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Die slowakische Präsidentenwahl… von Budapest und Bukarest aus betrachtet

Lesezeit: 4 Minuten

Von Raoul Weiss.

Slowakei – Nachdem der erste Wahlgang der slowakischen Präsidentschaftswahlen vom 16. März 2019 so deutlich von der euro-globalistischen Kandidatin Zuzana Čaputová – eine Art „Macron à la slowakisch“ mit LGBT-Agenda – dominiert wurde, könnte die Stichwahl zu einer bloßen Formalität werden. Entsprechend hat die Angelegenheit die Gemüter in Ungarn nur sehr gering erregt, und zwar aus mehreren Gründen:

Zuerst ist es in der Region üblich, die Slowakei als einen jungen und schwachen Staat zu betrachten, der von einer Außenpolitik des Abwartens und des Opportunismus gekennzeichnet wird – wie eine Kopie in kleinerem Format des nicht weit entfernten Rumäniens – das aufgrund seiner Größe sich theoretisch einen breiteren Spielraum leisten könnte, aber es nicht tut. Diese Einschätzung ist apriori soweit begründet, dass die Zukunft der V4 wahrscheinlich viel mehr vom Gleichgewicht zwischen Budapest, Prag und Warschau als vom slowakischen Zaudern abhängen wird.

Ferner war der bestplatzierte ungarische Kandidat derjenige der Partei Most/Híd (Brücke), die einerseits dem Fidesz abhold ist und andererseits ein ziemlich katastrophales Resultat eingefahren hat und sogar in den südlichen Gebieten mit starker ungarischen Bevölkerung von Frau Čaputová geschlagen wurde. Es ist somit für die ungarischen Eliten genauso schwierig, sich darüber zu freuen, dass das ethnische Wahlverhalten der Ungarn rückgängig sei, als es im umgekehrten Fall für sie schwierig gewesen wäre, sich über die guten Ergebnisse des Anführers der ungarischen Minderheit (Béla Bugár) zu freuen, der kein Freund von Viktor Orbán ist.

In Wirklichkeit sollte die Lektion dieser Wahl aus ungarischer Sicht deutlich sein: während sie von ethnischen Parteien bearbeitet werden, die sich im wesentlichen auf den Diskurs der Open Society und der „Minderheitenrechte“ im Hinblick auf eine glückliche Euro-Globalisierung fokussieren, könnten die ungarischen Minderheiten der Nachbarländer die Originalversion statt die Kopie bevorzugen; und das scheint in jedem Fall das zu sein, was ein Großteil der Ungarn in der Slowakei getan haben, indem sie ihre Stimmen lieber mit denen ihrer slowakischen Mitbürger in einem euro-liberalen Kult vermischten, statt sich an der ethnischen Disziplin um eine Partei zu halten, die sich damit begnügt, bloß „das gleiche auf Ungarisch“ anzubieten. Dieser Live-Test könnte und sollte den RMDSZ-Vorsitzenden Hunor Kelemen (ungarische Partei in Rumänien) und dessen neuen Lehnsherr Viktor Orbán zum Nachdenken bewegen und zu verstehen bringen, wozu der „ökumenische Transylvanismus“ führen kann, mit dem der liberale Flügel des RMDSZ unter dem Einfluss der ungarischsprachigen liberalen Eliten von Klausenburg (Kolozsvár) flirtet. Diese Parteien behaupten, eine „Brücke“ zwischen den Liberalen der ethnischen Mehrheit und der ungarischen Minderheit zu bauen, doch werden sie in Wirklichkeit zu Einbahnbrücken, die massiv und endgültig die ungarische Wählerschaft in die Parteien und Koalitionen der ethnischen Mehrheiten der jeweiligen infolge des Vertrags von Trianon entstandenen Staaten hinführen.

Auf ungarischer Seite hätten die Hardliner unter den Irrendentisten jedoch anscheinende Gründe, sich über die neulichen Entwicklungen in der Slowakei zu freuen, die den Graben zwischen einem urbanisierten an Ungarn angrenzenden Süden, der hinter Čaputová steht, und einem bergigen Norden tiefer schlagen, der sich wie in der Ukraine zu entwickeln scheint: die SMER muss sich in den eigenen Hochburgen mit der Hälfte des Ergebnisses von Čaputová begnügen, da diese Partei mit dem Russland-Freund Harabin und dem Neofaschisten Kotleba in Konkurrenz treten muss (deren Ergebnisse zusammenaddiert beinahe gleich hoch mit demjenigen des SMER-Kandidaten sind). Wie man also sieht, sind diese Gründe eben schlechte Gründe: die Schwächung der aus dem Vertrag von Trianon entstandenen Staaten führt derzeit eher dazu, ihre Grenzgebiete mit starker ungarischer Bevölkerung zu euro-globalistischen Hochburgen zu machen, die dem Ungarn des Fidesz genauso abhold sind wie dem Nationalismus der ethnischen Mehrheiten ihrer jeweiligen Staaten, während sie jenes erträumte – doch nicht wiederherstellte! – „Großungarn“ mit unstabilen Zonen umgeben, die das regionale Gleichgewicht gefährden. Stelle man sich bloß das Rumänien von 2020 mit Laura Kövesi als Präsidentin vor, die von einer vor allem siebenbürgischen Wählerschaft massiv gewählt worden wäre, während die Moldau und Oltenien weiterhin Hochburgen der PSD bleiben würden, das alles mit einem Parlament, wo auf ungarischer Seite bloß die Szekler Bezirke eine ethnische Vertretung behalten würden. In der Kategorie der schlimmsten Alpträume des Viktor Orbáns wird ein solches Szenario schon ziemlich hoch liegen, während der regionale Frieden zwischen den Volksgruppen daran nichts zu gewinnen hätte.

Das unterschiedliche Urnenglück der slowakischen SMER und der rumänischen PSD – zwei ansonsten ziemlich ähnliche Regierungsparteien – ruft einen Kommentar herbei. Während in Rumänien die Russland-Freunde (ähnlich dem Slowaken Harabin) und die Nostalgiker der Regimen der Vorkriegszeit (ähnlich wie Kotleba) eher dazu neigen,

  • eine gemeinsame Front der konstruktiven Opposition zu bilden, die die Linie Dragneas bevorzugt (der ihnen jedoch nur rhetorische Zugeständnisse gemacht hat), und
  • sich in den sozialen Netzwerken zurückzuziehen (da sie über keine repräsentative Partei verfügen und gerade die Kontrolle über România Liberă verloren haben, der einzigen Tageszeitung, die sie seit dem vergangen Sommer unterstützt hatte),

beobachtet man in der nördlichen Slowakei eher ein Szenario wie in der Ukraine: die ideologiefreie Verwaltungspartei SMER – ähnlich wie der Block Poroschenko im Nachbarland – scheint zwischen dem Amboss der Russland-Freunds Harabin und dem Hammer des Neo-Faschisten Kotleba zu geraten, die wiederum anscheinend miteinander und mit der SMER nicht kompatibel sind.

Um diesen Unterschied zu erklären, kann man zwar die Sprachbarriere erwähnen, die den russischen Einfluss – trotz der gemeinsamen Religion – südlich des Pruths weniger erfolgreich macht. Einmal mehr wird man auch die Nachhaltigkeit zweier tiefgrifenden kulturellen Tendenzen beobachten: die byzantinische Kultur des Konsens in Rumänien und die schleichende Konfliktualität der mittleren und nördlichen Slawen. Allerdings – denke man an die Wirkung von weniger sichtbaren und weniger orientalen Netzwerken als die russische Presse – darf man sich fragen, ob diese Pax Valahica nicht auch die Belohnung für eine bessere Gleichschaltung Bukarests mit… Washington sei.


Übersetzt von Visegrád Post.