskyj und seine Regierung zu stürzen. Westlich des Dnjepr, in den russlandfeindlichen Gebieten, hätten die ungarischen und polnischen Armeen ihrerseits nur noch das Terrain besetzen müssen, um eine Aufteilung des Landes zu erzwingen und de facto polnische und ungarische „Protektorate“ über die Westukraine zu errichten.

Roman Giertych erklärte, dass dieser Plan gescheitert sei, da die russischen Militäroperationen seiner Meinung nach nicht wie geplant verlaufen wären und auf unerwarteten Widerstand der Ukrainer stoßen würden. Der „Verrat des Jahrhunderts“ habe daher nicht stattgefunden. Da die Russen Kiew nicht blitzartig eingenommen haben, konnten Kaczyński und Orbán somit nicht auf Lemberg (polnisch Lwów, ukrainisch Lwiw) bzw. Ungvár (ukrainisch Uschhorod) losstürmen!

Ohne wie Roman Giertych in eine wilde Verschwörungstheorie zu verfallen, ging auch Radosław Sikorski so weit zu erklären, dass Ungarn und Russland in Bezug auf die Ukraine auf der gleichen Wellenlänge seien. Indem er eine Meldung von TVN24 weitergab, machte sich der Europaabgeordnete der von Donald Tusk geführten PO die Theorie zu eigen, dass der Prozess der Abspaltung des magyarischen Subkarpatiens bereits mit einer Unterminierung durch russische Dienste begonnen habe, die darauf abziele, die lokale Bevölkerung über die bevorstehende territoriale Umwälzung zu beeinflussen. Der ehemalige Minister von Donald Tusk glaubt daher auch, dass die Operation Moskaus Ungarn in die Hände spielen würde, da es in der Lage wäre, aus der durch die russische Intervention in der Ukraine verursachten Unruhe Nutzen zu ziehen.

Diese Äußerungen scheinen so weit von der Realität der Beziehungen zwischen Moskau und Budapest, vom Handlungsspielraum der ungarischen Diplomatie und von der tatsächlichen Lage in Subkarpatien entfernt zu sein, dass sie Zsolt Németh – ungarischer Fidesz-Abgeordneter und Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten im Parlament – dazu veranlassten, scherzhaft zu erklären, Sikorski habe wohl zu viel Wodka getrunken – „wahrscheinlich russischen Wodka und keinen polnischen Wodka“.

Das Ehepaar Sikorski-Applebaum

Radosław Sikorski und Anne Applebaum sind seit 1992 verheiratet. Anne Applebaum ist eine US-amerikanische Journalistin, die auch die polnische Staatsbürgerschaft besitzt. Im September 2021 nahm sie am Forum für den Aufbau einer nachhaltigen Demokratie teil, das von der Budapester Stadtverwaltung, die von dem Ökosozialisten Gergely Karácsony geleitet wird, und der Central European University (CEU) George Soros’ organisiert wurde.

Dieses Treffen progressistischer Intellektuellen und Politiker erwies sich als Anti-Orbán-Plattform zur Unterstützung des Budapester Bürgermeisters, der damals noch als Kandidat der vereinten Opposition gegen den ungarischen Ministerpräsidenten gehandelt wurde – eine Rolle, die schließlich Péter Márki-Zay zufiel.

An der Konferenz nahmen unter anderem der amerikanische Soziologe und Politologe Larry Diamond, ehemaliger Berater der US-Regierung für die Provisorische Koalitionsbehörde im Irak und ehemaliger Co-Direktor des International Forum for Democratic Studies, die für Werte und Transparenz zuständige Vizepräsidentin der Europäischen Kommission Věra Jourová, der britische Historiker Timothy Garton Ash, der amerikanische Politologe Charles Gati und der britische Politologe ukrainischer Herkunft Peter Pomerantsev teil, der den Begriff „postmoderne Diktatur“ zur Beschreibung des heutigen Russlands geprägt hat.

Anne Applebaum, die sich auf die „Zivilgesellschaft“ im postkommunistischen Europa spezialisiert hat, ist Mitglied der Redaktion der Washington Post und war bei verschiedenen amerikanischen Think-Tanks tätig, darunter beim American Enterprise Institute for Public Policy Research (AEI, „Institut des amerikanischen Unternehmens für Politikforschung“) und Legatum. 2016 unterstützte sie Hillary Clinton gegenüber Donald Trump in einem Artikel mit dem Titel „Warum wir eine Präsidentin Clinton brauchen“, in dem sie Parallelen zwischen Trump, Putin, China und dem Iran zog.

Bereits im Dezember 2018 hatte Anne Applebaums Ehemann Radosław Sikorski in einem Interview mit dem ungarischen Portal válaszonline.hu auf eine Frage zur Krim und zum Donbass erklärt, dass einige Mitglieder der ungarischen Führungsschicht den Plan hätten, die europäischen Grenzen zu verändern:

„Polen denkt im Gegensatz zu Ungarn, dass es eine schreckliche Idee wäre, die Grenzen mit Gewalt zu verändern. Ungarn hat eine andere Position, weil einige [seiner] Politiker nichts gegen Grenzänderungen in Europa hätten […] Ein großer Teil der ungarischen Führung ist immer noch von Trianon traumatisiert.“

In diesem Interview, in dem er die gleichen wohlmeinenden Töne anschlug wie seine Frau, hatte Sikorski auch seine Sicht auf die Anti-Soros-Kampagne der ungarischen Regierung dargelegt:

„Für mich war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat, die Diffamierung von George Soros mit Methoden, die an das 20. Jahrhundert erinnern und die wir nie wiederholen sollten.“