Polen – Bei ihrem Treffen am 19. Juli in Warschau hatten die Landwirtschaftsminister Ungarns, Polens, Bulgariens, Rumäniens und der Slowakei die Europäische Kommission nachdrücklich aufgefordert, das Einfuhrverbot für Getreide aus der Ukraine über den 15. September hinaus bis mindestens 31. Dezember zu verlängern. Bisher sind die europäischen Instanzen dem nicht nachgekommen.
Ein Erlass der polnischen Regierung
Daher verabschiedete die polnische Regierung am Dienstag, den 12. September, „einen Erlaß zur [einseitigen] Verlängerung der Präventivmaßnahmen für die Einfuhr bestimmter Waren aus der Ukraine“, falls die Europäische Kommission nicht einlenken sollte. Somit, so der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki,
„wenn die Europäische Kommission das Einfuhrverbot für ukrainisches Getreide nach dem 15. September nicht verlängert, wird Polen es selbst verlängern“.
Ein Ultimatum an die Europäische Kommission
Der polnische Regierungschef drückte sich sehr deutlich aus:
„Ich habe der Europäischen Kommission ein Ultimatum gestellt.
[Es ist] eine unmissverständliche Forderung: Entweder Sie verlängern das Einfuhrverbot für vier ukrainische Getreidearten […] oder wir verlängern das Verbot selbst, denn
wir können nicht akzeptieren, dass die polnischen Märkte gestört werden“.
„Die Ukrainer sollten das verstehen“
In diesem Zusammenhang entwickelten auch der polnische stellvertretende Ministerpräsident und PiS-Vorsitzende Jarosław Kaczyński die polnische Position: „Wir sind bereit, die Ukraine während des Krieges, während des Wiederaufbaus zu unterstützen, wir wollen an diesem Wiederaufbau teilnehmen, aber gleichzeitig,
müssen wir uns auch an unser Volk erinnern, an unsere Landwirtschaft, an unsere ländlichen Gebiete, […] und ich denke, dass unsere ukrainischen Freunde das verstehen sollten.“
Schließlich stellte der polnische Landwirtschaftsminister Robert Telus klar, dass „der Erlaß [der polnischen Regierung] an die Europäische Kommission gerichtet ist; wenn die Kommission keine Entscheidung trifft, werden wir sicherlich unsere Verordnung einführen, die die Einfuhr – aber nicht die Durchfuhr – von ukrainischem Getreide nach Polen verbietet, wie es bisher der Fall war, bis die Situation der Handelsbeziehungen zwischen Polen und der Ukraine geklärt ist. […] Es gibt keine faktische Grundlage dafür, das [derzeitige] Embargo nicht zu verlängern.“
Die Ukraine will Beschwerde bei der WTO einlegen
Der ukrainische Vize-Wirtschaftsminister Taras Kaschka kündigte seinerseits an, dass
„wenn das Einfuhrverbot aufrechterhalten wird, wird die Ukraine bei der Welthandelsorganisation eine Beschwerde gegen Polen und die Europäische Union einreichen.“
Auch der ukrainische Premierminister Denys Schmyhal reagierte ähnlich auf X (ehemals Twitter): „Im Falle eines Verstoßes gegen das Handelsrecht im Interesse des politischen Populismus vor den Wahlen wird die Ukraine gezwungen sein, sich an das Schiedsgericht der WTO zu wenden, um eine Entschädigung für die Verletzung der GATT-Normen zu erhalten.“
Dieses Kräftemessen zwischen Polen und der Ukraine trübt ein wenig das Bild der Einheit und Brüderlichkeit, das beide Länder seit Beginn der russischen sog. „militärischen Sonderoperation“ in der Ukraine gezeigt haben. Polen, das Präsident Selenskyj auf internationaler Ebene am meisten unterstützt und das größte Aufnahmeland für ukrainische Flüchtlinge in der Europäischen Union ist, wählt im kommenden Monat ein neues Parlament und hätte auf diese Polemik wohl verzichten können.
Da die Wahlen allerdings für die regierende sozialkonservative PiS nicht von vornherein gewonnen sind, deutet alles darauf hin, dass die Behörden in Kiew auf die progressive und europafreundliche Opposition der Bürgerplattform setzen.