Polen – Eineinhalb Monate nach dem Pyrrhussieg der PiS bei den polnischen Parlamentswahlen und während führende Beobachter der neuen Regierung von Mateusz Morawiecki, die am 27. November vereidigt wurde, keine sehr lange Zukunft vorhersagen, scheint der polnische Sejm entschlossen zu sein, einen Schlussstrich unter den beiden von der PiS dominierten Legislaturperioden (2015-2019, 2019-2023) zu ziehen, aber auch eine Hexenjagd auf die ehemalige konservative Mehrheit zu starten.
Ausgrenzung der PiS
Die polnischen Abgeordneten stellten nämlich zunächst die Gepflogenheiten der parlamentarischen Demokratie auf den Kopf, indem sie kein PiS-Mitglied zum Vizemarschall (stellvertretenden Vorsitzenden) des Sejm ernannten. Das neue Präsidiums des Abgeordnetenhauses besteht nunmehr neben Marschall Szymon Hołownia (PL2050) aus zwei Mitgliedern der PO, Dorota Niedziela und Monika Wielichowska, einem Mitglied der PSL, Piotr Zgorzelski, einem Mitglied der Neuen Linken, Włodzimierz Czarzasty, sowie einem Mitglied der Konfederacja, Krzysztof Bosak.
Sechs Untersuchungsausschüsse über die Amtsführung der PiS
Abgesehen von dieser einzigartigen Ausgrenzung der PiS – die mit 194 Abgeordneten die größte Partei des Landes ist und 35,38% der Wähler vertritt – bereitet sich der Sejm auf die Einsetzung von nicht weniger als sechs Untersuchungsausschüssen vor, die die Verwaltung des polnischen Staates durch die Vereinigte Rechte zwischen 2015 und 2023 unter die Lupe nehmen sollen:
- über den Visaskandal,
- über die Briefwahl,
- über den Einsatz der israelischen Spionagesoftware Pegasus,
- über die Zuschüsse für das Nationale Zentrum für Forschung und Entwicklung,
- über die Funktionsweise öffentlicher Fonds (insbesondere des Justizfonds) und
- über die Covid-Politik der PiS-Regierung.
Diese „Kommissionitis“ der von Donald Tusk geführten neuen Koalition wird im PiS-Lager bereits mit leichter Hand aufgenommen, wobei ein Mitglied aus dem Umfeld von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki von Do Rzeczy mit den Worten zitiert wurde: „Sollen sie doch zehn Ausschüsse auf einmal machen, warum sollten sie sich derart beschränken? Eine solche Inflation von Ausschüssen wird ihnen mehr schaden als nützen. Aus praktischer Sicht wird es ihnen nichts bringen“. Seitens der neuen Mehrheit sieht man allerdings nur sehr ernste Fälle, die in einigen Monaten zu konkreten Verfolgungen führen sollen.