Dieser Artikel ist am 31. März 2021 in der Magyar Nemzet erschienen.
Am Donnerstag findet in Budapest ein Treffen mit Orbán, Salvini und Morawiecki statt.
Am Donnerstag wird Viktor Orbán, Ungarns Ministerpräsident und Vorsitzender des Fidesz, zusammen mit dem polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki und dem italienischen Lega-Chef Matteo Salvini eine Charta vorstellen, die ihre gemeinsamen Werte und Ziele umreißt. In einer kürzlich abgegebenen Erklärung dementierte Salvini, dass der Zweck des Budapester Treffens darin bestünde, die gemeinsame Gründung einer neuen Parteigruppe zu verkünden. In jedem Fall werden Brüssel und die Führung der Europäischen Volkspartei (EVP) das Ergebnis dieser Dreiergespräche zur Neuordnung der europäischen Rechten sehr genau beobachten.
Am Donnerstag werden der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki und der Chef der italienischen Lega, Matteo Salvini, Budapest besuchen. Die rechten Tenöre kommen auf Einladung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, der auch Vorsitzender der ungarischen Regierungspartei Fidesz ist. Der Leiter der Pressestelle des ungarischen Ministerpräsidentenamts bestätigte gestern gegenüber der ungarischen Nachrichtenagentur MTI, dass das Thema einer politischen Allianz zwischen der polnischen PiS, der Lega und dem Fidesz auf europäischer Ebene auf der Tagesordnung ihres Treffens steht. Vor einigen Wochen verkündete Viktor Orbán in einem seiner regelmäßigen Freitags-Radiointerviews feierlich, dass ein solches Treffen unmittelbar bevorstehe, und erklärte beiläufig, wie schon bei vielen Gelegenheiten in der Vergangenheit, dass seine Partei mit Hilfe der Polen und Italiener eine Neuordnung der europäischen Rechten anstrebe. Bekanntlich hat der Fidesz erst vor zwei Wochen die EVP verlassen, nachdem sie zuvor ihre Fraktion im Europäischen Parlament (EP) verlassen hatte.
Europäische Identität
Von der Agentur MTI über das morgige Treffen befragt, verriet Matteo Salvini einige Details: Ihm zufolge bereitet er sich mit dem ungarischen und dem polnischen Premierminister darauf vor, den Neustart der Europäischen Union nach der Pandemie zu diskutieren und darüber, wie die europäische Identität neu gedacht werden kann.
„In Budapest werden wir uns auf unsere Visionen vom Europa der Zukunft einigen, von Arbeit, Wohlstand, Sicherheit, Identität, Familie, Bildung, Verteidigung, Migration, Außenpolitik, Gesundheitskooperation… wir werden uns mit dem realen Leben der Bürger beschäftigen“, sagte der Lega-Chef und fügte hinzu, dass er, Viktor Orbán und Mateusz Morawiecki auch eine Charta vorlegen wollen, die ihre gemeinsamen Werte und Ziele definiere.
Salvini nutzte die Gelegenheit, um zu dementieren, dass er sich darauf vorbereite, in Budapest die Gründung einer gemeinsamen Parteigruppe anzukündigen. Er sagte, er selbst bereite sich darauf vor, bald zu einer Tour durch Europa aufzubrechen, um das Thema mit potenziellen Verbündeten auf dem ganzen Kontinent zu besprechen. In einem Interview äußerte Katalin Novák, die für außenpolitische Fragen zuständige stellvertretende Vorsitzende des Fidesz, kürzlich die gleiche Idee: Unsere Zusammenarbeit mit der Lega und der PiS „bedeutet nicht unbedingt die Schaffung einer neuen Struktur oder einer neuen Fraktion in unmittelbarer Zukunft.“
Salvini und sein Traum von der Einheit
Die institutionellen Elemente werden sich daher noch einige Zeit verzögern, aber Matteo Salvini deutet in seiner gestrigen Erklärung einen außerordentlich ehrgeizigen Plan an: Sein Traum sei es, die Fraktionen Identität und Demokratie (ID) und Europäische Konservative und Reformisten (EKR) zu vereinen, um so eine Fraktion zu schaffen, die der Größe nach die zweitgrößte Kraft im EP wäre. Auf europäischer Ebene gehört die italienische Lega derzeit zur Franktion „Identität und Demokratie“, während die polnische Regierungspartei bei den Parteien der EKR-Fraktion angesiedelt ist. Allerdings wird es nicht einfach sein, die Bruchlinien zwischen diesen beiden Fraktionen zu glätten. Wie Magyar Nemzet in der Vergangenheit festgestellt hat, gibt es politisch keine großen Meinungsverschiedenheiten zwischen Fidesz, Lega und PiS, so dass sie als Bündnis funktionieren könnten. Andererseits gehören diesen beiden Fraktionen – so hochrangige Regierungsquellen – und zwar sowohl Identität und Demokratie als EKR – manche Parteien an, die, obwohl strategisch wichtig, Gegenstand von Debatten auch innerhalb der Rechten sind.
„Was einige dieser Parteien betrifft, so ist die Tatsache, dass sie verschiedenen europäischen Fraktionen angehören, kein Zufall“, kommentierte diese gut informierte Quelle, die auch nicht ausschließt, dass das Rechtsbündnis, das unter Beteiligung des Fidesz entstehen könnte, mittelfristig zu einem Verbündeten der Mitte-Rechts-EVP werden könnte.
Die Probleme der EVP sind noch lange nicht vorbei
Nach unseren Informationen aus dem Europaparlament ist es daher ziemlich klar, dass auch die EVP – die der FIDESZ gerade verlassen hat – ihre Augen auf das Treffen am Donnerstag und auf den Inhalt dieser gemeinsamen Charta des Rechtsblocks, die gerade definiert wird, gerichtet haben wird. Im Lichte der obigen Überlegungen kann man sich in der Tat fragen, inwieweit die Gruppierungen, die die EVP in Richtung Mitte-Rechts drängen, innerhalb dieser Fraktion in der Lage sein werden, das Sagen zu behalten. Dieses Problem stand auch kürzlich beim Treffen in Wien zwischen dem österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz, dem Bulgaren Bojko Borissow, dem Slowenen Janez Janša und dem tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babiš auf der Tagesordnung – das Trio Kurz-Borissow-Janša ist Teil der EVP. Als die österreichische Tageszeitung Der Standard diese nationalen EVP-Führer um eine Stellungnahme zu dem Rechtsbündnis bat, das mit Viktor Orbáns Namen verbunden werden sollte, antworteten die bulgarische und die österreichische Partei mit einer Ablehnung des Projekts, während Janša sich einer Antwort enthielt. Im Europaparlament, das von einer linksliberalen Mehrheit dominiert wird, werden die Angriffe auf den slowenischen Regierungschef immer heftiger, und – wie schon früher, als es die ungarische Regierungspartei war, die Opfer solcher Angriffe wurde – schaut die EVP diesem Spektakel schweigend zu. (Wie die Magyar Nemzet und andere berichteten, hat der Ausschuss für Bürgerrechte am vergangenen Freitag im Europaparlament Janša nicht erlaubt, ein Video über die Situation der Medien in Slowenien zu zeigen – und zog es vor, die Sitzung zu verlassen). Wie von verschiedenen konservativen Quellen in der Vergangenheit vorausgesagt, bedeutet die Liquidierung der „Akte Fidesz“ keineswegs, dass die Schwierigkeiten der EVP vorbei sind: Sobald die Ungarn aus dem Weg sind, werden sich andere Mitgliedsparteien im Fadenkreuz der komplizenhaften Kräfte der liberalen Linken wiederfinden.
Tamara Judi (Brüssel)
Von der Visegrád Post aus dem Ungarischen übersetzt.