Dieser Artikel ist am 17. November 2020 in der Magyar Nemzet erschienen.
István Ujhelyi zögerte nicht, Viktor Orbán die Worte zu verzerren.
István Ujhelyi führt Wahlkampf im Europaparlament (EP) mit Worten, die einer Rede von Viktor Orbán entnommen sind – allerdings verzerrt und absichtlich aus dem Zusammenhang gerissen. Am Rande der Debatte um das ungarisch-polnische Veto hat dieses Mitglied der Ungarischen Sozialistischen Partei einen Brief in Umlauf gebracht, dessen Kopie wir gesehen haben und der angeblich beweisen soll, dass sich die Ansichten des ungarischen Ministerpräsidenten zur Frage der Rechtsstaatlichkeit in den letzten zehn Jahren geändert haben. In jedem Fall weisen die Überlegungen in der Originalrede darauf hin, dass es die Linke ist, die sich mit dem Rechtsstaat nicht sehr wohl fühlt.
Nach dem gestrigen Veto Ungarns (und Polens) gegen den Text über den mehrjährigen Finanzrahmen der EU und über das Konjunkturprogramm für die Zeit nach dem Covid schlagen die ungarischen Oppositionsabgeordneten eine bewusst verzerrte Interpretation der Argumente ihrer Regierung für dieses Veto vor.
So schickte István Ujhelyi, Europaabgeordneter der Ungarischen Sozialistischen Partei, am Dienstag dem gesamten Europaparlament eine Rundmail mit dem Titel „Worüber der Fidesz nicht reden will“, in der er versucht, die aktuellen Ereignisse in der EU mit einem Zitat aus einer Rede von Viktor Orbán aus dem Jahr 2009 zu erklären. Mitglieder der Redaktion der Magyar Nemzet haben auch dieses Dokument in englischer Sprache gesehen, in dem dieser linke Politiker die Äußerungen des damaligen Fidesz-Vorsitzenden vom Mai 2009 in einer Rede, die das Wahlkampfprogramm der Fidesz-KDNP-Koalition für die damaligen Europawahlen bekannt machen sollte, absichtlich verzerrt.
Viktor Orbán vertrat damals die Ansicht, dass einer der Schwachpunkte der EU darin bestand, dass sie Schwierigkeiten hatte, sich an die Werte und Prinzipien zu halten, die sie selbst proklamiert hatte. „Die Überzeugung des Fidesz ist, dass die Achtung unserer gemeinsamen Werte und Prinzipien keine Frage des Abwägens sein kann.“ In einer Rede in Budapest wies er auch auf die Notwendigkeit hin, die EU mit Instrumenten auszustatten, um ihre Mitglieder jederzeit zu ermutigen, ihren Werten gerecht zu werden und ihre Prinzipien zu respektieren.
Wie Viktor Orbán damals argumentierte, muss ein Land, das sich noch im Prozess des Beitritts zur EU befindet, ein strenges System von Kriterien in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Achtung der Menschenrechte und der Rechte von Minderheiten erfüllen.
„Ist ein Land aber erst einmal Mitglied geworden – wie die Bürger Ungarns im Herbst 2006 bitter erfahren mussten –, unterliegt es nicht mehr einer solchen genauen Prüfung. Der Hauptgrund dafür ist wahrscheinlich, dass die EU-Institutionen Angst davor haben, sich in die inneren Angelegenheiten der einzelnen nationalen Regierungen einzumischen.“
– sagte er dann, nahm damit deutlich Bezug auf die Ereignisse von 2006 und plädierte für ein Eingreifen der EU in Bezug auf die damals von einer linken Regierung begangene Polizeigewalt.
Das ist der Satz, den István Ujhelyi in seiner EP-Rundmail geflissentlich weggelassen hat. Besser noch: Als Teilnehmer einer Debatte in der Tranzit-Reihe „Garázsviták“ (Debatte in der Garage) las er diese Passage laut vor, wobei er das Argument des Ministerpräsidenten, das sich auf die Ereignisse des Jahres 2006 bezog, wieder wegließ und damit seine Zitate in einen völlig fremden Zusammenhang stellte.
Dieser Abgeordnete der Ungarischen Sozialistischen Partei führt eine Lügenkampagne innerhalb des EP.
Die Wirklichkeit ist, dass im Jahr 2009, im Rahmen der Einführung des Programms und des Buches mit dem Titel „Ja, Ungarn ist zu mehr fähig!“ Viktor Orbán die Polizeigewalt, die 2006 von einer ungarischen Linksregierung begangen wurde, als Argument benutzt hat, um von der EU zu verlangen, dass sie ihn für die Einhaltung der elementarsten Rechte seiner Bürger zur Verantwortung ziehe.
Was die derzeitige ungarische Regierung betrifft, so stellt sie weiterhin dieselbe Frage: Wie kann das Verfahren des Mechanismus der Konditionalität objektiv und präzise sein, wenn 2006 und danach die fraglichen Ereignisse nicht einmal im Europäischen Parlament erörtert wurden? Seit der Fidesz an der Macht ist, ist hingegen klar, dass Brüssel gegen Ungarn nicht nur ein Artikel-7-Verfahren eingeleitet hat, sondern Fälle, die Ungarn betreffen, kaum von der EU-Agenda verschwunden sind. Auf diesen Widerspruch wies dier ungarische Justizministerin Judit Varga in einer Debatte hin, die im September vom gleichen Portal Tranzit organisiert wurde.
„Im Jahr 2006“, sagte sie damals, „ist es wahr, dass die Gerichte politischem Druck ausgesetzt waren und Brüssel keinen Finger gerührt hat.“
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Von der Visegrád Post aus dem Ungarischen übersetzt.