Russland/Polen – Am Dienstag, den 26. April, erhielt die polnische Gasgesellschaft PGNiG ein Schreiben ihres russischen Lieferanten Gazprom, in dem sie darüber informiert wurde, dass die Gaslieferungen durch die Jamal-Pipeline am Mittwoch, den 27. April, um 8 Uhr morgens enden würden. Auch gegen Bulgarien wurde eine ähnliche Maßnahme ergriffen.
Keine Gefahr einer Knappheit für die Nutzer
Das polnische Unternehmen gab die Informationen umgehend in einer Pressemitteilung weiter, in der es hieß, „dass derzeit
alle Lieferungen an die Kunden entsprechend ihrem Bedarf erfolgen [und dass PGNiG bzw. Gaz-System] die Situation überwachen und auf verschiedene Szenarien vorbereitet sind“.
– und bestätigte damit Gerüchte, die bereits in der Vorwoche durch die polnische Presse durchgesickert waren. Tatsächlich war Freitag, der 22. April, der von Russland – aufgrund eines Erlasses des russischen Präsidenten Wladimir Putin – einseitig festgelegte Stichtag, ab dem „russlandfeindliche“ Länder ihre Gaslieferungen künftig mit Rubel anstelle der bisher verwendeten und in den Verträgen festgelegten Euro oder Dollar bezahlen sollten. Bisher weigern sich die meisten betroffenen Länder – darunter Polen und Bulgarien –, dieser Forderung nachzukommen, wobei Deutschland, Österreich und Ungarn allerdings rasch zustimmten.
PGNiG gab sich darüber hinaus beruhigend und erklärte, dass
„die von Gaz-System betriebene Übertragungsinfrastruktur ohne Unterbrechung funktioniert. Das nationale Fernleitungsnetz wird ständig von anderen Inputs des Gassystems gespeist,
[…] und die Beförderung von Brennstoff zu den Kunden erfolgt entsprechend der aktuellen Nachfrage. […] Dank der Umsetzung der Regierungsstrategie zur Diversifizierung der Bezugsquellen für Brenngas ist PGNiG darauf vorbereitet, Gas aus verschiedenen Quellen zu beziehen“. Bisher importierte Polen etwa 55% seines Gases aus Russland, während es schon vor einigen Jahren begonnen hat, seine Versorgung zu diversifizieren, insbesondere durch die Einrichtung des Flüssiggasterminals (LNG) in Swinemünde (Świnoujście) an der Ostsee.
Die polnische Umweltministerin Anna Moskwa erklärte ihrerseits, dass die Energieversorgung Polens weiterhin gewährleistet sei und die Gasversorgung der polnischen Verbraucher nicht eingeschränkt werde, da das Land über ausreichende Reserven verfüge (die zu 76 % gefüllt seien – und auf die laut den polnischen Behörden derzeit nicht zurückgegriffen werden müsse). Das Land kann bereits russisches Gas aus Deutschland und Tschechien beziehen und wird dies sehr bald auch aus der Slowakei tun können, während eine neue Verbindung mit Litauen es dem Land ab Mai ermöglichen wird, zusätzliches LNG über die Kapazitäten des litauischen Terminals zu importieren. Darüber hinaus soll die Baltic Pipe, die norwegisches Gas transportieren wird, im Oktober dieses Jahres in Betrieb genommen werden. Ferner hatte Polen wiederholt seine Absicht erklärt, nach dem Ende des langfristigen Vertrags, der zu Zeiten von Donald Tusk unterzeichnet wurde, kein russisches Gas mehr zu beziehen, da der russische Vertrag ohnehin Ende dieses Jahres ausläuft.
Für Petr Fiala ist es an der Zeit, „unsere Abhängigkeit“ von russischem Gas „loszuwerden“
Der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala reagierte auf Twitter auf diese Ankündigung und erklärte seinerseits:
„Die Russische Föderation hat beschlossen, die Gaslieferungen an Polen einzustellen. Damit verschärft Russland die Situation weiter und verstößt gegen bestehende Verträge. Dies ist ein weiterer Beweis dafür, dass wir uns schrittweise von unserer Abhängigkeit von russischen fossilen Brennstoffen lösen müssen“.
Nach Polen nun auch Bulgarien…
Am Dienstagabend teilte das bulgarische Energieministerium mit, dass auch Bulgarien über die Einstellung der russischen Gaslieferungen informiert worden sei:
„Gazprom hat Bulgargaz darüber informiert, dass es die Gaslieferungen ab dem 27. April einstellen wird“.
Auch in diesem Land versicherten die Behörden, dass die Versorgung der Verbraucher nicht beeinträchtigt werde bzw. dass neue Versorgungsquellen erschließen werden. Der Anteil des russischen Gases an der Versorgung des Landes macht allerdings rund 90% der Gasimporte Bulgariens aus.
Nach einer Unterbrechung im Morgengrauen, mehrere Stunden vor dem angekündigten Termin um 8 Uhr, stellten die polnischen und bulgarischen Behörden fest, dass wenige Minuten nach 8 Uhr wieder Gas ankam. Das russische Unternehmen Gazprom reagierte um 8:30 Uhr und erklärte, dass es sich nicht um eine Lieferung ihrerseits gehandelt habe.
Sanktionen gegen Deutschland wegen Verweigerung des Gasembargos?
Darüber hinaus sorgt die Gasfrage und insbesondere die deutsche Position, sich an einem möglichen Embargo für russisches Gas nicht beteiligen zu wollen, für Spannungen im westlichen Lager. So forderte der Ökonom Matthew Lynn in einem Artikel, der am 19. April in der britischen Tageszeitung The Telegraph veröffentlicht wurde, offen Sanktionen gegen Deutschland wegen der indirekten Beteiligung an den russischen Kriegsanstrengungen:
„Je mehr russische Kriegsverbrechen aufgedeckt werden, desto klarer wird: Es ist Zeit, Sanktionen gegen Deutschland zu verhängen“.