Dieser Artikel ist am 25. Juni 2021 in der Magyar Nemzet erschienen.
Wie die Magyar Nemzet und andere Nachrichtenagenturen bereits berichtet haben, hat das Europaparlament (EP) am Donnerstag mit knapper Mehrheit den Matić-Bericht über sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte in der Union angenommen. Das fast vierzigseitige Dokument hat in der konservativen Hälfte der Kammer hohe Wellen geschlagen. Es spricht unter anderem von Abtreibung als Grundrecht oder fordert eine gründliche, vorurteilsfreie Sexualerziehung bereits in der Grundschule – was das Recht der Eltern verletzt, das letzte Wort darüber zu haben, wie ihre Kinder erzogen werden.
Aber die größte Sorge, die dieser Bericht aufwirft, ist, dass die betroffenen Bereiche ausschließlich nationale Vorrechte sind: Obwohl die EU keine Zuständigkeit für sexuelle Gesundheit und Erziehung oder für die Regulierung von Fortpflanzung und Abtreibung hat, schlägt der soeben vom Europaparlament angenommene Bericht dennoch vor, diese Themen unter EU-Kontrolle zu stellen.
– „In Ungarn, wo wir eine offen lebensbejahende und zukunftsorientierte Politik betreiben, widerspricht dieser Bericht sogar der Verfassung. Und Ungarn ist damit nicht allein: Der Bericht ignoriert souverän die Vielfalt der verfassungsrechtlichen und moralischen Traditionen der Mitgliedsstaaten. Er greift ernsthaft in die nationalen Vorrechte ein“ – so György Hölvényi, ungarischer Europaabgeordneter der Partei KDNP, gegenüber Magyar Nemzet, der auch erklärte, dass es äußerst bedauerlich sei, dass das Europaparlament sich inmitten einer Pandemie dazu entschlossen habe, die Glut einer ideologischen Debatte anzufachen, die die europäische Gesellschaft spaltet. Er fügte hinzu, dass er bei der Abstimmung im Europaparlament gegen den Matić-Bericht und für die Achtung der nationalen Vorrechte gestimmt habe.
In Ungarn ist die KDNP der Koalitions- und Regierungspartner des Fidesz, deren parlamentarische Delegation im Europaparlament nach der Abstimmung eine Erklärung abgab, in der sie beklagte, dass „die europäische Linke wieder einmal die Verträge der Union mit Füßen tritt“. In dem Kommuniqué heißt es, dass die Unterzeichner jeden politischen Versuch entschieden zurückweisen, das Handeln des Europaparlaments über den Rahmen der ihm durch die Verträge der Union garantierten Vorrechte hinaus zu führen.
Der kroatische linke Europaabgeordnete, der den Bericht verfasst hat, begrüßte das Ergebnis der Abstimmung am Donnerstagabend mit den Worten: „Wir haben es geschafft!“. – „Unter der Ägide der Unionsflagge – schreibt Predrag Fred Matić – muss jeder Zugang zu Verhütung, Abtreibung, Fruchtbarkeitsbehandlungen sowie anderen Gesundheitsdienstleistungen haben.“
Tamara Judi (Brüssel)
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Von der Visegrád Post aus dem Ungarischen übersetzt.