Ungarn – Im Zusammenhang mit dem bedeutenden „kulturellen und ideologischen Kampf“, der die politische, kulturelle und intellektuelle Landschaft des Landes neuzeichnet, wurde nun die staatliche Finanzierung des Unterrichts der „Gendertheorie“ in Ungarn eingestellt.
Nach seinem großartigen Wahlsieg im vergangenen April hat Viktor Orbán einige Veränderungen in seiner Regierungsmannschaft vorgenommen. Und diejenige darunter, die am meisten Aufsehen erregt, ist zweifelsohne die Ernennung des großen Medizinprofessors und Chirurgen Miklós Kásler an die Spitze des Ministeriums für „Humanressourcen“, das die Ministerien für Gesundheit, Unterrichtswesen bzw. Sozialpolitik und Arbeit zusammenfasst. Miklós Kásler besitzt alle Voraussetzungen für diesen Posten: mit 25 Diplomen, Dekorationen bzw. Preisen leitet dieser Onkologe das ungarische Landesinstitut für Onkologie und unterrichtet an der Universität. Er ist aber auch unbeugsam christlich und illiberal. Seiner Meinung nach hat der Liberalismus seine Grenzen erreicht. Und gemäß diesem eminenten Professor würde die buchstäbliche Einhaltung der Zehn Gebote u.a. dazu führen, dass man weniger Krankheiten und eine bessere öffentliche Gesundheit hätte. Grund genug, um die liberalen Kräfte zu irritieren.
Parallel dazu bringt die Arbeit des szeklerischen Journalisten Árpád Szakács seit dem Frühling ebenfalls ihre Früchte. In einer in der großen Orbán-nahen Tageszeitung Magyar Idők veröffentlichten Artikelserie unter dem Titel „Kinek a kulturális diktatúrája?“ („Wessen Kulturdiktatur?“) prangert Árpád Szakács die Hegemonie der liberalen Linken im Kulturbereich an, indem er dabei Zahlen und Namen nennt und mit jedem neuen Artikel – es ist inzwischen der dreizehnte! – eine Art Erdbeben hervorruft. Seine methodische Anprangerung hat schon zur Entlassung des Direktors eines Instituts geführt, der allzu sehr dazu neigte, die bolschewistischen Verbrechen zu minimieren bzw. die Stipendien von Linksliberalen zu finanzieren.
Dieser regelrechte Kulturkampf gegen die in den kulturellen, Medien- bzw. intellektuellen Bereichen allgegenwärtige und hegemoniale Linke ist möglich geworden, weil Viktor Orbán grünes Licht dafür gegeben hat. Anläßlich seiner Rede in Tusványos Ende Juli hatte der starke Mann von Budapest dies deutlich angekündigt.
Der Grundgedanke dabei ist es, die typische Schizophrenie – oder die bloße Feigheit? – des rechten Politikers zu beenden, die Meinung bzw. gar das moralische Urteil seiner Gegner und Feinde zu finanzieren bzw. auf einen Sockel zu heben. Der nachhaltige Erfolg der Wirtschaftspolitik Viktor Orbáns, seine meisterhaften wiederholten Wahlsiege, sein steigender Einfluß auf die Alte Welt, ohne gar den Zusammenbruch der Opposition zu erwähnen – die gleich einer intellektuellen Wüste unaufhörlich hohle Mantras ableiert, sich bekriegt und nach einer Lösung aus dem Außen sucht –, das alles gibt dem illiberalen Lager Viktor Orbáns eine einmalige Chance, eine Entliberalisierung durchzuführen. Nachdem er die Entkommunisierung des Landes zwischen 1989 und 2002 verfehlte, versucht Orbáns Fidesz heute, den gleichen Fehler nicht noch einmal zu begehen bzw. möchte nun endlich die antinationalen Kräfte aus den Institutionen vertreiben.
Und die „Geschlechterforschung“ zahlt nun dafür die Zeche.
Für den Präsidenten des Parlaments László Kövér stellt die „Gendertheorie“ einen ideologischen „sozialwidrigen“ bzw. „extremistischen“ Import dar. Herr Kövér geht sogar weiter: manche versuchen, den „Genderismus“ als eine Wissenschaft gelten zu lassen, während er bloß eine Ideologie ist und „es sich dabei um die Einrichtung einer Geisteshaltung handelt,“ die keinen Deut besser als der NS-Eugenismus sei.
Kurz gesagt, Schluß mit der Gendertheorie! Ungarn will nichts mehr davon wissen. Und es ist bloß der Anfang, denn die Frage wird schon gestellt: Wie hat man das erlauben können? Wer hat das nach Ungarn importiert?