Polen – Während weißrussische Grenzschützer die Migranten – vor allem Iraker, aber auch Afghanen –, die Litauen nicht mehr auf sein Hoheitsgebiet hereinlassen will, an die polnische und lettische Grenze treiben, und die Regierung von Mateusz Morawiecki – von der polnischen Öffentlichkeit unterstützt – dem Beispiel Litauens folgt, plädiert eine heterogene Koalition aus katholischer Kirche, Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), UNO und sogar den feministischen Extremisten des sog. „Frauenstreiks“ (Strajk Kobiet) dafür, die polnische Grenze für die im Niemandsland gestrandeten Migranten zu öffnen.
„Gastfreundschaft gegenüber Fremden ist eines der wichtigsten Merkmale unseres Glaubens“
Am Montag, den 23. August, hat die polnische Bischofskonferenz bezüglich der Migranten aus Weißrussland Stellung bezogen und die Schließung der Grenze kritisiert: „Gastfreundschaft gegenüber Ausländern ist eine der Grundlagen unseres Glaubens“, erklärte Mgr. Krzysztof Zadarko, Weihbischof von Köslin-Kolberg (Pommern) – im Widerspruch zur polnischen öffentlichen Meinung –, „Ressentiments und Feindseligkeit gegenüber Neuankömmlingen zu schüren, die sich in einer dramatischen Situation befinden, ist ein unwürdiger Akt“, wobei er jedoch eine „verständliche Sorge um unsere eigenen Bürger“ anerkennt.
„Gleichgültigkeit ist keine authentisch christliche Haltung [… wir müssen] denen helfen, die in Not sind, und den Auftrag des barmherzigen Samariters übernehmen […] wir sind sicher, dass die für die Achtung der Gesetze Verantwortlichen die internationalen Verpflichtungen gegenüber den Schutzbedürftigen voll und ganz einhalten werden.
[…] Anderen Angst einzujagen ist unmenschlich und antichristlich. Unsere Vorfahren waren Emigranten und Flüchtlinge während der Teilungen, während des Zweiten Weltkriegs und während der Zeit des Kommunismus. Sie profitierten von der Hilfe von Menschen aus anderen Kulturen und Religionen. Wer Neuankömmlingen ihre Grundrechte verweigert, wendet sich von seiner eigenen Geschichte ab und verleugnet unser christliches Erbe.“
EGMR: Polen muss Migranten helfen – aber Minsk weigert sich
Zwei Tage später, am Mittwoch, den 25. August, forderte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Polen und Lettland ganz offiziell auf,
„Nahrung, Wasser, Kleidung, angemessene medizinische Versorgung und, wenn möglich, eine vorübergehende Unterkunft“
für diese Migranten bereitzustellen, die seit mehr als zwei Wochen auf weißrussischem Gebiet von polnischen oder lettischen Grenzschutzbeamten einerseits und weißrussischen andererseits blockiert werden, wobei jedoch anerkannt wird, dass nichts „Polen oder Lettland dazu verpflichtet, die Antragsteller in ihr Hoheitsgebiet einreisen zu lassen“. Unter diesem Gesichtspunkt haben sich die polnischen Behörden bereit erklärt, einer Gruppe von 32 Migranten auf weißrussischem Gebiet in der Nähe des polnischen Dorfes Usnarz Gorny (Woiwodschaft Podlachien – Nordwestpolen) Hilfe zu leisten, argumentieren allerdings, wie der stellvertretende Innenminister Maciej Wąsik auf Twitter erklärte, dass es die weißrussischen Behörden seien, die dies verweigerten. Weißrussland ist kein Unterzeichner der Europäischen Menschenrechtskonvention, so dass die Empfehlungen des EGMR für das Land nicht gelten.
„Die Staaten müssen das Recht respektieren, Asyl beantragen zu dürfen“
Am Donnerstag forderte die Vertreterin des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) in Polen, Christine Goyer, „die polnischen Behörden auf,
Zugang zum Hoheitsgebiet, sofortige medizinische Hilfe, Rechtsberatung und psychologische Unterstützung für diese Menschen zu gewährleisten […] Die Staaten haben das legitime Recht, ihre Grenzen im Einklang mit dem Völkerrecht zu verwalten, [aber] sie müssen auch die Menschenrechte respektieren, einschließlich des Rechts, Asyl beantragen zu dürfen.
Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki antwortete, dass die Flüchtlinge gegebenenfalls wohl in Weißrussland Asyl beantragen könnten.
Marta Lempart prangert „die Grausamkeit des polnischen Systems“ an
Dabei erhielten die afghanischen und irakischen Migranten auch die Unterstützung der polnischen extremen Linken, einschließlich der bekannten radikalen feministischen Bewegung „Frauenstreik“ der Aktivistin Marta Lempart, die vor Ort war und anprangerte, dass
„die PiS-Regierung [die Migranten] in einem Zustand extremer Erschöpfung hält und sie von jeglicher Hilfe abschneidet.“
Die öffentliche Meinung unterstützt die Maßnahmen der Regierung
Laut einer kürzlich vom Institut IBRS für Polsat News durchgeführten Umfrage, die vom Portal Notes from Poland zitiert wird, sind 55% der Polen gegen die Aufnahme dieser Migrantengruppen in Polen, während 38% die gegenteilige Meinung vertreten. Ebenso befürworten 47% (gegenüber 44%) den Plan der polnischen Regierung, an der weißrussischen Grenze einen 2,50 Meter hohen Zaun gegen Migranten zu errichten, wie es Litauen auf seiner Seite bereits unternommen hat und wie es Ungarn vor einigen Jahren an seiner Südgrenze getan hat.