Polen – Während der Wahlkampf für die polnischen Parlamentswahlen am 15. Oktober in vollem Gange ist, ist ein Visa-Skandal in den Vordergrund getreten, wobei ein Staatssekretär im Außenministerium, Piotr Wawrzyk (PiS), der am 31. August wegen dieser Affäre seines Amtes enthoben wurde, einen Selbstmordversuch beging – er wurde in sehr ernstem Zustand ins Krankenhaus eingeliefert.
Einen Monat vor den Wahlen und in einer Zeit, in der die PiS wegen des starken Anstiegs der legalen außereuropäischen Einwanderung kritisiert wird, kommt dieser Skandal zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt.
Den Berichten der polnischen Presse zufolge wurden Arbeitsvisa an Personen aus außereuropäischen Ländern gegen Bestechungsgelder und ohne weitere Nachverfolgung der betreffenden Personen erteilt – ein Skandal, den der liberale Oppositionsführer Donald Tusk freilich versucht, so gut wie möglich auszunutzen. Laut der Tageszeitung Rzeczpospolita stellte Polen im Jahr 2020 über 600.000 und im Jahr 2021 über 790.000 Arbeitsvisa aus, während die gesamte EU im Jahr 2020 ca. 2,2 Millionen Arbeitsvisa vergab.
Der Staatssekretär soll Diplomaten zur Ausstellung von Visa gezwungen haben
Der Verantwortliche für diesen Handel scheint ausgerechnet Staatssekretär Piotr Wawrzyk gewesen zu sein, der – ebenfalls laut Rzeczpospolita, die die Erkenntnisse des Onet-Journalisten Andrzej Stankiewicz zitiert,
„seinen Partnern dabei half, einen illegalen Kanal für die Einschleusung von Migranten aus Asien und Afrika über Europa in die USA zu schaffen“,
in dessen Rahmen er „polnische Diplomaten dazu gezwungen habe, den von ihm angegebenen Einwanderern Visa auszustellen […] von Istanbul über Riad, Islamabad, Mumbai, Neu Delhi, Bangkok, Singapur, Hongkong, Manila und Taipeh bis Abuja und Dar-es-Salam“.
Stankiewicz berichtet u.a. von Indern, „die vorgaben, Bollywood-Teams zu sein“ und sich in Mexiko wiederfanden, „von wo aus sie versuchten, in die USA zu gelangen“, woraufhin die US-Behörden die polnischen Kollegen vor diesem „Schmuggelkanal für illegale Einwanderung“ warnten.
Natürlich griff Donald Tusks liberale Opposition weniger als einen Monat vor den Parlamentswahlen den Fall auf, während der Abgeordnete Dariusz Joński (Bürgerliche Koalition, KO) gleich den Rücktritt von Außenminister Zbigniew Rau (PiS) forderte.
Mateusz Morawiecki reagiert und kontert
Ministerpräsident Mateusz Morawiecki reagierte mit einem Gegenangriff, der sich am Freitag, den 15. September, gegen Donald Tusk richtete, dessen Politik er in Erinnerung rief: „Herr Tusk, glauben Sie wirklich, dass Sie mit dieser Täuschung Erfolg haben werden?
Waren Sie es nicht, der Polen mit Konsequenzen gedroht hat, d.h. mit Sanktionen, wenn es keine gefährlichen und illegalen Einwanderer aufnimmt?
Wir erinnern uns gut daran, was Sie gesagt haben. Wir erinnern uns auch daran, was die Mitglieder der Bürgerplattform [PO] gesagt haben“. Der Regierungschef erinnerte im gleichen Atemzug an den Mechanismus zur Zwangsumsiedlung von Migranten, der von der Europäischen Volkspartei (EVP), der Donald Tusks PO angehört, unterstützt und umgesetzt wird: „Dieser Mechanismus setzt die Möglichkeit einer unbegrenzten Aufnahme illegaler Migranten in EU-Ländern, einschließlich Polen, oder enorme finanzielle Strafen bei Nichteinhaltung voraus. Ein solcher Mechanismus ist ein Anreiz für Schlepper. Ein Anreiz für die Banden, neue Migranten, hauptsächlich junge Männer, nach Europa zu schicken“.
Dennoch wich Morawiecki dem vorliegenden Skandal nicht aus, angesichts dessen er die ihm obliegende Verantwortung wahrnahm: „Unregelmäßigkeiten in Bezug auf mehrere hundert Visa – ich wiederhole, mehrere hundert Visa – wurden von uns im Rahmen unserer Kontrollverfahren festgestellt. Die polnischen Dienststellen haben entsprechende Maßnahmen ergriffen und die Personen, die im Verdacht standen, gegen das Gesetz zu verstoßen, wurden identifiziert.
Die Staatsanwaltschaft hat sieben Personen angeklagt und drei von ihnen befinden sich in Haft. Ich bin zuversichtlich, dass sie angemessen bestraft werden. Ich habe außerdem den Direktor des Außenministeriums angewiesen, Beamte, die ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sind, aus dem Amt zu entfernen.“
Das PiS-nahe Portal wPolityce startete seinerseits eine Gegenoffensive, indem es Praktiken aus der Regierungszeit von Donald Tusk hervorholte, als angeblich Visa „für eine Ermäßigung in einem ukrainischen Restaurant“ erteilt wurden und „Tausende von Visa“ an Leute vergeben wurden, „die vorgaben, Ukrainer zu sein“.