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Wolodymyr Selenskyj und Viktor Orbán nehmen den Dialog zwischen Kiew und Budapest wieder auf

Lesezeit: 3 Minuten

Ukraine/Ungarn – Der beste Weg, eine gemeinsame Basis zu finden, besteht oft darin, einfach miteinander zu reden. Dies war wahrscheinlich der Grund, warum der ukrainische Präsident nach Monaten des Zerwürfnisses zwischen Kiew und Budapest am Dienstag, den 21. Juni, den ungarischen Ministerpräsidenten anrief, um den Dialog wieder aufzunehmen.

Europäische Integration, Flüchtlinge und Zusammenarbeit

Laut Presseerklärungen des stellvertretenden Staatssekretärs im Pressebüro des ungarischen Ministerpräsidenten, Bertalan Havasi, sprachen die beiden Staatsmänner über die europäische Integration der Ukraine, die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge und die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern in anderen Bereichen.

So bot dieses Gespräch Viktor Orbán die Gelegenheit, die Unterstützung Ungarns für die Gewährung an die Ukraine des Kandidatenstatus für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union zu bekräftigen,

daran zu erinnern, dass Ungarn nicht weniger als 800.000 ukrainische Flüchtlinge aufgenommen hat und dass die Regierung in Budapest bereit ist, die Zusammenarbeit mit Kiew fortzusetzen, insbesondere im Energiebereich bzw. beim Export von ukrainischem Getreide – da die Schwarzmeerhäfen aufgrund des Krieges derzeit blockiert sind und Ungarn ein Nachbar der Ukraine ist.

„Ein fruchtbares Gespräch“

Wolodymyr Selenskyj dankte seinerseits dem ungarischen Volk für seine Hilfe für die Ukrainer und lobte sein fruchtbares Gespräch mit Viktor Orbán :

Ich hatte ein fruchtbares Gespräch mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. [Ich] dankte ihm für seine Unterstützung der ukrainischen Souveränität und für die Aufnahme von Ukrainern, die vor dem Krieg [flüchteten].

[Wir haben] vereinbart, die Zusammenarbeit im Energiebereich auszubauen. [Ich habe] meine Dankbarkeit für die Unterstützung des Kandidatenstatus der Ukraine zum Ausdruck gebracht. [Ich] habe ihn eingeladen, in die Ukraine zu kommen.“

Bisher hat das Ministerpräsidentenamt noch nicht mitgeteilt, ob und wann Viktor Orbán auf die Einladung von Wolodymyr Selenskyj, nach Kiew zu reisen, positiv reagieren wird.

Änderung der Haltung Kiews

Während die internationale Hilfe für die Ukraine versiegt, Deutschland die versprochene militärische Ausrüstung nur zögerlich liefert und selbst US-Präsident Joe Biden erklärte, dass die Ukraine nach dem Ende des Konflikts wahrscheinlich auf große Teile ihres Staatsgebiets verzichten müsse, scheinen die ukrainischen Behörden auch ihre strategische Positionierung zu ändern, zumindest gegenüber ihrem ungarischen Nachbarn. Zu Beginn des Konflikts erregten die Stellungnahmen der ungarischen Regierung den Zorn Selenskyjs, der nicht zögerte, mit dem Finger auf Viktor Orbán zu zeigen, während Ungarn in internationalen Foren von der Ukraine trotz der Hilfe für ihre Flüchtlinge nie gedankt wurde. Dies führte sogar zu einem scharfen Schlagabtausch zwischen hochrangigen ungarischen und ukrainischen Beamten.

Viktor Orbán, der sich mitten im Wahlkampf befand, machte deutlich, dass er „Sicherheit und Frieden“ für Ungarn wählte, was bedeutete, dass er sich nicht einmal indirekt am russisch-ukrainischen Konflikt beteiligen würde – daher auch die Weigerung, Waffen zu liefern, die er nach eigener Aussage auch nicht hatte, da die ungarische Armee unterausgerüstet sei. Vor allem aber war es die strikte Verteidigung der nationalen Energieinteressen, die Ungarn erneut auf die Anklagebank auf europäischer, oder besser gesagt, auf westlicher Ebene brachte.

Um die ungarische Wirtschaft in Zeiten einer großen Wirtschaftskrise – die Inflation erreichte bereits Rekordhöhen – zu schützen, blockierte Viktor Orbán alle Öl- und Gaspläne der EU, bis er eine Ausnahmeregelung für Ungarn hatte, das seit langem von russischen fossilen Brennstoffen abhängig ist.

Als neues Mitglied der progressiven ALDE-Fraktion auf europäischer Ebene – und damit als politischer Verbündeter Emmanuel Macrons – schoß Wolodymyr Selenskyjs Partei zunächst auf den ungarischen Krankenwagen. War dies eine Strategie der Gefälligkeit gegenüber ihren westlichen Verbündeten, die schnell bereit waren, den schwarzen Mann Orbán zu verunglimpfen, um Gunst zu gewinnen und ein Zeichen der Europäizität zu setzen? Wie dem auch sei, die Strategie „Ungarn zuerst“ hat sich für Viktor Orbán nicht nur bei den Wahlen Anfang April ausgezahlt, sondern scheint heute auch im Dialog mit der Ukraine Früchte zu tragen. Nachdem Viktor Orbán bei der Verteidigung seiner nationalen Interessen standhaft geblieben war, scheint er nun zu Beginn des Sommers im schwierigen Dialog mit seinem östlichen Nachbarn die Früchte zu ernten.