Österreich – Im Gespräch mit dem Baron Norbert van Handel: „Die M7 – Mitteleuropa 7 –, diese „christlichen konservativen Länder Europas müssen sich innerhalb der EU zusammenfinden, um hier gegenzusteuern, sonst werden sie in einem multikulturellen europäischen Strudel untergehen. M7 muss in wichtigen Fragen mit einer Sprache sprechen können, um sich gegen die Großen zur Wehr zu setzen.“
Nachdem die ÖVP-FPÖ-Koalition im Mai 2019 geplatzt ist, finden Neuwahlen Ende September statt. Die ÖVP von Sebastian Kurz gilt als Favorit für die Wahl. Die Frage, die sich stellt, ist eigentlich, mit welchem Juniorpartner Sebastian Kurz die neue Regierung bilden wird: Wird er die Koalition mit den Populisten der FPÖ fortsetzen oder sich eher zu den Linken (Grünen, SPÖ, Liberalen) wenden?
Seitens der FPÖ wird die Partei nach dem Rücktritt Heinz-Christian Straches um deren neuen Obmann Norbert Hofer neuaufgestellt (der wegen seiner Wahl zum FPÖ-Obmann von Viktor Orbán beglückwünscht wurde), der 2016 die Präsidentschaftswahlen nur knapp verloren hatte [siehe hier dessen Interview von November 2016 für die Visegrád Post].
Darüber hinaus wird die FPÖ sich u.a. auch auf die nunmehrige Unterstützung von Norbert van Handel (früher ÖVP), den die Visegrád Post im Jahr 2017 interviewt hatte. Diesmal ist es als FPÖ-Kandidat, dass Norbert van Handel unsere Fragen beantwortet hat.
Visegrád Post: Herr van Handel, Sie sind derzeit Kandidat der FPÖ für die kommenden Nationalratswahlen Ende September. Man weiß, dass Sie dem neuen Obmann dieser Partei, Norbert Hofer, seit seiner Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen nahestehen. Allerdings waren Sie in der Vergangenheit eher dem Umfeld der ÖVP von Sebastian Kurz zuzurechnen. Was hat Sie im wesentlichen dazu bewegt, von der ÖVP zur FPÖ zu wechseln?
Norbert van Handel: Ich war 50 Jahre lang Mitglied der ÖVP. Als die ÖVP den politisch schillernden Alexander Van der Bellen und nicht den christlichen Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer unterstützte, trat ich aus. Für eine christlich‐soziale Partei, wie sich die ÖVP nennt, war es unmöglich nicht den einzigen christlichen Kandidaten der Bundespräsidentenwahl zu unterstützen.
Nachdem Sebastian Kurz im Mai die Koalition sprengte und entgegen seinen Zusagen, nicht mit Norbert Hofer die Koalition weiterführte, war dies der Grund für mich in die FPÖ einzutreten. Die FPÖ ist heute die einzige christliche Partei mit wertkonservativem Programm. Die Werte der FPÖ entsprechen meinen.
Visegrád Post: Wie beurteilen Sie die ÖVP/FPÖ-Koalition, die Österreich anderthalb Jahre lang regiert hat, bevor sie im Mai platzte?
Norbert van Handel: Die ÖVP-FPÖ Koalition hat sich ein ausgezeichnetes Regierungsprogramm, mit dem die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung bis zum Schluss einverstanden war, gegeben und dieses Zug um Zug umgesetzt. Es war, meines Erachtens nach, für Österreich und auch für Mitteleuropa, eine Katastrophe, dass Kurz diese Koalition ohne jede Not kündigte.
Visegrád Post: Wünschen Sie eine Neuauflage dieser ÖVP/FPÖ-Koalition nach den Nationalratswahlen von Ende September? Denken Sie, dass die Herren Kurz und Hofer – nach den Wochen des Streits, dem wir seit dem sogenannten „Ibizagate“ beiwohnen – sich leicht werden einigen können?
Norbert van Handel: Ich glaube, dass eine Neuauflage der ÖVP-FPÖ Koalition nach den Nationalratswahlen dringend notwendig ist. Der persönliche Kontakt zwischen Sebastian Kurz und Norbert Hofer ist gut.
Probleme sind eher dort zu sehen, wo alte ÖVP Funktionäre heimlich gegen ein Zusammengehen mit der FPÖ lobbyieren. Diese Leute sehen ihre oft seltsamen Privilegien in Gefahr und verweigern sich einer Erneuerung Österreichs. Ibiza hat damit gar nichts zu tun, weil die Protagonisten von Ibiza, HC Strache und Johann Gudenus, unmittelbar zurückgetreten sind.
Es werden lange Koalitionsverhandlungen mit Abbrüchen und Wiederaufnahmen folgen, nach denen es hoffentlich möglich sein wird, eine neue türkis‐blaue Koalition auf die Beine zu stellen.
Visegrád Post: Sie haben ganz deutlich die Einwanderungspolitik der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilt. Vor einigen Tagen hat die mit der FPÖ verbündete Partei AfD sehr gute Ergebnisse bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg erreicht. Wie beurteilen Sie die politischen Entwicklungen in Deutschland?
Norbert van Handel: Die politische Entwicklung in Deutschland macht mir große Sorge. Man hat das Gefühl, dass die Altparteien statt Deutschland in die Zukunft zu führen, sich vor allem darum bemühen die AfD zu verhindern. Dies ist eine miserable Ausgangslage. Die AfD ist demokratisch gewählt worden und hat das Recht in der deutschen Politik als zweitoder drittstärkste Partei, je nachdem wo, mitzuregieren.
Die ständige Ausgrenzungspolitik bringt Deutschland an den Rand eines Verfassungsnotstandes, in dem sämtliche demokratische Prinzipien verloren gehen. Deutschland hat genügend Probleme, in der Industriepolitik (besonders in der Autoindustrie), in der Energiepolitik (die Energiewende kann in dieser Form nicht funktionieren), in einer verfehlten Klimapolitik, bei der Immigrationsfrage, bei der Wohnungsnot, in der Verbesserung einer teilweise katastrophalen Infrastruktur, in der Reformierung der Bundeswehr etc.
Dies wären die Punkte, denen die deutsche Politik sich zuwenden sollte. Nicht die Ausgrenzung der AfD, die die einzige nationalkonservative Kraft in Deutschland ist.
Visegrád Post: Sie werben für eine Erweiterung der Visegrád-Gruppe an Österreich, Kroatien und Slowenien um aus der V4 eine M7 zu machen. Können Sie uns mehr zu diesem Thema sagen?
Norbert van Handel: Da die EU in keiner Weise in der Lage ist, die wirklich wichtigen Probleme zu lösen: Immigration, Verteidigung, Aussöhnung mit Russland und vieles mehr und da Europa heute von Frankreich geführt wird, das in Richtung Vereinigte Staaten von Europa geht, ist es ganz wichtig gegenzusteuern.
M7, also jene kleineren Länder, die durch Jahrhunderte miteinander verbunden waren, würden unter der französisch deutschen Lawine, angereichert durch Spanien und Portugal und der „französischen Kolonie“ Benelux völlig unter die Räder kommen.
M7, also jene im wesentlichen christlichen konservativen Länder Europas müssen sich innerhalb der EU zusammenfinden, um hier gegenzusteuern, sonst werden sie in einem multikulturellen europäischen Strudel untergehen. M7 muss in wichtigen Fragen mit einer Sprache sprechen können, um sich gegen die Großen zur Wehr zu setzen.
Engste Kooperationen in der Immigrantenfrage, in infrastrukturellen Fragen, in einer engen Zusammenarbeit der Universitäten, in einer gemeinsamen Kulturpolitik, in einer gemeinsamen Landwirtschaftspolitik, auch in gemeinsamen Verteidigungsfragen sind dringend notwendig.
Österreich müsste hier initiativ werden, jedoch wurde es dies leider nicht. In einer neuen Politik sollte möglichst umgehend eine unbürokratische gemeinsame Sprache gefunden werden, die auch umgesetzt wird. Parteiübergreifend müssen die Länder von M7 ihre eigene Identität retten. Es ist höchste Zeit, dass dies geschieht.
Ich werde im Rahmen meiner politischen Möglichkeiten alles unternehmen, um diese Idee voranzutreiben. M7 muss erkennen, dass unsere Interessen überwiegend gemeinsame sind und diese Gemeinsamkeit auch in die politische Realität umsetzen.