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Vergangenheitsbewältigung nach slowakischer Art

Die Magyar Nemzet ist die größte Tageszeitung Ungarns. Die 1938 gegründete Magyar Nemzet (dt. Ungarische Nation) ist eine führende Zeitung der Konservativen und steht der Regierung von Viktor Orbán nahe.

Lesezeit: 4 Minuten

Dieser Artikel ist am 26. September 2021 in der Magyar Nemzet erschienen.

Haben Sie gehört, dass die slowakische Regierung um Verzeihung für die Beneš-Dekrete gebeten hätte, deren schändliche Bestimmungen die Grundrechte und die Freiheit der Bürger ungarischer Herkunft beschnitten, und ihr aufrichtiges Bedauern für die unschuldigen Opfer dieser Tragödie zum Ausdruck gebracht hätte? Wenn ja, dann haben Sie fast richtig gehört.

Die Bitte um Vergebung erfolgte öffentlich und unter Verwendung der genannten Ausdrücke, da die Regierung der Slowakischen Republik es als moralische Verpflichtung ansah, öffentlich ihr Bedauern für die von den slowakischen Behörden begangenen Verfehlungen zum Ausdruck zu bringen. Allerdings handelte es sich bei den erwähnten Missetaten (natürlich – wie man hinzufügen könnte) nicht um die Beneš-Dekrete, sondern um den vor achtzig Jahren erlassenen Judenkodex (Codex Judaicus auf Lateinisch, Židovský kódex auf Slowakisch), der die Juden aufgrund ihrer „rassischen“ Zugehörigkeit ihrer Rechte als Menschen und Bürger beraubte und sie von der Kultur und der Teilnahme an der Zivilgesellschaft ausschloss. Genau das, was sie vier Jahre später den ethnischen Ungarn (und Deutschen) antun sollten – zu einem Zeitpunkt, als die Tragödie der Juden bereits bekannt war.

Mehr noch: Der Versuch der ethnischen Säuberung durch die Beneš-Dekrete entsprach nicht (übereifrig) den ideologischen Erwartungen eines Reiches, wie es die Entscheidungen des slowakischen Marionettenstaates unter Tiso zur Zeit der Judengesetze waren. Im Gegenteil: 1945 gaben die Großmächte auf ihrer Tagung in Potsdam der Tschechoslowakei trotz ihres Drängens kein grünes Licht für die einseitige Vertreibung der Ungarn aus der Slowakei, sondern allenfalls für einen Bevölkerungsaustausch zwischen Ungarn und der Tschechoslowakei. Dieser Misserfolg wurde durch Deportationen in Arbeitslager im Sudetenland kompensiert, während den verbliebenen Ungarn der Gebrauch ihrer Muttersprache verboten und ihre Schulen beschlagnahmt wurden.

Legt man den hohen moralischen Maßstab der Erklärung der slowakischen Regierung im Fall des Judenkodex an, so ist man berechtigt, all dies – in der Sprache der Erklärung – als Missetat zu bezeichnen, wie es der Präsident des ungarischen Parlaments, László Kövér, kürzlich bei der Enthüllung des Denkmals in Somorja [dt. Sommerein, einer kleinen Stadt auf slowakischem Gebiet, die heute Šamorín heißt – AdÜ.] zum Gedenken an die durch die Beneš-Dekrete vertriebenen Ungarn und Deutschen: „Was zwischen 1945 und 1947 an der ungarischen Gemeinschaft in Oberungarn begangen wurde, war eine Sünde nach der Gerechtigkeit Gottes und der Menschen.“ Diese Entrechtung, Demütigung und Vertreibung aus der Heimat bleibt bis heute eine unvollendete Geschichte in unserer Erinnerung und eine offene Wunde in unserer Seele. Der gemeinsame christliche Glaube der Ungarn und Slowaken, das gemeinsame Schicksal der Völker Mitteleuropas und die gemeinsamen Interessen unserer Staaten verlangen von uns allen, dass wir uns bemühen, im 21. Jahrhundert die offenen Wunden zu heilen, die unsere Geschichte im Laufe des 20. hinterlassen hat.

Doch trotz dieses gemeinsamen Glaubens, des gemeinsamen Schicksals und der gemeinsamen Interessen ist bisher die politische Klasse der Slowakei noch immer nicht in der Lage, die einfachen, aber klaren Worte zu sagen, die sie im Fall der deportierten Juden zu sagen sollen glaubte. Im Gegenteil reagierte der Chef der slowakischen Diplomatie mit äußerster Nervosität auf die kaum als provokant zu bezeichnenden Worte des ungarischen Parlamentspräsidenten, der gesagt hatte: „Mit ruhiger, aber entschlossener Geduld erwarten wir – im Interesse des friedlichen Zusammenlebens der uns nachfolgenden Generationen – eine Entschuldigung und eine Geste der Wiedergutmachung für die an den Ungarn begangenen Verbrechen.“

Der Außenminister der slowakischen Regierung, Ivan Korčok, verurteilte scharf die Tatsache, dass ein führender ungarischer Würdenträger „in die Slowakei kommt, um seine eigene Lesart der Geschichte zu präsentieren“, und brachte seine Enttäuschung darüber zum Ausdruck, dass „Budapest uns ständig Botschaften schickt und uns ständig Lektionen über unsere gemeinsame Geschichte erteilt“. Bratislava seinerseits habe dieses Kapitel der Geschichte abgeschlossen, so dass es nur dazu diene, „negative Gefühle zu wecken“, wenn Vertreter des ungarischen Staates in der Öffentlichkeit Themen ansprechen, „die uns in die Vergangenheit der Tragödien des 20. Jahrhunderts versetzen“. Und der mitteleuropäische Bürger fragte sich verblüfft, ob dieser slowakische Würdenträger es wagen würde, in einem solchen Ton über die Einweihung eines Ghetto-Denkmals zu sprechen…

Korčok erhielt auf seine Worte eine herzliche Antwort von Krisztián Forró, dem Vorsitzenden der Partei der ungarischen Gemeinschaft (ung. Magyar Közösség Pártja, MKP) von Oberungarn (ein Ausdruck, den Korčok mit besonderer Verärgerung zurückwies). Forró sagte, dass es nicht möglich sei, dieses Kapitel der Geschichte einseitig zu schließen, denn „der Schatten der Kollektivschuld hängt auch über unseren Kindern“. Die Vergangenheit müsse aufgearbeitet werden, aber nicht, indem man die Fragen, die die Menschen wütend machen, unter den Teppich kehre. Allerdings – so Péter Őry, Mitglied des Vorstands der MKP – wirke die Erwähnung ungelöster Probleme und jede Äußerung, die gegen den Willen getätigt wird, diese Probleme zum Schweigen zu bringen, auch im Jahr 2021 noch wie eine Provokation für die slowakische politische Elite.

Nach Ansicht von György Gyimesi, einem ungarischstämmigen Abgeordneten der größten slowakischen Regierungspartei (OľaNO), würden wir Ungarn eine moralische Wiedergutmachung in Betracht ziehen, wie sie die Juden – oder auch die Deutschen – erhalten haben, die das slowakische Parlament in Form einer Entschließung um Vergebung gebeten hat. Nach Ansicht des oberungarischen Journalisten Norbert Hegedűs ist eine solche Entschuldigung bei den deportierten Ungarn längst überfällig: Es wäre eine wichtige Geste, und sie würde keinen Cent kosten. Die Tatsache, dass das slowakische Parlament seit 1993 nicht in der Lage war, dies zu tun, zeigt nichts anderes als die Kleinlichkeit der slowakischen herrschenden Klasse. László Bukovszky, der Minderheitenbeauftragte der slowakischen Regierung, vertritt die Ansicht, dass die ungarische und die slowakische Regierung eine gemeinsame Erklärung zur Versöhnung der beiden Nationen verabschieden sollten – etwas, das sie seit mehr als zwei Jahrzehnten aufschieben. „Diese Frage“, fügte er hinzu, „sollte den Fachleuten überlassen werden. Überlassen wir den Historikern das Wort.

Dies ist jedoch eine historische Tatsache: Am 15. Mai 1942 wurde im Parlament von Bratislava (Preßburg) das Gesetz zur Deportation der Juden aus der Slowakei mit nahezu einstimmiger Mehrheit angenommen. Nur ein Abgeordneter stimmte dagegen: Graf János Esterházy, Vertreter der ungarischen Minderheit, der sagte: „Als christlicher Ungar und als Katholik halte ich diesen Vorschlag für unvereinbar mit den Gesetzen Gottes und des Menschen.“ Dieser Mann, der es als seine persönliche Pflicht ansah, den Kudenkodex abzulehnen – nicht achtzig Jahre später, sondern am Tag seiner Verabschiedung –, wird vom slowakischen Staat immer noch offiziell als Kriegsverbrecher betrachtet… Das ist der Status quaestionis, von dem aus die Fachleute sprechen sollten.

István Krómer
Journalist

Von der Visegrád Post aus dem Ungarischen übersetzt.