Skip to content Skip to sidebar Skip to footer

Nationalbankpräsident: „Ungarn befindet sich in einer krisenähnlichen Situation“

Lesezeit: 2 Minuten

Ungarn – Der grüne Abgeordnete Bence Tordai (Párbeszéd) veröffentlichte am Montag, den 5. Dezember, auf seinem Facebook-Account einige Zitate aus den Worten des Präsidenten der Ungarischen Nationalbank vor dem Wirtschaftsausschuss.

Und das Mindeste, was man sagen kann, ist, dass György Matolcsy wie üblich kein Blatt vor den Mund nimmt und – obwohl er selbst Mitglied des Fidesz ist – die Regierung von Viktor Orbán nicht mit Samthandschuhen anfasst.

Nächstes Jahr wird die Inflation 15-18% betragen“

Matolcsy, der auch Wirtschaftsminister (2010-2013) war, sagte, Ungarn sei nicht nur

das viert- oder fünftgefährdetste Land der Welt

in wirtschaftlicher Hinsicht, sondern auch „das vierte in der Europäischen Union“, wenn es um niedrige Produktivität geht. Matolcsy setzt noch einen drauf und erklärt, dass die ungarische Wirtschaft

das zweithöchste Zwillingsdefizit [Staats- und Leistungsbilanzdefizit zugleich, AdR.] nach Rumänien [in der EU aufweist]; nächstes Jahr wird es das höchste sein – das ist das Niveau, das wir verurteilt haben, als wir in der Opposition waren“,

als Ferenc Gyurcsány und später Gordon Bajnai an der Macht waren.

Der Zentralbankpräsident sagt außerdem voraus, dass „die Inflation im nächsten Jahr 15-18% betragen wird“, weil die Preise für Energie und Lebensmittel explodieren, und erklärt, dass letzteres vor allem darauf zurückzuführen ist, dass „Ungarn nach Bulgarien die zweitniedrigste landwirtschaftliche Produktivität in der EU“ habe, obwohl Ungarn ein Agrarland ist.

Seine Feststellung ist fast schon kompromisslos:

Wir sind in vielerlei Hinsicht aufgrund unserer eigenen Entscheidungen in Schwierigkeiten“,

denn „die Kohärenz der Wirtschaftspolitik zwischen der Regierung und der Zentralbank ist gestört worden – das ist kostspielig“. György Matolcsy meint: „Die Strategie der Regierung zur Krisenbewältigung ist schlecht. Die Preisobergrenzen verursachen einen Inflationsüberschuss von 3-4%, sie müssen sofort abgeschafft werden“, wobei er nebenbei feststellt, dass „Ungarn das einzige Land ist, das mehr Benzin und Diesel verbraucht als vor der Energiekrise“.

Laut Matolcsy,

können die Explosion der Energiepreise, die Inflationskrise […] nicht mit den Werkzeugen der Vergangenheit gelöst werden. Und es ist besser, nicht zum Sozialismus zurückzukehren. Preisobergrenzen und alle derartigen Lösungen, die gut klingen, haben sich im Sozialismus als unwirksam erwiesen: Das Regime ist zusammengebrochen“.

Er fasst zusammen: „Wir haben nach 2010 nicht die richtigen Entscheidungen getroffen, [und] nach 2021 hat die Regierung die falschen Entscheidungen getroffen“, was Investitionen in Energieeffizienz – dies würde 20 Billionen Forint (48 Milliarden Euro) erfordern – und die Unfähigkeit, die Landwirtschaft auf die Klimakrise vorzubereiten, betrifft.

Mihály Varga: „Alle Länder sind gezwungen, Maßnahmen zu ergreifen“

Eine solche Anklage von einer Persönlichkeit – von der man nicht behaupten kann, dass sie der linken Opposition nahesteht oder mit ihr zusammenarbeitet, und deren Kompetenz in Wirtschaftsfragen unbestritten ist – konnte nicht ohne Antwort seitens der Regierung bleiben. So erklärte Wirtschaftsminister Mihály Varga (seit 2013 Matolcsys Nachfolger in diesem Amt), ebenfalls auf Facebook:

Der Präsident der Zentralbank hat Recht, wenn er sagt, dass es ein Problem gibt, aber dieses Problem betrifft alle: Die hohen Energiepreise ziehen die Volkswirtschaften in ganz Europa in die Rezession.

Alle Länder sind gezwungen, Maßnahmen zu ergreifen, auch Ungarn. Dank der Reaktion auf die Krise ist das Wirtschaftswachstum bislang hoch geblieben (4,1 % im dritten Quartal, das siebthöchste in der EU) und [das Niveau] der Beschäftigung ist hoch (4,7 Millionen Menschen haben einen Job, die Arbeitslosigkeit bleibt unter 4 %).“

Varga fassste mit einer positiven Note zusammen:

Es ist möglich, auf den Errungenschaften der letzten Jahre aufzubauen“.