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Kardinal Dominik Jaroslav Duka: „Die Genderideologie richtet sich gegen die Familie“

Lesezeit: 6 Minuten

Interview mit Kardinal Dominik Jaroslav Duka, Primas von Böhmen: „Die Genderideologie richtet sich gegen die Familie“.

Tschechien​ – Das von Maciej Szymanowski, vom Felczak-Institut für polnisch-ungarische Zusammenarbeit, und Paweł Lisicki, Chefredakteur der polnischen Wochenzeitschrift Do Rzeczy, geführte Interview wurde in polnischer Sprache in Do Rzeczy und auszugsweise in englischer Sprache auf Kurier.plus veröffentlicht. Wir übernehmen hier die Auswahl von Kurier.plus.

Kardinal Dominik Jaroslav Duka:​ Meiner Meinung nach strahlt auch hier die Größe von Papst Pius XII. durch seine Fähigkeit, solche Männer zu identifizieren und sie in solchen schwierigen Zeiten an der Spitze der Kirche einzusetzen.

Ich denke, dass unter ihnen allen Kardinal Mindszenty das prominenteste Beispiel ist. Sein Schicksal wurde äußerst schmerzvoll. Es ist nicht meine Absicht, den Leidensweg der Kardinäle Wyszyński, Stepinac [Erzbischof von Zagreb] und Beran [Erzbischof von Prag] herabzusetzen. In einer Rede vor dessen Verhaftung zitierte der Primas von Böhmen vor allem Mindszenty.

Vor einiger Zeit bat ich darum, dass die Biographie von Kardinal Mindszenty [ins Tschechische] übersetzt werde, denn ich denke, dass es wichtig sei, dass die Leute hier in Tschechien möglichst viel über ihn erfahren. Das Scheitern der ungarischen Revolution 1956 führte zu einer wesentlichen Aufrüttelung. Auch wenn 1948 in der Tschechoslowakei die Abkehr von einer Politik kennzeichnete, wo ein gewisser Grad an Demokratie in unserem Lande bewahrt worden war, wurde der soziale Widerstand bei weitem noch nicht gebrochen, sondern überlebte jahrelang unter Gottwalds Stalinismus und wurde erst durch die erfolglose ungarische Revolution gebrochen. Infolge der Ereignisse in Ungarn wurde der Widerstand der Bauern gegen die Zwangskollektivierung zerschlagen. Und man kann das Gleiche über den Widerstand der anderen sozialen Schichten sagen, die in die Vision des „Kommunismus für die Ewigkeit“ einwilligten.

(…)

Maciej Szymanowski und Paweł Lisicki:​ Waren die Ereignisse in Ungarn denn für die Tschechen so erheblich?

Kardinal Dominik Jaroslav Duka:​ Ja. In den 1950er Jahren freuten wir uns der höchsten Teilnahme an der heiligen Messe. Sogar diejenigen, die regelmäßig antikatholische Neigungen zeigten, fingen an, wieder in die Kirche zu gehen und an der heiligen Messe teilzunehmen. Das war mehr als bloß eine politische Äußerung sondern eher eine Anerkennung der Tatsache, dass allein die Kirche die Stärke hätte, aktiv Widerstand leisten zu können – eine Stärke, die die gerade erwähnten Primasse eben zeigten.

Und es wurde nicht nur die Kollektivierung, die als nächstes kam, sondern eine massive Migrationsbewegung von den ländlichen Gebieten in die Klein- und Großstädte, wo unsere „Migranten“ aus dem Land sowohl politisch wie auch religiös verloren waren.

Maciej Szymanowski und Paweł Lisicki:​ Was denkt Eure Exzellenz über die Erklärung von Erzbischof Marek Jędraszewski, dass die kommunistische Ideologie durch die LGBT-Ideologie ersetzt wurde und dass „die rote Pest durch eine Seuche in den Farben des Regenbogens ersetzt“ wurde?

Kardinal Dominik Jaroslav Duka:​ Ich habe von den Bemerkungen des Erzbischofs von Krakau durch eine Erklärung des Vorsitzenden der Polnischen Bischofskonferenz Erzbischof Gądecki erfahren. Ich möchte sagen, dass für mich und in diesem Zusammenhang die Verwendung des Wortes „Pest“ durchaus verständlich ist. Man solle sich ja daran erinnern, dass die rote Pest Europa von mehr als ein Viertel seiner Bevölkerung beraubt hat. Ferner richtet sich die Genderideologie gegen die Familie. Im Altenglischen heißt Familie ​hiwan​, wobei ​hiwo​ bzw. ​hiwa​ jeweils Ehemann und Ehefrau bedeuten… Wir können alle sehen, dass Europa durch eine sehr ernsthafte demographische Krise bedroht wird, die die heutigen Politiker Mühe haben zu bewältigen.

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Maciej Szymanowski und Paweł Lisicki:​ Wie stark sind die LGBT-Bewegungen in Tschechien? Haben sie irgendwelche politische Rückendeckung?

Kardinal Dominik Jaroslav Duka:​ Vor einem Jahr tauchte ein Gesetzentwurf über Homoehe bzw. Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare auf. Dann hielt Petr Pitʼha – ein Priester und Professor an der Karls-Universität bzw. dank eines von Johannes-Paul II. erteilten Dispenses unser zweiter Bildungsminister nach dem Fall des Kommunismus – eine Predigt, die obgleich irgendwie hyperbolisch nicht ungerechtfertigt war und die apokalyptische Vision von einer LGBT-dominierten Welt vermittelte. Nichtsdestotrotz wurde der erwähnte Gesetzentwurf schließlich von der Tagesordnung des Parlaments gestrichen.

Genauso wie die heurige Gay Pride in Prag – da sie unter dem Vorzeichen von radikalen LGBT-Postulaten vonstattengehen sollte, wurde sie weder vom Präsidenten noch vom Ministerpräsidenten oder vom Parlament bzw. von staatlichen Unternehmen unterstützt. Ich habe geschaut, wer praktisch diese Demonstration unterstützt hat. Da waren dabei satanististische Organisationen, die tschechische atheistische Gesellschaft, die tschechische pädophile Gesellschaft und einige private Unternehmen. Die Piratenpartei, die den Prager Gemeinderat übernommen hat, war die einzige politische Bewegung auf der Liste. Wir waren über die Haltung der Botschafter mancher Länder ziemlich enttäuscht. Leider sind auch manche linksgerichtete Christen ein wesentliches Problem, da der Marsch von der Jugend der Böhmischen Brüder und von der protestantischen Zeitschrift unterstützt wurde.

(…)

Maciej Szymanowski and Paweł Lisicki:​ Johannes-Paul II. sagte über die im Liberalismus versteckten totalitaristischen Neigungen, dass es mehrere Stufe der Einstellung gegenüber LGBT gab, die bis zur Unterdrückung religiöser Freiheit hinreichen. Ist es möglich, diesen Verlauf zu stoppen oder ist es unumkehrbar?

Kardinal Dominik Jaroslav Duka:​ Es gibt nur eine Demokratie. Sie ist weder liberal, noch sozialistisch oder kapitalistisch. Und auch nicht christlich. Ich empfehle den tschechischen Christdemokraten immer die Lektüre des Buches von Kardinal Journet ​Exigences chrétiennes en politique​ (dt. Christliche Anforderungen in der Politik). Christen können politische Parteien gründen, aber sie müssen dessen bewusst sein, dass eine christliche Partei nicht das gleiche ist wie die Kirche. Eine Partei funktioniert gemäß anderen Grundsätzen. Die Demokratie setzt die Teilnahme der größtmöglichen Gruppe von verantwortlichen freien einzelnen Menschen an der Organisation der Gesellschaft voraus.

Demokratie heute – und nicht etwa die Athener Version, wo es noch Sklaven gab – sollte für jeden sein, allerdings kann man fragen, ob jemand, der die Gesellschaft nicht achtet, daran teilnehmen dürfte. Das könnte zum Thema einer Debatte für sich werden.

Das Problem mit den liberalen Demokraten ist, dass sie sich als die einzigen Demokraten betrachten und uns alle anderen als rechtsradikal, totalitaristisch usw. bezeichnen. Einerseits werden sie durch die postmodernen Philosophie inspiriert, die offenkundig besagt, dass es keine Wahrheit gibt. Doch andererseits sind sie überzeugt, dass sie allein in die Wahrheit eingeweiht wurden.

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(über die Situation des Christentums in Tschechien)

Kardinal Dominik Jaroslav Duka:​ In der Hauptstadt kann man zweifellos renovierte Kirchen sehen aber auch Kirchen, die stillgelegt wurden, was den Eindruck ergibt, dass wir ein protestantisches Land seien. Wenn man allerdings auf die Prager Landschaft mit deren Fülle an Kirchtürmen und deren Geist des Barocks schaut, dann kann man sich nicht irren: wir sind ein katholisches Land. Wenn man sich auf den tschechischen Säkularismus bezieht, so ist das eine tiefverwurzelte historische Mischung von Begriffen.

Während der von Joseph II. im späten 18. Jahrhundert inspirierten Reformen und der Einführung der sog. religiösen Toleranz wurde erlaubt, dass man sich zu einer gewissen Anzahl von Religionen bekenne. Historisch betrachtet waren viele Tschechen allerdings Utraquisten, eine reformistische Strömung, die die Vereinigung mit den Katholiken anstrebte, und Utraquismus war befand sich nicht unter den angebotenen Optionen. Deshalb wurden sie als Atheisten bzw. Nicht-Gläubige registriert. Demzufolge betrachten sich in unserer Kultur die Menschen, die in keiner engen Verbindung mit der Kirche leben, öfters als Atheisten. Meine Schwester würde z.B. sagen: ich fühlte mich nicht wohl und habe zweimal die Sonntagsmesse verpasst, nun bin ich durch und durch eine Atheistin.

Wir haben auch ein Problem mit der Statistik, die nicht das Gesamtbild zeigt. Bei der Volkszählung 1991 gab es je eine Pflichtfrage über Religion und Nationalität. 2001 und 2011 war die Beantwortung dieser Fragen nicht mehr pflichtig – und man konnte auch antworten, was man wollte. Infolgedessen hat die Hälfte der Befragten diese Fragen nicht beantwortet bzw. finden wir Antworten wie die Jedi-Sekte. Daher wird es 2021 keine solchen Fragen mehr geben, sondern wird es eine andere Statistik geben, die die Anzahl der Getauften als Basis benutzen wird.

(…)

Maciej Szymanowski and Paweł Lisicki:​ Ist Mitteleuropa das Bollwerk des Christentums?

Kardinal Dominik Jaroslav Duka:​ Wir teilen gemeinsame Erfahrungen. Bei Treffen auf europäischer Ebene sage ich immer: diejenigen, die wissen, was Ungarn während der türkischen Kriege durchmachen mußte, werden nicht überrascht sein, wenn wir auf die heutigen Probleme mit einer anderen Perspektive schauen. Das bedeutet nicht, dass wir nicht helfen wollen – wir sammeln Gelder, um den Ländern im Mittelosten zu helfen, wohlwissend, dass die Abwanderung der Christen aus diesem Teil der Welt eine Katastrophe darstellen würde, und zwar nicht nur für die Kirche – in Ägypten hängt das Bankwesen von den Christen ab, in Syrien das Gesundheitswesen und viele weitere Gewerbe. Wir sehen auch, dass ein Großteil unserer säkularisierten Gesellschaft eine solche Angehensweise auch versteht.

Meiner Meinung nach ist das Argument der Art: „Was würde Papst Franziskus darüber sagen?“ fehlerhaft. Meine Antwort wäre: „Und was hat Papst Franziskus in Krakau gesagt?“ Die Aufnahme von Migranten ist eine Angelegenheit für jedes souveräne Land. Die Aufnahme dieser Leute ist bloß der Anfang. Danach müssen sie noch assimiliert werden. Wir sollten auch Westeuropa die Stirn bieten und sagen, dass die Art und Weise, wie sie dieses Problem gelöst haben, unverantwortlich ist. Wir sehen Ghettos in Frankreich, Probleme in England und die globale Situation in Deutschland, wo die Gesellschaft gespaltet wird. Es ist eine wohlbekannte Tatsache, dass eine Konferenz vor einigen Jahren in Berlin stattgefunden hat, wo entschieden wurde, Einwanderung zu benutzen, um das demographische Problem zu lösen.

Und hier liegt Papst Franziskus genau richtig, wenn er sagt, dass er eine schwere Krise der liberalen Demokratie darin sieht, dass sie nicht in der Lage ist, Probleme zu lösen.

 

Paweł Lisicki (l), Kardinal Dominik Jaroslav Duka (in der Mitte) und Maciej Szymanowski (r) in Prag. Bilder: Petr Karas

Übersetzt von Visegrád Post.