KOMMENTAR
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In dem Versuch, die schlechten Leistungen der russischen Armee auf dem Schlachtfeld zu kompensieren, beschloss Russland am 10. Oktober 2022, den Krieg in der Ukraine zu eskalieren, indem es eine erste Welle von Raketen- und Drohnenangriffen auf die Wärme-, Strom- und Telekommunikationsnetze der Ukraine startete. Am 12. Dezember starteten die Russen ihre 7. Welle von Luftangriffen, die die Stadt Odessa in eine besonders schwierige Lage brachten. Die russischen Raketenangriffe auf kritische Infrastrukturen zielen nicht nur darauf ab, die militärischen Operationen der Ukraine zu stören und Panik in der ukrainischen Bevölkerung zu schüren, sondern auch darauf, möglichst viele zivile Ukrainer davon zu überzeugen, vor dem zweifellos langen und schwierigen Winter aus dem Land zu fliehen.
Der Leiter des ukrainischen Präsidialamtes, Andrij Jermak, ging sogar so weit, die russische Strategie als einen Versuch des „Cholodomor“ (Völkermord durch Erfrieren) zu bezeichnen.
Die Russen hoffen, dass ihre Raketenangriffe Millionen von Ukrainern zur Flucht in den Westen zwingen und dass die Ankunft dieser Migranten der Tropfen ist, der das Fass zum Überlaufen bringt. Die Energiepreise sind nach der russischen Invasion erheblich gestiegen, und große Teile der westlichen Welt haben mit Inflation und einer drohenden Rezession zu kämpfen.
Putin hofft, dass eine Situation, in der die europäischen Steuerzahler für die Kosten von Millionen neuer ukrainischer Flüchtlinge aufkommen müssen, die Bereitschaft Europas, der Ukraine weiterhin humanitäre, finanzielle und vor allem militärische Hilfe zu leisten, brechen wird.
Umgang mit weiterer Flüchtlingswelle
Polnische Staatsvertreter wie Parlamentspräsidentin Elżbieta Witek haben erklärt, Polen sei auf eine weitere Welle ukrainischer Flüchtlinge vorbereitet. Obwohl Polen pro Kopf mehr als dreimal so viele Flüchtlinge aufgenommen hat wie Deutschland während der europäischen Migrationskrise 2015, kam es in Polen nicht zu sozialen Verwerfungen im Zusammenhang mit den massiven Bevölkerungsströmen.
Viele Polen haben allerdings das Gefühl, dass ihre Opfer und ihre harte Arbeit von den verbündeten Staaten im Westen nicht voll gewürdigt wurden. Im Vergleich zu den 6 Milliarden Euro, die die Türkei im Rahmen des Flüchtlingsabkommens zwischen der EU und der Türkei 2016 erhalten hat, hat Polen für die Unterbringung von rund 1,5 Millionen Flüchtlingen in einem Land mit 38 Millionen Einwohnern nur ein paar Almosen erhalten.
Erschwerend kommt hinzu, dass Brüssel in einem Moment der Not, in dem die Kosten für die langfristige Unterbringung von Flüchtlingen steigen und gleichzeitig die Militärausgaben erhöht werden müssen, nachdem Russland sein wahres Gesicht gezeigt hat, beschlossen hat, Polens EU-Gelder zurückzuhalten, nachdem es Behauptungen aufgestellt hat, dass Polen sich nicht an die Rechtsstaatlichkeit halte. Unabhängig von den Konflikten zwischen Warschau und Brüssel ist dies nicht der richtige Zeitpunkt, um Polen finanziell zu schwächen, da das Land in der Konfrontation mit dem imperialistischen Russland die Rolle des wichtigsten Frontstaates der EU spielt.
Heilige Kühe
Eine der europäischen Führungspersönlichkeiten, die den Einmarsch Russlands in die Ukraine möglich gemacht haben, ist die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ihre verhängnisvolle Entscheidung, den Bau von Nord Stream 2 auch nach der Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 voranzutreiben, wird für immer als einer der größten politischen Fehler unserer Zeit in Erinnerung bleiben.
Trotzdem und trotz ihrer Rolle bei der Destabilisierung ihres Landes und Europas, indem sie 2015 die Türen für die Masseneinwanderung aufstieß, wird sie von den globalen Eliten immer noch gelobt.
Am 23. August 2022 beschloss die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO), Angela Merkel für „ihre Bemühungen um die Aufnahme von Flüchtlingen“ im Sommer 2015 mit dem Friedenspreis 2022 auszuzeichnen.
Die Mitglieder der Jury des Félix Houphouët-Boigny-Friedenspreises der UNESCO erklärten, sie seien „berührt von ihrer mutigen Entscheidung im Jahr 2015, mehr als 1,2 Millionen Flüchtlinge aufzunehmen“, vor allem aus Syrien, Irak, Afghanistan und Eritrea.
Die Entscheidung der Jury ist ein weiteres Beispiel dafür, wie falsch internationale Organisationen und Vertreter dessen, was man als internationalen liberalen Mainstream-Konsens bezeichnen kann, die Migrationspolitik in der EU einschätzen.
Es ist kein Zufall, dass die Jury Angela Merkel dem polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki vorzog, dessen Land derzeit rund 1,5 Millionen ukrainische Flüchtlinge gerade beherbergt.
Die Eliten in der gesamten westlichen Welt setzen sich nach wie vor für ein defektes Migrationsmodell ein, in dem junge männliche Wirtschaftsmigranten aus fernen Kulturen, die die EU-Außengrenze illegal überqueren, als ebenso legitime Migranten angesehen werden wie ukrainische Frauen und Kinder, die aus einem aktiven Kriegsgebiet fliehen.
Diese unterschiedlichen Asylmodelle lassen sich anhand der Ansätze der beiden mitteleuropäischen Nachbarländer Polen und Deutschland darstellen.
Die Entscheidungen von Berlin im Jahr 2015 und Warschau im Jahr 2022 unterscheiden sich erheblich. Im Gegensatz zu Deutschland entschied sich Polen für die Aufnahme von Asylbewerbern aus der Region, die in das nächstgelegene sichere Land flüchteten.
Im Gegensatz dazu hat Deutschland am 25. August 2015 einseitig beschlossen, die Dublin-Verordnung für syrische Asylanten auszusetzen. Mit dem Übereinkommen von 1990 wurde ein EU-Gesetz geschaffen, das festlegt, dass der erste EU-Mitgliedstaat, in dem Asylsuchende ankommen, auch für die Bearbeitung ihrer Asylanträge zuständig ist und dass solche Migranten in dieses Land zurückgeschickt werden sollten, wenn sie später versuchen, in einem anderen EU-Land Asyl zu beantragen.
Die Entscheidung Deutschlands, dieses EU-Recht zu ignorieren, bedeutete in der Praxis, dass es allen irregulären Migranten, die versuchen, in die EU einzureisen, die Botschaft übermittelte: „Kommt nach Europa und ihr könnt hier bleiben, solange ihr Deutschland erreicht“.
Sechs Tage später besuchte Angela Merkel ein Flüchtlingslager in der Nähe von Dresden, und als sie für ihre Entscheidung kritisiert wurde, antwortete sie bekanntermaßen: „Wir schaffen das!“
Als die Zahl der Asylanten in den kommenden zwei Monaten in die Höhe schoss, wurde klar, dass Deutschland das nicht schaffte, ebenso wenig wie die Länder entlang der so genannten Westbalkanroute, die aufgrund der deutschen Entscheidung gezwungen waren, jede Woche Zehntausende von neu ankommenden Asylsuchenden aufzunehmen, die in riesigen Migrantenkarawanen versuchten, nach Norden zu gelangen.
Auf Merkels Entscheidung, 2015 eine Migrationspolitik der offenen Tür einzuführen, folgte eine schwere politische Instabilität. In der Silvesternacht wurden 1200 deutsche Frauen von großen Gruppen von Migranten, die sich auf den Straßen von Köln und einer Reihe anderer deutscher Städte versammelt hatten, sexuell belästigt, ausgeraubt und in einigen Fällen vergewaltigt.
Die in dieser Nacht verübten Verbrechen und der anschließende Versuch der Medien, sie unter den Teppich zu kehren, stießen in der Öffentlichkeit auf Empörung. Am 26. Juli 2016 wiederholte Merkel den Satz „Wir schaffen das!“ nach zwei islamistischen Terroranschlägen, die Tage zuvor von Asylanten verübt worden waren. Ein 17-jähriger Afghane hatte in einem Zug in Würzburg fünf Menschen erstochen, während sich ein syrisches IS-Mitglied bei einem Musikfestival im [mittelfränkischen] Ansbach in die Luft sprengte und 12 Menschen verletzte.
Die Gewalt setzte sich am 19. Dezember fort, als ein tunesischer Asylbewerber und islamistischer Terrorist einen polnischen Lkw-Fahrer tötete und mit dessen Fahrzeug Menschen überfuhr, die einen Weihnachtsmarkt in Berlin besuchten, wobei 13 Menschen ums Leben kamen.
Anstatt zu erkennen, dass ihre unverantwortliche Migrationspolitik zu schweren Spaltungen innerhalb der EU führte, versuchte Angela Merkel weiterhin, ein neues EU-Asylsystem einzuführen, das alle EU-Mitgliedstaaten zwingen würde, die von Brüssel zugewiesenen Asylanten aufzunehmen.
Brüssel auf der Suche nach einem neuen Migrationsgesetz
Am 22. September 2015 billigte der Rat der Europäischen Union einen ersten Schritt, bei dem 120.000 Asylbewerber auf alle Länder umverteilt werden sollten. Mehrere ost- und mitteleuropäische Länder erklärten, dass für eine solche Entscheidung eine einstimmige Abstimmung im Europäischen Rat und nicht bloß eine Mehrheitsentscheidung im EU-Ministerrat erforderlich sei.
Da ihre Beschwerden ignoriert wurden, stimmten Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Rumänien gegen das neue System. Zwei Monate später gewann die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) die polnischen Wahlen durch einen Erdrutschsieg, nachdem sie den Wählern versprochen hatte, die Brüsseler Migrantenquoten nicht zu akzeptieren.
Die polnische Position hat sich seitdem bestätigt. Im Nachhinein ist klar, dass die Überrepräsentation der Asylanten in der Gewaltkriminalitätsstatistik in Westeuropa den sozialen Zusammenhalt und das Vertrauen in den Staat geschwächt hat.
Anti-Einwanderungsparteien sind auf dem Vormarsch und spielen nun in einigen Ländern die entscheidende Rolle in der Migrationspolitik, so in Italien und Schweden. Unterdessen tragen die Länder Ost- und Mitteleuropas, vom Baltikum im Norden über Polen bis Rumänien im Süden, die Hauptlast der Verantwortung für die Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge in der EU.
Die Politik der Regierungen hat sich darauf konzentriert, diesen Menschen zu helfen, aber nicht ohne von ihnen zu erwarten, dass sie langfristig in der Lage sein werden, für sich selbst zu sorgen. Ihre ähnliche Kultur hat es ihnen leichter gemacht, sich in ihren neuen, höchstwahrscheinlich vorübergehenden Heimatländern anzupassen.
Brüssel versucht immer noch, ein reformiertes Migrationsgesetz durchzusetzen, das zwar verwässert wurde, aber immer noch Bestimmungen enthalten soll, die es Brüssel ermöglichen würden, die Mitgliedstaaten zu zwingen, Asylbewerber unterzubringen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, deren Heimatländer aber nicht gewillt sind, sie freiwillig zurückzunehmen.
Die EU sollte dem Beispiel Polens, Litauens, Kroatiens und anderer Länder der Region folgen, die die EU-Außengrenzen bewachen. Bewachte Grenzanlagen und Rückschiebungen müssen zur Norm werden.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschied im Jahr 2020, dass Rückschiebungen (Pushbacks) an den europäischen Landgrenzen, die so genannten „heißen Rückführungen“, nicht illegal sind. Zu diesem Schluss kam das Gericht in der Rechtssache ND und NT gegen Spanien, die von afrikanischen Männern angestrengt wurde, die den Zaun um die spanische Enklave Melilla in Marokko überklettert hatten.
Die Männer hatten auch dadurch rechtswidrig gehandelt, dass sie die Grenze als Teil einer großen Gruppe und mit Gewalt überschritten hatten, wodurch ihnen die Möglichkeit genommen wurde, ihre Rechte geltend zu machen, so das Gericht.
In Anbetracht der Lehren, die die Europäer in den letzten Jahren aus dem unverantwortlichen und utopischen Ansatz Deutschlands in der Migrationsfrage im Jahr 2015 gezogen haben, und des pragmatischen und effizienten Ansatzes, den Polen und andere Länder der Region im Jahr 2022 verfolgt haben, scheint es klar, dass Brüssel nicht nur in der Russlandpolitik stärker auf Polen hören sollte, sondern auch in der Migrationspolitik gut daran täte, den gleichen Ansatz zu verfolgen.
Die Aufgabe für die kommenden Jahre sollte darin bestehen, dass sich die EU-Mitgliedstaaten auf ihre innere Stabilität und die Notwendigkeit konzentrieren, der Ukraine in ihrer Not zu helfen.
Die in diesem Beitrag geäußerten Ansichten und Meinungen sind die des Autors und spiegeln nicht unbedingt die offizielle Position der Redaktion wider.