Rumänien – Die überwiegende Mehrheit der französischen Staatsbürger lebt in Frankreich. Das französische BIP wird größtenteils durch Aktivitäten in Frankreich generiert, die im Allgemeinen unter französischer Gerichtsbarkeit stehen, und durch Wirtschaftsakteure, die größtenteils von den verschiedenen Schichten des französischen Kapitalismus abhängen (vom Eigentümer der Bäckerei bis zum Großaktionär eines internationalen Konzerns).
Diese im Westen der EU häufig vorkommende Situation ist bei diesem Kolonialrand durchaus nicht so deutlich, den der Westen gegenüber dem ehemaligen Sowjetblock gewonnen hat und dessen Integration den sanitären Namen „Erweiterung“ trug (die Bezeichnung „Eroberung des Lebensraums“ wurde ja bereits von einer früheren transnationalen Konstruktion genutzt).
In Ungarn zum Beispiel ist es das Kapital, das tendenziell nicht ungarisch ist: Während Familienunternehmen und KMU mit ungarischem Kapital (insbesondere in der Gastronomie und im Tourismus) arbeiten, sind die Fabriken deutsch (insbesondere in der Automobilindustrie). Ungarn hat gerade den Preis für diese Abhängigkeit in Form eines Rettungspakets für diese Fabriken im Wert von 1.300 Milliarden Forint bezahlt (zum jetzigen Zeitpunkt fast 3,7 Milliarden Euro – beinahe 0,26% des BIP des Jahres 2019), was größtenteils durch Erpressung (Angriff auf den Forint) erreicht wurde, da Ungarn nicht zur Eurozone gehört und andere Krisenprioritäten als die Rettung einer deutschen Automobilindustrie hätte, die finanziell stärker dasteht als ungarische KMUs. Ein großer Teil dieses Geldes, das hauptsächlich zur Finanzierung von Kurzarbeit bestimmt ist, wird allerdings unweigerlich in Form von Konsum und direkten und indirekten Steuereinnahmen in Ungarn verbleiben.
Ganz anders ist es in Rumänien der Fall, das auch kapitalabhängig ist, aber vor allem einen großen Teil seiner Bevölkerung – und insbesondere seiner aktiven Bevölkerung – sozusagen „ausgelagert“ hat .
Wenn diese Situation nicht einzigartig ist (sie betrifft in unterschiedlichem Maße alle Mitgliedstaaten, die sich aus der Erweiterung nach Osten ergeben haben, insbesondere Polen und die Slowakei), ist sie im rumänischen Fall (nur) extrem. Allein Nicht-EU-Länder wie Moldawien und Serbien übertreffen Rumänien in diesem Bereich. In meinen Leitartikeln zu diesem Land habe ich oft auf diesen Sachverhalt hingewiesen, der im Fall der betroffenen Staaten – und insbesondere für Rumänien – das klassische europäische Konzept des Nationalstaates teilweise überholt. In der Tat teilen ein erheblicher Teil der aktiven Bevölkerung und der Wählerschaft die sozioökonomischen Interessen der sesshaften Bevölkerung nur in marginaler Weise.
Seit dem Wahldebakel der Sozialdemokraten im Frühjahr 2019 und der Wiederwahl von Präsident Klaus Johannis im Herbst desselben Jahres wird Rumänien jedoch offiziell von den politischen Vertretern seiner ausgewanderten Bevölkerung regiert – deren Interessen und Mentalität, nebenbei bemerkt, bereits seit Jahren die politischen Entscheidungen in Bukarest schwer belasteten. Unter der Gefahr einer leichten Vereinfachung können wir sagen, dass heutzutage das, was allgemein als „rumänische Rechte“ bezeichnet wird, tatsächlich die „Partei der Ausgewanderten“ darstellt, während die „Linke“ mehr schlecht als recht die Interessen der Verbliebenen verteidigt. Während diese Linke darüber hinaus nicht besonders einwandererfreundlich, antireligiös oder Pro-LGBT sei, wie die westliche Linke es ist, verdient sie ihren Namen andererseits eher aus sozialpolitischer Sicht : Die Ausgewanderten, die großteils durch Subventionen Familienmitgliedern, die im Land verblieben sind, den Zugang zu privatisierten Dienstleistungen (Gesundheit, Bildung, Verkehr usw.) gewährleisten können, halten es nicht als in ihrem Interesse, die Sozialpolitik zu unterstützen (Löhne, die rumänische Beamte dazu veranlassen, im Land zu bleiben usw.); sie bevorzugen daher die Prioritäten, die von der „rumänischen Rechten“ verteidigt werden, wie zum Beispiel Waffeneinkäufe, die sicherlich noch Jahrhunderte andauern sollten, um ihrem Land im Falle eines offenen Konflikts mit Russland die geringste Chance zu geben, aber wenigstens dazu dienen sollen, Rumänien im Westblock zu verankern.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass die „Zugehörigkeit zu Europa“, wie dies im rumänischen politischen Diskurs so schön heißt, vor allem diese sehr prosaische Realität abdeckt, den Auslandsrumänen langfristig das Recht zu garantieren, zwischen ihrem De-facto-Land (dem Land, in dem sie die meisten Wochen im Jahr verbringen, in dem sie oft ihr gesamtes Einkommen verdienen, in dem sie ihre Steuern zahlen und ihre Kinder am häufigsten einschulen, normalerweise in Fremdsprachen) und ihrem Herkunftsland Rumänien hin- und herzupendeln, das nur noch in einem Teil der Fälle (unter Berücksichtigung der zahlreichen Einbürgerungen) ihre rechtliche Heimat ist und in dem ihre episodische Präsenz aus sozioökonomischer Sicht immer mehr einen ausgesprochen touristischen Charakter annimmt.
Daher das Grundproblem: Aus welchem Recht wählen diese Touristen bzw. Migranten in Rumänien? Die Frage stellt sich bei jedem Wahltermin und neulich brachte sie viele Publizisten, die der rumänischen „Linken“ nahestehen, dazu, die Abschaffung des konsularischen Wahlrechts zu fordern. Angesichts der Fülle von De-facto-Ausgewandertsn (die ihren Hauptwohnsitz in Rumänien haben und in ihrem Wahlland häufig schwarz arbeiten) ist es in der Tat oft unmöglich, Ausgewanderte offiziell zu identifizieren – aber, indem man die Abstimmung von einer Rückkehr ins Land abhängig macht, wäre es immer noch möglich, sie zu bitten, (durch Bezahlung einer Fahrkarte oder eines vollen Tankes) die Tatsache des Interesses zu bekunden, das sie angeblich (in sozialen Netzwerken sogar oft hysterisch) für die Interessen ihres Herkunftslandes aufbringen.
Das Auftretens auf dem Schachbrett dieses Beschleunigers der Geschichte namens Covid-19 lässt die Daten des Problems leicht aufrütteln und wirft die Frage in einer bisher beispiellos scharfen Weise wieder auf.
Erinnerung an die Fakten:
- Während des gesamten Monats März kehrten rumänische Ausgewanderte, die in Westeuropa – und insbesondere in Italien – leben, einerseits unter dem Einfluss der apokalyptischen Psychose, die sich verbreitet hatte, andererseits mehr oder weniger durch die Umstände dazu gedrängt, nach Rumänien zurück: oft haben sie informelle Arbeitsplätze verloren, weswegen sie daher oft keinen Anspruch auf Sozial- oder Krankenversicherung haben, manchmal unter prekären Wohnbedingungen leben, und somit haben viele es für vorsichtiger gehalten, in „ihre Penaten“ zurückzufahren, um im Falle einer Infektion durch diesen maroden Staat behandelt zu werden, zu dessen Budget sie jahrelang nicht beigetragen haben (und was die Jüngsten unter ihnen betrifft, noch nie beigetragen haben), und der ihnen dennoch weiterhin kostenlose Krankenhausversorgung auf der Grundlage ihres bloßen Personalausweises garantiert. Von den zwei bis vier Millionen De facto Ausgewanderten sind laut konservativen Schätzungen 400.000 in das Land zurückgekehrt. Die rumänischen Behörden geben zu, dass 40.000 wahrscheinlich eingereist sind, bevor die geringste Maßnahme ergriffen werden konnte, was die wachsende Besorgnis der sesshaften Bevölkerung und der Transitländer (Slowenien, Österreich bzw. Ungarn) weckte. Ihre Rückkehr hat in der Tat erheblich zur Verbreitung des Covid-19 in Rumänien beigetragen, einem Land, dessen andere Parameter (periphere Lage, schlechte Verkehrsinfrastruktur, schwacher Tourismus) nicht dazu prädestinierten, ein vorrangiges Opfer des Virus zu werden. Doch ist es nun tatsächlich zu einem geworden – zumindest wenn wir es mit dessen Nachbarn vergleichen: Während ich gerade schreibe, zählt Rumänien 14 Tote pro Million Einwohner (diese Zahl ist wahrscheinlich aufgrund der Überbewertung der Gesamtbevölkerung unterschätzt), das heißt mehr als alle mittel- und osteuropäischen Länder, mit Ausnahme des winzigen Sloweniens (das zwischen zwei westlichen Brutstätten eingeklemmt ist) und des nicht weniger winzigen Estlands. Zum Vergleich: Selbst das in Deutschland geografisch eingeschlossene Tschechien hat nur 11 Tote pro Million Einwohner. Nach einigen Tagen wurden dennoch Maßnahmen ergriffen, und seitdem werden aus Italien zurückkehrende Ausgewanderte (mit Ausnahme derer, die über das Land gelogen haben, woher sie zurückkehren…) in provisorischen Einrichtungen entlang der ungarischen Grenze unter Quarantäne gestellt. Die Kosten für diese Quarantänemaßnahmen trägt natürlich der rumänische Steuerzahler, also die sesshafte Bevölkerung.
- Ab dem Anfang der zweiten Aprilwoche deuteten zunehmend eindringliche Gerüchte auf den Wunsch vieler zurückgekehrten Ausgewanderten hin, die „aus der Quarantäne“ heraus waren (oder diese umgegangen hatten), wieder in die „Adoptionsländer“ zur Arbeit zu fahren und insbesondere auf den Mangel an Arbeitskräften (insbesondere in der Landwirtschaft), der in diesen Ländern festgestellt wurde, da der Sommer doch näher kommt. Insbesondere war von einem bilateralen Abkommen mit Deutschland die Rede, das die Auswanderung bzw. Rückkehr von 80.000 Saisonarbeitern – insbesondere zur Rettung der Spargelsaison – genehmigte. In der Tat war das Internet in den letzten Tagen voller Bilder vom Flughafen Klausenburg (Cluj), wo Tausende von Gastarbeitern auf Charterflüge nach Deutschland warteten. Diese hohe menschliche Konzentration, die gegen alle derzeit in Rumänien und anderswo geltenden Distanzierungsregeln verstieß, wurde anscheinend von den Behörden toleriert, die auch über andere Gesetzesverletzungen (insbesondere über die nächtliche Zustellung der Gastarbeiter zu diesem Flughafen, über Hunderte von Kilometern hinweg, u.a aus der rumänischen Moldau) die Augen zugemacht haben, um diesen Exodus zu ermöglichen. Diese Situation wird von den sesshaften Menschen als bittere Ungerechtigkeit empfunden, gegen die der Staat Klaus Johannisʼ andererseits eine extreme polizeiliche Strenge anwendet, um sie insbesondere der Osterfeier zu berauben (auch wenn, insbesondere in den Dörfern, einige der verbotenen Messen nur ein paar Dutzend Gläubige versammelt und angesichts der sich ständig verbessernden Wetterbedingungen unter freiem Himmel hätten gefeiert werden können. Ohne auch nur über die rechtliche Dimension zu sprechen, wurden diese Abfahrten (oder Rückkehren) aufgrund einer speziellen militärischen Anordnung genehmigt.
Was sagen uns diese Ereignisse?
- Dass Rumänien kein souveräner Staat ist. Seine politische Klasse lebt nicht nur seit dem Fall von N. Ceauşescu unter der Herrschaft eines dem Westen unterstellten tiefen Staates; seine Institutionen haben nicht nur seit 2007 unter der EU gelitten, sondern vor allem seine soziodemografischen Struktur und Wirtschaft machen es nun zu einem Wohnheim und sterbenden Vorort des industriellen Herzens der EU. In der Tat haben Klaus Johannisʼ Gegner jetzt gutes Spiel, ihn der Unterwürfigkeit gegenüber Italien (Erlaubnis zur Rückführung im März) und Deutschland (Erlaubnis zur laufenden Abreise) zu beschuldigen; es ist jedoch nicht sicher, ob eine andere Regierung (und insbesondere eine von der rumänischen „Linken“ gebildete Regierung) aus Mangel an Macht anders reagiert hätte. Sofern das Wahlrecht nicht mit Steuern verknüpft wird bzw. die Ausgewanderten aus ihrer Staatsbürgerschaft nicht entlassen werden, so ist es die gesamte politische Klasse Rumäniens, die zur ständigen Geisel dieser Migrantenbevölkerung wird, die außer der Sprache (für diejenigen, die sie noch praktizieren) nur noch wenig mit den Verbliebenen im Land verbindet. Und vor allem schafft die Existenz dieser Bevölkerung eine wirtschaftliche und finanzielle Abhängigkeit, mit der es noch schwieriger umzugehen ist: Nicht nur die Wirtschaft der Postanweisungen spielt eine bedeutende Rolle für das BIP (obwohl sie manchmal durch die „Rechte“ aus propagandistischen Gründen etwas überschätzt wird), sondern birgt vor allem jede hastige Rückführung eines erheblichen Teils dieser ausgelagerten Bevölkerung die Gefahr, dass die Arbeitslosigkeit und allgemein die Nachfrage nach öffentlichen Dienstleistungen im am wenigsten umverteilenden Staat der EU explodiere. Mit anderen Worten: In einer Zeit der Grenzschließung wird der Export „gefährlicher Klassen“, von einer politischen Lösung, die er war, schnell zum Damoklesschwert. Daher ist es sicherlich möglich, aber nicht notwendig, wie einige es tun, die Ausübung diplomatischer Erpressung an Klaus Johannis anzunehmen, um dessen jüngste Entscheidungen zu erklären. Viel wahrscheinlicher befolgte er die Anweisungen des tiefen Staates und insbesondere die des unabänderlichen Mugur Isărescu, der an der Spitze der Zentralbank den rumänischen Leu einen Monat lang bei Kräften gehalten hat, auf die Gefahr hin, die Währungs- oder gar die Goldreserven des Landes zu erschöpfen.
- Diese Abhängigkeit ist im Übrigen unausgewogen: Während Rumänien sozioökonomisch de facto zu einer deutsch-europäischen Kolonie geworden ist, wird der Polizeiapparat, der im Grunde genommen sein Entscheidungsherz darstellt, weitgehend vom amerikanischen tiefen Staat und vom militärisch-industriellen Komplex kontrolliert. Nachdem Rumänien bisher weniger Tests pro Million Einwohner (2.881) durchgeführt hat als Ungarn (3.100), Mazedonien (3.154), Montenegro (3.708) usw., wird es offensichtlich mit einem noch akuteren Mangel an antiepidemiologischen Mitteln als die anderen Länder der Region konfrontiert, die in den letzten Jahren den Boykott Chinas nicht zu einer dominierenden Achse ihrer Außenpolitik gemacht haben. Während Rumänien die Gesundheitsversorgung bzw. Arbeitslosigkeit eines Teils der deutschen, italienischen usw. Belegschaft sicherstellt, zahlt es parallel dazu den Preis einer amerikanischen Treue, die nie etwas mehr zurückgebracht hat, als großartige Anschaffungen teurer und nutzloser Waffen. Durch die Beschleunigung der transatlantischen Scheidung, riskiert also das Covid-19 ebenfalls, den rumänischen geostrategischen Spagat noch unmöglicher zu machen.
- Aber die wichtigste Lehre – und zwar diejenige, die aus Mangel an kritischer Distanz sicherlich der größten Anzahl der Beobachter entgehen wird – ist die, die aus der relativen politischen Passivität der rumänischen Bevölkerung angesichts dieser Situation gezogen werden kann und muss. Wie überall in Europa hält sich die überwiegende Mehrheit an weitgehend absurde Quarantänemaßnahmen, die von einer illegitimen Regierung verhängt wurden, und sogar wenn die Menschen – wie das Verhalten derjenigen zeigt, die derzeit auf die Straße gehen – größtenteils verstanden haben, dass außerhalb der Risikokategorien (Kranke und Alte) die Bedrohungen, die das Virus für ihr Leben und ihr Glück darstellt, eindeutig weniger beängstigend sind, als diejenigen, die von der Psychose über Covid-19 und deren tragischen sozioökonomischen Folgen herrühren. Mit anderen Worten: Schichten- und ideologienübergreifend sind die meisten Rumänen bereit, ein angemessenes Risiko einzugehen, um ihren individuellen Lebensstandard (einschließlich höchstens denjenigen ihrer Familie) zu verteidigen, aber auf keinen Fall ein nationales Interesse zu verteidigen, woran sie nicht oder nicht mehr glauben. Erst spät vom Westen als Teil der antirussischen Eindämmung konstituiert ist der rumänische Staat ist nicht der Ausdruck eines kollektiven Willens, und die Identität, auf der er beruht (und die er beibehält), ist höchstens ethnischer Natur. Mit dem Verschwinden von Infanteriekriegen und unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Bedeutungslosigkeit (sobald seine – demographische – Hauptressource wie die anderen beschlagnahmt sein wird) behält besagter Staat für seine Sponsoren höchstens den Wert eines Territoriums, auf dem sie ihre Militärbasen errichten können. Die NATO plant auch, neue zu eröffnen, um die Türkei diskret evakuieren zu können. Und sofern eine außereuropäische Einwanderung die Karies der Auswanderung vor Ort reparieren wird, ist es nicht einmal sicher, dass der westliche Überbau weiterhin das Bedürfnis verspürt, die Fiktion eines „rumänischen Nationalstaates“ zu unterstützen. Vielleicht belohnt er dann auch weiterhin nicht mehr die Loyalität eines überzähligen und gierigen tiefen Staates, der alles in allem die Kontrolle über eine Bevölkerung garantiert, deren Widerstandspotential sichtbar bereits Null ist oder schwindelerregend gegen Null tendiert.