Slowakei – Der Gipfel der Länder der Visegrád-Gruppe fand im ostslowakischen Kaschau (Košice) statt, obwohl die Presse in der letzten Woche über eine Verschiebung oder gar eine Absage des Gipfels berichtet hatte. Alles verlief reibungslos und die Eintracht zwischen den vier mitteleuropäischen Ländern wurde ausgiebig bezeugt.
Nach dem Streit …
Letzte Woche hatten die Präsidenten des tschechischen Abgeordnetenhauses und des Senats, Markéta Pekarová Adamová (TOP 09) und Miloš Vystrčil (ODS), beschlossen, das Treffen mit ihren V4-Kollegen, das in Pressburg (Bratislava) stattfinden sollte, zu boykottieren. Dieses Treffen wurde daher abgesagt, aber der Gipfel der Regierungschefs fand trotzdem am Donnerstag, den 24. November, in Kaschau statt.
Die beiden Politiker, die der seit fast einem Jahr in Prag regierenden Fünf-Parteien-Koalition angehören, verurteilten die versöhnlichere Haltung der Orbán-Regierung gegenüber dem Kreml seit Beginn der russischen Aggression gegen die Ukraine scharf und warfen Budapest auch dessen Energiepolitik vor, die sie als „unkollegial“ den europäischen Partnern gegenüber bezeichneten.
Auf die Frage von Seznam Zprávy hatte Miloš Vystrčil in der Tat erklärt: „Nehmen wir zum Beispiel die Tatsache, dass die Ungarn bilateral mit Russland über die Lieferung bestimmter Energieprodukte verhandeln. Dies ermöglicht keine einheitliche Position der EU-Länder und damit die Förderung unserer Ziele in dieser Energiekrise.“
Markéta Pekarová schlug in die gleiche Kerbe: „Es sind immer die Ungarn, die als letzte ein Sanktionspaket akzeptieren, Zugeständnisse verlangen und drohen, keine neuen Sanktionen zu unterstützen. Außerdem sind sie in der Lage, die Frage des Krieges intern gegen die Europäische Union zu verwenden. Sie sind das trojanische Pferd Russlands und ich denke, es ist wichtig, ihnen ein klares Signal zu senden, dass dies inakzeptabel ist.“
Anschuldigungen, auf die der ungarische Parlamentspräsident László Kövér – der Viktor Orbán nahesteht – am 17. November antwortete: „Die vier Länder haben es in den letzten 30 Jahren geschafft, ihre ideologischen Differenzen zu überwinden und auf regionaler Ebene zusammenzuarbeiten, um unsere gemeinsamen Interessen zu vertreten. Die Bemerkungen der tschechischen Parlamentspräsidenten über uns sind unfair und respektlos, sie entsprechen nicht den Tatsachen und stellen das gute Recht der ungarischen Regierung in Frage, eine Politik von nationalem Interesse zu betreiben.“
… die zur Schau gestellte Einigkeit
Doch trotz einiger Dissonanzen aufgrund der deutlich anderen Haltung Ungarns gegenüber dem Krieg in der Ukraine im Vergleich zu seinen mitteleuropäischen Partnern, trafen sich die Regierungschefs der Visegrád-Gruppe am Donnerstag, den 24. November, zu einem weiteren Gipfeltreffen in Kaschau im Osten der Slowakei – die derzeit bis Juli 2023 den rotierenden Vorsitz der Organisation innehat.
Bei dieser Gelegenheit erinnerte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán daran, dass die Zusammenarbeit der Länder der Visegrád-Gruppe eine 30-jährige Erfolgsgeschichte ist, die entstanden ist, weil diese Länder davon überzeugt waren, dass sie gemeinsame Interessen und viele gemeinsame Positionen haben. Er betonte außerdem, dass es – im Hinblick auf den russisch-ukrainischen Konflikt – innerhalb der V4 eine Einigung über die strategischen Ziele gebe.
Sein polnischer Amtskollege Mateusz Morawiecki – dessen Land die Speerspitze der europäischen Unterstützung für die Ukraine gegen Russland ist – fasste seinerseits den Hintergrund des Gipfels auf Facebook gut zusammen: „Die Visegrád-Gruppe hat sich fest in der europäischen Sicherheitsarchitektur etabliert. Einige haben uns in letzter Zeit nur durch das Prisma dessen betrachtet, was uns trennt.
Wir hingegen sind ‚unter acht Augen‘ zusammengekommen, um über das zu sprechen, was uns verbindet, denn die V4 ist ein sehr wichtiges Forum für die Zusammenarbeit in vielen Bereichen.
Heute haben wir uns auf die Themen Energie und militärische Sicherheit konzentriert. Wir haben alle wichtigen Fragen besprochen – mit sehr positiven Schlussfolgerungen für die Region.
Unsere Position ist klar. Der Krieg in der Ukraine muss beendet werden, unter voller Achtung ihrer Unabhängigkeit und ihrer Grenzen.
Wir haben auch eine Einigung über den Beitritt Finnlands und Schwedens zur NATO erzielt. Es gibt ein konkretes Datum – Ministerpräsident Viktor Orbán hat versichert, dass Ungarn das Abkommen Anfang des Jahres ratifizieren werde, wofür ich ihm sehr dankbar bin.
Die hohen Gaspreise werden von allen Bürgern in Polen, der Slowakei, Tschechien und Ungarn bezahlt. Wir fordern die Europäische Kommission auf, entschieden zu reagieren. Der derzeit vorgeschlagene Höchstpreis für Gas ist viel zu hoch. Die Visegrád-Gruppe fordert zusammen mit Spanien und Griechenland, dass er gesenkt wird.
Eine andere Sache ist der EU-Emissionshandel (ETS) der unserer Meinung nach für mindestens zwei Jahre auf einem Niveau von 20-30 Euro pro Tonne CO2 eingefroren werden sollte.
Die Hilfe, die wir der Ukraine als Land an der Ostflanke der NATO leisten, wird weitergehen. Wir müssen auch Westeuropa und den Rest der Europäischen Union auffordern, ihre Wachsamkeit nicht zu verlieren. Die kommenden Monate könnten sehr schwierig werden, und wir fordern die Europäische Kommission auf, die Finanzierung und die humanitäre Hilfe für ukrainische Flüchtlinge zu erhöhen.
Die Zusammenarbeit der Visegrád-Gruppe ist ein Beispiel für den Rest Europas. Indem wir uns daran erinnern, dass wir unterschiedlich sind, sind wir in der Lage, gemeinsame Lösungen zu finden, die für alle gut sind.“
Der tschechische Regierungschef Petr Fiala erklärte, er sei überzeugt, dass die V4-Zusammenarbeit einen Sinn und eine Zukunft habe und dass sie auf Ministerebene fortgesetzt werde. Über den Gipfel in Kaschau sagte er:
„Wir konnten einen offenen Dialog über Themen führen, bei denen wir unterschiedliche Positionen haben.“
Er fügte hinzu, dass es in vielen grundlegenden Fragen zur Ukraine einen Konsens gebe, einschließlich der Notwendigkeit, die territoriale Integrität der Ukraine zu wahren und sie im Kampf gegen die russische Aggression militärisch und finanziell zu unterstützen.
Schließlich bat der gastgebende slowakische Ministerpräsident Eduard Heger, seine Amtskollegen um Hilfe bei der Bewältigung der bevorstehenden Gesundheitskrise in der Slowakei, wo die Regierung in Pressburg sich außerstande sieht, eine endgültige Einigung mit den Ärztegewerkschaften zu erzielen, die Gehaltserhöhungen fordern, was zum Rücktritt von mehr als zweitausend Ärzten führte.
Beiläufig auf die Reaktionen auf den Fanschal eingehend, den Viktor Orbán kürzlich bei einem Fußballspiel trug – ein Schal mit einer Karte von Ungarn in den Grenzen vor 1920, ein in Ungarn übrigens allgegenwärtiges Motiv – sagte Eduard Heger in diplomatischem Ton: „Mir ist aufgefallen, dass Viktor Orbán einen alten Schal hat, also habe ich ihm heute einen neuen geschenkt.“ Daraufhin antwortete Viktor Orbán: „Ungar und Slowake, zwei gute Freunde“ (Magyar-szlovák két jó barát!), bevor er mit seinem slowakischen Amtskollegen unter demselben Schal posierte.