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Lesezeit: 3 Minuten

Von Olivier Bault.

Polen/Norwegen Barnevernet-Affäre (norwegisches Jugendamt) – Ein für die Norweger unbequemer polnischer Konsul.

Handelt es sich um eine Vergeltungsmassnahme für das einer norwegischen Mutter und ihrer zweijährigen Tochter gewährte Asyl? In Wirklichkeit ist Sławomir Kowalski schon längerein Dorn im Auge der norwegischen Behörden. Was man ihm vorwirft, ist eben, dass er seine Arbeit als Konsul gut macht, indem er polnische Familien unterstützt, die zu Opfern von den Methoden der norwegischen Jugendschutzbehörde Barnevernetwurden. Norwegen wird wegen acht Barnevernet-Affären vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angeklagt und wurde im vergangenen September schon in einem Fall verurteilt. Gemäß der polnischen Zeitung Nasz Dziennik und den mit Kowalski in Kontakt stehenden Personen, wie dem Chef der Gewerkschaft Solidarność in Norwegen, einem Anwalt sowie der polnischen Anwälte- und Juristenorganisation Ordo Iuris bzw. der Norwegischen christlichen Koalition (KNN) möchte Oslo diesen unbequemen Konsul seit mindestens anderthalb Jahren loswerden. Im Juni vorigen Jahres hatten die norwegischen Behörden anscheinend die Wiener Konvention über Konsularbeziehungen verletzt, indem sie mit Hilfe der eigens von den Beamten vonBarnevernet dafür gerufenen Polizei den polnischen Konsul physisch daran gehindert hatten, einem Treffen zwischen Beamten und polnischen Eltern beizuwohnen, die vorgeladen waren, nachdem man ihnen ihren sechsjährigen Sohn wegen Denunziation der Schule weggenommen hatte.

Es ist aber erst jetzt in dieser zweiten Hälfte vom Januar 2019 – etwas mehr als einen Monat nach der Ankündigung, dass Warschau der Norwegerin Silje Garmo und ihrer Tochter Asyl gewähre –, dass die norwegische Regierung offiziell Polen bittet, ihren Konsul in Oslo abzuberufen. Am Montag behauptete die Sprecherin des norwegischen Außenministeriums, Ane Haavardsdatter Lunde, sogar dass Sławomir Kowalski persona non grata sei und drei Wochen habe, um das Land zu verlassen. Für die Norweger habe der Konsul öffentliche Aussagen getätigt, die mit seiner Rolle als Diplomat unvereinbar seien. Der norwegische Fernsehsender TV2 ließ sich diese Information vom Ministerium bestätigen.

Seit fünf Jahren in Oslo im Amt wurde Sławomir Kowalski 2016 vom polnischen Außenministerium zum „Konsul des Jahres“ gekürt. Nach eher heftigen Reaktionen in Polen scheint das norwegische Außenministerium nunmehr zu zögern. Man möchte nun Herrn Kowalski nicht aus dem Lande ausweisen, sondern obläge es der polnischen Seite letztendlich zu entscheiden, ob sie dem Wunsch der norwegischen Regierung entsprechen möchte oder nicht.

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki ließ verstehen, dass Polen es ablehnen würde, ihren Konsul auszutauschen, da er betonte: „Wir verteidigen die polnischen Bürger immer und überall auf der ganzen Welt. Es ist die Rolle der polnischen Bürger und der polnischen Konsule und darüber werden wir unsere Meinung nicht ändern.“ Was den polnischen Außenminister anbelangt, so erklärte er, dass er eine sehr gute Meinung darüber habe, wie sein Konsul in Oslo die Interessen der polnischen Familien verteidige, und betrachte, das dessen Abberufung nicht gerechtfertigt wäre. Im Falle einer Ausweisung ihres Konsuls wird die polnische Reaktion „ruhig doch entsprechend“ sein, so Staatssekretär Szymon Szynkowski vel Sęk, der darunter verstehen ließ, dass ein norwegischer Diplomat dann ebenfalls aus Polen ausgewiesen werden könnte.

Der Juni-Vorfall, als die norwegische Polizei gerufen worden war, um den polnischen Konsul aus den Räumlichkeiten von Barnevernet hinauszubegleiten, wurde zum Gegenstand einer Interpellation des tschechischen Abgeordneten Tomáš Zdechovský im Europaparlament, der seit einigen Jahren ebenfalls gegen Barnevernet sehr aktiv ist, nachdem man seiner Landsmännin Eva Michaláková ihre beiden Kinder 2011 aufgrund von einer von der Justiz im nachhinein nicht bestätigten Verdächtigung des sexuellen Missbrauchs weggenommen hatte. Trotzdem konnte Frau Michaláková ihre heute 9 bzw 14 Jahre alten Kinder bis dato nicht zurückbekommen und ihre Kontakte mit ihnen werden auf 15 Minuten zweimal im Jahr eingeschränkt, und zwar in Anwesenheit von Barnevernet-Beamten bzw. wobei sie sich nur auf Norwegisch unterhalten dürfen! Die Affäre hatte für diplomatische Spannungen zwischen Norwegen und Tschechien gesorgt, doch hatte Barnevernet soweit das letzte Wort, dass sogar der tschechische Großvater der beiden Kinder sie nicht noch einmal sehen durfte, bevor er im September 2017 starb. Der tschechische Präsident Miloš Zeman hatte sogar öffentlich die Methoden des norwegischen Barnevernet mit denen im NS-Deutschland herrschenden verglichen.

Im Jahr 2011 hatte es eine polnische Mutter geschafft, ihre neunjährige Tochter mit Hilfe von letzterer bei ihrer Pflegefamilie in Norwegen zu entführen, um sie nach Polen zurückzubringen. Sie hatte hierfür einen polnischen Detektiv und dessen Team angeheuert bzw. war vom damaligen polnischen Konsul dabei geholfen worden, was schon einen diplomatischen Zwischenfall zwischen Norwegen und Polen verursacht hatte. Indem sie das übergeordnete Interesse des Kindes geltend machte, wies die polnische Justiz anschließend den norwegischen Antrag auf Rückführung des Mädchens zurück, und überließ es bei seinen Eltern.

Wegen Barnevernet erlebte Norwegen ebenfalls diplomatische Spannungen mit Rumänien. Die Entführung 2015-2016 durch die norwegischen Sozialbehörden der fünf Kinder der Familie Bodnariu führte sogar zu Demonstrationen vor den norwegischen Botschaften in der ganzen Welt. Inzwischen hat diese dank internationalen Drucks wiedervereinte norwegisch-rumänische Familie entschieden, in Rumänien zu leben. Es ist diese Affäre, die eine Untersuchung durch die Parlamentarische Versammlung des Europarates hervorrief, die im vergangenen Juni zu einem mit breiter Mehrheit verabschiedeten Bericht führte, der ganz besonders die Verletzungen der Familienrechte in Norwegen kritisiert.


Übersetzt von Visegrád Post.