Deutschland/Polen – Dies ist ein Thema, das außerhalb Polens im Allgemeinen wenig bekannt ist. Polen fordert die Anerkennung der polnischen Minderheit durch Deutschland, eine Forderung, für die sich auf politischer Ebene hauptsächlich die PiS und die nationalkonservative Konfederacja einsetzen. Während Berlin sich in dieser Frage taub stellt, hat die polnische Regierung die Sache nun selbst in die Hand genommen.
Nur noch eine Stunde Deutschunterricht pro Woche für die Kinder der deutschen Minderheit
So hat der polnische Bildungsminister Przemysław Czarnek (PiS) am Freitag, den 4. Februar, soeben – einseitig – beschlossen, den Deutschunterricht für die Kinder der deutschen Minderheit in Polen – hauptsächlich in Oberschlesien (Woiwodschaften Oppeln und Schlesien), aber auch im Süden des ehemaligen Ostpreußens (Woiwodschaft Ermland-Masuren) – von drei auf eine Stunde pro Woche zu reduzieren. Mit den eingesparten Budgets will Czarnek den polnischen Sprachunterricht für die Kinder der polnischen Diaspora in Deutschland fördern – die Berlin de facto nicht als nationale Minderheit anerkennen will, was die polnische Rechte als Diskriminierung betrachtet.
Deutschland erkennt die polnische Diaspora nicht als Minderheit an
Der Abgeordnete Janusz Kowalski (Solidarna Polska), der sich in dieser Frage sehr engagiert, begrüßte die Entscheidung auf Twitter :
„Wir stellen die Symmetrie zwischen Polen und Deutschland wieder her! Wir reduzieren die Anzahl der Unterrichtsstunden für die deutsche Minderheit von drei auf eine Stunde pro Woche und stellen 30 Millionen Zloty für den Unterricht der polnischen Muttersprache in Deutschland bereit, das dafür nicht einen einzigen Euro ausgibt. Keine Diskriminierung von Polen in Deutschland mehr!“
Protest der deutschen Minderheit
Vertreter der deutschen Minderheit verurteilten diese Maßnahme scharf und starteten mit Unterstützung der Opposition (PO) eine Protestpetition, während der polnische Menschenrechtskommissar Marcin Wiącek der Ansicht war, dass diese Entscheidung der polnischen Behörden gegen das Rahmenübereinkommen des Europarats und die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen sowie gegen die polnische Verfassung verstoßen könnte, deren Artikel 35 „nationalen oder ethnischen Minderheiten die Freiheit garantiert, ihre eigene Sprache zu bewahren und weiterzuentwickeln“:
„Ich kann nicht akzeptieren, dass Ausgabenkürzungen auf Kosten von Gemeinschaften oder Gruppen gehen, die in verschiedenen Bereichen des sozialen oder kulturellen Lebens häufig an den Rand gedrängt werden,
und zu deren Unterstützung die staatlichen Institutionen besonders verpflichtet sind“, schrieb er an Ministerpräsident Mateusz Morawiecki.
Eindeutige Diskriminierung, so die SPD
Die deutsche Botschaft in Polen erinnerte ihrerseits daran, dass derzeit 5000 Kinder polnischer Herkunft in Nordrhein-Westfalen Polnischunterricht erhalten, während die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) – die Partei von Bundeskanzler Olaf Scholz – die Entscheidung der polnischen Behörden als eine
„unmissverständliche Diskriminierung“ bezeichnete, die nur dazu diene „innenpolitisch mit antideutscher Rhetorik zu punkten“.
Der Vorsitzende der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien, Rafał Bartek, erklärte, dass
„die Diskriminierung der deutschen Minderheit in Polen zu einer Tatsache geworden ist“.
In einer Erklärung seiner Organisation hieß es unter anderem, dass „trotz zahlreicher Aktionen der Vertreter der deutschen Minderheit sowie von Eltern und Lehrern, trotz zahlreicher Proteste, Treffen und Gespräche,
hat die polnische Regierung beschlossen, eine Lösung eingeführt, die eine nationale Minderheit – die deutsche Minderheit – offen diskriminiert.“
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Die deutsche Minderheit in Polen besteht aus 148.000 Personen (lt. Volkszählung von 2011), wobei 43.000 polnische Staatsbürger angaben, ausschließlich die deutsche Nationalität zu besitzen, und 103.000 auch eine andere Nationalität, darunter die polnische, angaben. Gleichzeitig beanspruchen die Organisationen, die die deutsche Minderheit vertreten, 182.000 Mitglieder (2008), während die deutsche Botschaft die deutsche Minderheit auf 300.000 bis 350.000 Personen schätzt. Diese Menschen sind die verbliebenen Nachkommen der einheimischen Bevölkerung der ehemaligen preußischen Provinzen Schlesien, Ostbrandenburg, Pommern und südliches Ostpreußen, die Polen am Ende des Zweiten Weltkriegs zugesprochen wurden – die überwiegende Mehrheit der Einwohner dieser Provinzen (rund 9 Millionen Einwohner bei der Volkszählung von 1939) wurde in der unmittelbaren Nachkriegszeit vertrieben, insbesondere um die Ansiedlung von Polen zu ermöglichen, die ihrerseits aus den östlichen Provinzen des Vorkriegspolens vertrieben worden waren, die ihrerseits sowjetisch wurden (in Litauen, in Weißrussland und in der Ukraine). Die Schlesier – die heute hauptsächlich in Deutschland leben – sind die Nachkommen von germanischen Stämmen, die vor dem 5. Jahrhundert in der Region siedelten, von Slawen, die ab dem 16. Jahrhundert allmählich germanisiert wurden, als die Provinz österreichisch wurde (1526), bzw. von deutschen Siedlen, die sich ab dieser Zeit in der Region niederließen. Schlesien wurde 1742 eine preußische Provinz. Die Ostpreußen sind die Nachkommen der Altpreußen – Balten, die unter der Herrschaft des Deutschen Ordens (1230-1561) germanisiert wurden – sowie deutscher Siedler, die sich seit dem Mittelalter dort niedergelassen hatten.
Die polnische Diaspora (oder Minderheit) in Deutschland umfasst etwa zwei Millionen Menschen, von denen 783.000 ausschließlich die polnische Staatsbürgerschaft besitzen (2016). Sie leben hauptsächlich im Ruhrgebiet (700.000), in Berlin (180.000) und in Hamburg (110.000). Vor dem Ersten Weltkrieg stellte eine starke polnische einheimische Bevölkerung die Mehrheit der Einwohner in den östlichen preußischen Provinzen Westpreußen (52% Polen im Jahr 1819), das durch die – gewaltsam erzwungene – Teilung Polens im Jahr 1773 preußisch wurde, und Posnanien (77% Polen im Jahr 1819), das 1815 preußisch wurde. Als Polen aus diesen beiden Provinzen im 19. Jahrhundert in die preußische Rheinprovinz zogen, waren sie de facto bereits preußische (und nach 1871 deutsche) Staatsbürger und wurden entsprechend als polnische nationale Minderheit in Preußen anerkannt. Später wurden diese beiden Provinzen logischerweise 1919 wieder polnisch, als Polen seine Unabhängigkeit wiedererlangte. Dennoch wurde die polnische Minderheit im Deutschen Reich weiterhin anerkannt, da sie in Ostpreußen, Pommern und Schlesien – alles Gebiete, die erst 1945 polnisch wurden – ein Teil der einheimischen Bevölkerung darstellten. Diese Anerkennung wurde am 7. September 1939 auf Beschluss von Adolf Hitler abgeschafft. Da seit 1945 alle Gebiete, in denen die Polen einheimisch waren, polnisch wurden, betrachten nun die deutschen Behörden die Menschen polnischer Herkunft als „gewöhnliche“ Einwanderer.