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Polen gegen das Coronavirus: Die richtigen Maßnahmen am richtigen Moment?

Lesezeit: 3 Minuten

Polen – Beinahe vier Wochen nach der Feststellung des ersten Covid-19-Falles in Polen (ein am 4. März diagnostizierter aus Deutschland zurückgekehrter Pole), scheinen die von der Regierung getroffenen Maßnahmen eine gewisse Wirkung zu haben – ähnlich wie diejenigen, die in den anderen Ländern der Visegrád-Gruppe getroffen wurden. Im Gegensatz zu seinen Partnern in Westeuropa, wo die Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in ihrer ersten Phase exponentiell wurde, verzeichnet Polen – ein Land mit 38 Millionen Einwohnern – bisher eine lineare Ausweitung der Epidemie.

Kumulierte Anzahl der Covid-19-Fälle. Tag1 = Datum, ab dem neue Covid-19-Fälle jeden Tag bestätigt wurden: 21.2. für Italien, 25.2. für Deutschland, 26.2. für Frankreich und Spanien, 27.2. für Großbritannien, 6.3. für Polen (Quelle der Daten: https://www.worldometers.info/coronavirus/ bzw. https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports)

Am 30. März zählte Polen 1905 bestätigte Fälle und 26 Todesfälle im Bezug auf das Coronavirus für 46.607 durchgeführte Testungen seit Anfang des Monats. Die Strategie der Warschauer Behörden bestand darin, ab dem Erscheinen der Epidemie in Polen zu reagieren, indem sie ab dem 11. März (noch vor Frankreich, Großbritannien bzw. Spanien) die Schließung der Schulen, Universitäten, Kinos, Theater, Museen und Einkaufszentren anordneten bzw. die Veranstaltungen mit mehr als 50 Personen verbaten – einschließlich am Sonntag in den Kirchen, womit die Geistlichkeit soweit umgehen konnte, indem sie die Anzahl der Messen vermehrte bzw. den Gläubigen einen Dispens von der Teilnahme an der Sonntagsmesse erteilte. Die Restaurants und Kneipen können nur Speisen und Getränke austeilen, die entweder mitgenommen oder nach Hause geliefert werden. Ferner wurden die Polen gebeten, einen Mindestabstand untereinander zu bewahren bzw. haben sich die Geschäfte ausgerüstet, um ihr Personal zu schützen. Als diese Maßnahmen in Kraft traten, gab es noch keine 30 bekannten Fälle in Polen.

Die Schließung der Grenzen wurde zur zweiten Achse der polnischen Strategie, um die Epidemie zu kontern, und Polen war eines der ersten europäischen Länder, die diese Maßnahme trafen, indem es sich über den Protest der Europäischen Kommission hinwegsetzte. Seit dem 15. März um null Uhr dürfen nur noch Polen bzw. Ausländer mit einer Aufenthaltsgenehmigung nach Polen einreisen. Diese Schließung der Grenzen für die nichtansässigen Ausländer betrifft allerdings nicht den Warenverkehr. In einer ersten Phase mussten die LKW-Fahrer durch eine strenge Gesundheitskontrolle, doch haben die polnischen Behörden diese Gesundheitskontrolle wegen der riesigen Staus lockern müssen, die dadurch gebildet wurden, was auch rasch zum Mangel an manchen importierten Produkten in den Geschäften führte. Hingegen müssen alle Polen und in Polen ansässige Ausländer, die nach Polen einreisen, unbedingt eine 14tägige Quarantäne bei sich zuhause absolvieren – und zwar mit täglicher Kontrolle durch die Polizei bzw. sogar durch eine App auf ihrem Smartphone. Im Falle der Verletzung der äußerst strengen Bedingungen der Quarantäne, die jeden Kontakt mit einer anderen Person ausschließen (sogar die Lebensmittel für diese Personen müssen vor ihrer geschlossenen Tür abgelegt werden), sei mit einer Geldstrafe von bis zu zł 30.000 (€ 6.600) bzw. einer Haftstrafe von bis zu einem Jahr Gefängnis zu rechnen.

Mit der Hilfe der nationalen Luftfahrtgesellschaft LOT organisierte Mateusz Morawieckis Regierung Charterflüge, um die nach der Suspendierung der regelmäßigen Flugverbindungen nach dem 15. März im Ausland gestrandeten Polen in die Heimat zurückzuholen.

Ende März befanden sich somit mehr als hunderttausend Menschen in Quarantäne in Polen.

Ab dem 25. März erließ die Regierung eine allgemeine Ausgangssperre der Bevölkerung. Die Leute werden gebeten, nur dann auszugehen, wenn es absolut notwendig ist (allerdings ohne mitzutragende Eigenerklärung wie in Frankreich oder Italien), wie z.B. um arbeiten zu gehen (die meisten Unternehmen arbeiten zwar weiter, allerdings ist Homeoffice überall pflichtig, wo es möglich ist), um einkaufen zu gehen (die meisten Geschäfte bleiben offen mit Ausnahme der Einkaufszentren, wo nur die Supermärkte noch öffnen dürfen) bzw. um spazieren zu gehen unter der Bedingung keine Ansammlungen von mehr als zwei Personen zu bilden, die nicht im gleichen Zuhause wohnen. Die Veranstaltungen – auch aus religiösen Zwecken – sind nunmehr auf maximal fünf Teilnehmer eingeschränkt, was de facto die Sonntagsmessen suspendiert hat, die die polnischen Katholiken nun im Fernsehen oder im Internet verfolgen müssen. Dieses Verbot der Messen kann in diesem erzkatholischen Land wundern. Ferner wurde die maximale Anzahl der in den öffentlichen Verkehrsmitteln beförderten Fahrgäste bei der Hälfte der vorhandenen Sitzplätze festgelegt.

In einem am 16. März vom Magazin Do Rzeczy veröffentlichten Interview erklärte Gesundheitsminister Łukasz Szumowski die Zweckmäßigkeit davon, Maßnahmen gleich bei dem Anfang der Epidemie zu treffen: „Sobald das Virus in der Bevölkerung im Umlauf ist, sind solche Maßnahmen weniger sinnvoll. Wenn heute mehrere Millionen Menschen aufhören, den Bus zu nehmen und sich auf der Schule bzw. auf der Universität zu treffen, so haben wir eine Chance, die Verbreitung des Virus einzuschränken.“ Der Gesundheitsminister, der von Beruf Kardiologe ist, ist ein bisschen der Held dieser Zeit in Polen mit seinen täglichen Pressekonferenzen, mit den dunklen Schatten unter seinen übermüdeten Augen und seiner ruhigen und sachlichen Art. Prof. Szumowski gehörte 2014 zu den Unterzeichnern der Glaubenserklärung der katholischen Ärzte. Heute steht er auf dem dritten Platz der Persönlichkeiten, denen die Polen am meisten Glauben schenken – nach Staatspräsident Andrzej Duda und Ministerpräsident Mateusz Morawiecki.