Von Olivier Bault.
Eine führende polnische Zeitung wirbt für ein Abtreibungsförderungsnetzwerk und ruft dadurch die Reaktion einer Anwaltsvereinigung und des Kindesschutzbeauftragten hervor.
Polen – Die größte linke Tageszeitung Polens, Gazeta Wyborcza, widmete am 12. Dezember ihre Titelseite der Gründung am Vortag eines Abtreibungsfonds für polnische Frauen. Diese Operation ist eine Initiative des Abortion Support Networks (Abtreibungsförderungsnetzwerk, ASN), einer in Großbritannien basierten Organisation, die finanzielle und praktische Unterstützung für Frauen anbietet, die abtreiben möchten, aber in Ländern leben, wo dies verboten ist. In ihrem Artikel auf ihrer Titelseite erklärte die polnische Gazeta Wyborcza praktisch bis ins kleinste Detail, was eine polnische Frau alles erledigen müsste, um dadurch abtreiben zu können, und gab sogar die Nummer einer Hotline bekannt, wo man sowohl eine Abtreibungspille erhalten bzw. je nach Schwangerschaftswoche eine chirurgische Abtreibung in einem anderen europäischen Land organisieren kann. Zusammen mit dem ASN schlossen sich sechs Organisationen aus vier unterschiedlichen Ländern zum Zwecke dieser Initiative namens „Abortion Without Borders“ (Abtreibung ohne Grenzen) zusammen, so die Gazeta Wyborcza. Zwei polnische Organisationen gehören dazu, eine davon heißt überdeutlich „Abortion Dream Team“.
Das polnische Abtreibungsgesetz stammt aus dem Jahre 1993 und ist angesichts europäischer Standards ziemlich restriktiv. Gemäß dem polnischen Gesetz darf ein Baby nur in drei Fällen abgetrieben werden: wenn das Leben oder die physische Gesundheit der Mutter wegen der Schwangerschaft gefährdet wird (u.U. bis zur Geburt); wenn die Schwangerschaft die Folge von Vergewaltigung oder Inzest ist (bis zur 12. Schwangerschaftswoche); bzw. wenn beim Baby eine schwere und unheilbare Behinderung oder Krankheit diagnostiziert wird (bis zur 24. Schwangerschaftswoche). So werden jedes Jahr über 2.000 Abtreibungen in polnischen Krankenhäusern legal vorgenommen, so allgemein zugängliche Daten der staatlichen Krankenversicherung (NFZ), obwohl die offiziell vom Gesundheitsministerium auf der Basis von Erklärungen durch die Krankenhäuser und Medizinzentren veröffentlichten Daten nur ungefähr die Hälfte davon aufweisen. Vor 1993 erlaubte das Abtreibungsgesetz aus der Kommunistenzeit eine Abtreibung ohne weiteres bis zur 12. Schwangerschaftswoche.
In der Ausgabe der Gazeta Wyborcza vom 12. Dezember nannte ein Aktivist des polnischen „Abortion Dream Team“ Deutschland, die Niederlande und Großbritannien unter den Ländern, wo Frauen, die sich schon nach der 12. SSW befinden, auf Kosten des Abortion Support Networks zwecks einer Abtreibung hinreisen können. Den polnischen Frauen wird volle Unterstützung für Arztbesuche inkl. Dolmetscher und Unterkunft versprochen. In den Fällen, wo die Frauen für eine pharmazeutische Abtreibung in Frage kommen, so werden die Abtreibungspillen von einer niederländischen Gruppe namens Women Help Women versandt, obwohl – wie die Gazeta Wyborcza es zugibt – die Einfuhr von Arzneimittel nach Polen ohne die notwendige amtliche Genehmigung verboten ist. Ferner widmete die Gazeta Wyborcza nicht nur den Hauptteil ihrer Titelseite diesem Angebot des Abtreibungsnetzwerks an die polnischen Frauen, sondern veröffentlichte darüber hinaus einen freundlichen Leitartikel auf Seite 2, wo die Lage in Polen mit derjenigen in Irland vor einiger Zeit verglichen wurde, bzw. wurde die volle Seite 9 einem Interview mit Maria Clarke gewidmet, die besagtes Abortion Support Network 2009 gründete.
Frau Clarke erklärte somit den Lesern der Gazeta Wyborcza, dass Frauen in Großbritannien und in den Niederlanden ohne weiteres bis zur 24. Schwangerschaftswoche abtreiben können und dass sie diese Möglichkeit den polnischen Frauen zugänglich machen möchte, nachdem sie dies zehn Jahre lang für irische Frauen getan habe, bevor Abtreibung im vorigen Dezember in der Republik Irland legalisiert wurde. „Nach dem irischen Volksentscheid hatten wir weniger Kundinnen aus Irland,“ so Clarke, „also haben wir entschieden, Gelder für Polen bereitzustellen,“ so Mara Clarke, die im gleichen Interview behauptet, dass die Abtreibungspillen sicherer als andere Präparate wie Viagra oder Paracetamol seien, und ferner erklärte, dass polnische Frauen, die für eine chemische Abtreibung nicht in Frage kommen, dann darüber informiert werden, in welchen Ländern sie ihr Baby abtreiben können, je nachdem in welcher Schwangerschaftswoche sie sich befinden.
Der polnische Kinderombudsman reagierte am Tag der Veröffentlichung der Gazeta Wyborcza, indem er auf Twitter ankündigte, dass er einen Bericht bei der Staatsanwaltschaft gegen „Abortion Without Borders“ einreichen werde, denn die Förderung, Organisation und Finanzierung von illegalen Abtreibungen ist in Polen ein Verbrechen. Die Anwältevereinigung Ordo Iuris kündigte am 12. Dezember ebenfalls an, dass sie dabei war, eine Meldung an die Staatsanwaltschaft einzureichen. Der Rechtsanwalt Jerzy Kwaśniewski, Vorsitzender von Ordo Iuris, schrieb auf Twitter, dass die Meldung bezüglich dieser „ungeheuerlichen Ankündigung der Beihilfe, eine illegale Handlung – einen pränatalen Mord – zu begehen“, bereit sei.
Während sie ankündigte, dass die vom Abortion Support Network angebotenen Dienste seit dem 11. Dezember den polnischen Frauen zur Verfügung stehen, wies die Gazeta Wyborcza auf die Zahl von 100.000 Abtreibungen hin, die laut feministischen Organisationen jährlich in Polen illegal durchgeführt würden. Diese Zahl, die auf keinen relevanten Daten beruht, wurde jahrelang gemeinsam mit einer doppelt so hohen „Schätzung“ benutzt, um die Polen davon zu überzeugen, dass Abtreibung in der gleichen Weise wie in anderen europäischen Ländern legalisiert werden müsse.
Als eine von der post-kommunistischen SLD dominierte Regierung im Jahr 1997 dem Abtreibungsgesetz von 1993 einen Zusatz hinzufügte, der von der sozialen bzw. wirtschaftlichen Lage einer betroffenen Frau motivierte Abtreibungen erlauben sollte, wurde dies vom Verfassungsgericht mit dem Hinweis verworfen, dass diese Maßnahme das in der polnischen Verfassung verankerte Recht auf Leben zu sehr verletze. Während der Zeit von ca. einem Jahr, wo dieser Zusatz in Kraft war, wurden in Polen „nur“ 3.047 Abtreibungen legal und ohne Kosten für die Mütter dieser angetriebenen Kinder durchgeführt, darunter 2.524 aus sozialen bzw. wirtschaftlichen Gründen. Man kann sich daher fragen, warum die Zahl dieser Abtreibungen plötzlich 100.000 bis 200.000 geworden wären, ein Jahr nachdem sie wieder illegal geworden sind und zwar als sie per se schwerer zugänglich und viel teurer geworden waren.
Gemäß einer am 9. Dezember von der polnischen Tageszeitung Rzeczpospolita veröffentlichten IBRIS-Umfrage möchten 49,9% der Polen das Abtreibungsgesetz so belassen, wie es ist, 14,9% möchten sogar die Möglichkeit, ein Kind legal abzutreiben, noch strenger einschränken, und nur 28,7% würden eine Liberalisierung des Abtreibungsgesetzes befürworten. Bei den Parlamentswahlen im vergangenen Oktober sprach sich allein die vom SLD geführten Koalition „Die Linke“ für eine solche Liberalisierung des Abtreibungsgesetzes aus. Sie erhielt bloß 13% der Stimmen.
Übersetzt von Visegrád Post.