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Die „Westliga“: Letzte Stand-up-Komödie des rumänischen Schattenstaats

Lesezeit: 2 Minuten

Von Raoul Weiss

Rumänien – Während Paris brennt, wurde das Tagesgeschehen der letzten Wochen in Rumänien von einem zumindest von außen betrachtet seltsamen Thema beherrscht: Die Bürgermeister der vier größten Städte im Westen des Landes – Klausenburg (Kolozsvár/Cluj), die historische Hauptstadt Siebenbürgens, Temeswar (Temesvár/Timişoara), Hauptstadt des Banats, Arad und Großwardein (Nagyvárad/Oradea), die größten Städte des Süden dieses Teils der ungarischen Puszta, die sich, da sie seit 1918 zu Rumänien gehören, schließlich zu Siebenbürgen im weiteren Sinne integriert haben – kündigten die Gründung eines aus diesen Städten bestehenden „Westbündnisses“ an. Diese Art von Städtepartnerschaften ist in Westeuropa Gang und Gäbe, wo sie im Trend einer Rückkehr zum Stadtstaat ihren Platz finden, deren Wirklichkeit und Gefahren u.a. vom französischen Geographen Christophe Guilluy beschrieben wurden, doch für gewöhnlich im politischen Geschehen weitgehend unbemerkt bleiben. Die rumänische Presse hat sich hingegen in einer Stimmung frenetischer Paranoia des Themas bemächtigt, indem sie sogleich von einer „Abspaltung des Westens“ sprach und – noch seltsamer! – wurden jene offensichtlichen Übertreibungen von den Betroffenen nicht dementiert.

Es handelt sich in der Tat vor allem um einen Medien-Coup: in diesem ausgesprochen zentralisierten Staat verfügen die Gemeinden – im Verband oder nicht – nur über wenig Befugnisse und sogar die Realisierung großer Infrastrukturprojekte (Schnellgeschwindigkeitszüge usw.), die diese vier Bürgermeister erörtern, wird vor allem viel mehr von einem politischen Willen auf nationaler (und regionaler) Ebene abhängen, als von dieser nebulösen „Westliga“. In Wirklichkeit suchen diese vier Bürgermeister, die alle aus jener rumänischen „Rechte“ stammen, wie sie sich seit dem Untergang des Systems Băsescu selbst überlebt, offensichtlich eben die (übrigens kaum begründete) Befürchtung einer Abspaltung Siebenbürgens für den Fall aufkommen zu lassen, wo die Parlamentsmehrheit in Bukarest sich dafür entscheiden würde, den Stimmen der Zivilgesellschaft Gehör zu schenken, die immer zahlreicher zum „Roexit“ aufrufen – der Anschein eines lokalen Willens bedeckt nur spärlich eine rein nationale Agenda: diejenige des rumänischen Schattenstaats und dessen Willens, Rumänien im Rahmen des „euro-atlantischen Joches“ zu behalten.

Es können zwei Lehren aus dieser echten Fakenews gezogen werden:

1. Diese vier Bürgermeister sind (ethnische) Rumänen und Mitglieder von Parteien, die ihre Abneigung gegenüber den Autonomiebestrebungen der ungarischen Minderheit in Rumänien und dem populistischen Ungarn Viktor Orbáns keineswegs verbergen. Ich kann ihnen also nur danken, dass sie „mit kaum Verspätung“ die These bestätigen, die ich seit Monaten in meinen Editorialen verteidige: der „siebenbürgische Separatismus“ (bzw. zumindest das mediatische Hologramm, das diesen Namen trägt) ist keine Sache der Ungarn sondern der (ethnischen) Rumänen und wird vollkommen vom rumänischen Schattenstaat instrumentalisiert.

2. Indem er nunmehr zumindest aus diesem Blickwinkel mit offenen Karten spielt, erkennt der sogenannte Schattenstaat ipso facto die Niederlage seiner vorherigen Strategie, die darin bestand, mittels repressiver Provokationen den „ungarischen Irredentistismus“ wiederzubeleben; letztere zerschellte gegen die kollektive Intelligenz der Magyaren aus beiden Ländern und gegen die eiserne Disziplin der Partei der ungarischen Minderheit (RMDSZ/UDMR); vergeblich haben István Beke und Zoltán Szőcs Weihnachten im Gefängnis verbracht, vergeblich wurden Attila Dabis und ich ausgewiesen: die Täuschung hat nicht geklappt.

Die neue Variante der Show ist übrigens kaum überzeugender als die alte: wieviele Rumänen werden sich dieser Inszenierung eines Teils des Schattenstaats anschließen, der den pro-Brüssel Separatismus spielt, während ein anderes Teil (das Repressionsapparat) den Comprador-Jakobinismus (sprich nochmals pro Brüssel) spielt? Apriori nicht allzu viele. Weit entfernt davon an Terrain zu gewinnen, scheint der rumänische Schattenstaat derzeit im besten Fall dessen Kapitulation verhandeln, im schlimmsten Fall dessen Haut teuer verkaufen zu wollen.