Die polnische Regierung kündigte am Donnerstagabend eine erste Reihe von Maßnahmen an, um die Ausgangssperre zu erleichtern und die Wirtschaft wiederzubeleben, während das Land in diesem Jahr seine erste Rezession seit 1992 erleben könnte. Die Ratingagentur S&P erwartet einen Rückgang des BIP um 2% in diesem Jahr bzw. ein Wachstum von 4,8% im kommenden Jahr. Für den IWF könnte der Rückgang des polnischen BIP in diesem Jahr sogar 4,6% erreichen, und von einem Wachstum von 4,2% im Jahr 2021 gefolgt werden. Damit sich die Wirtschaft so schnell wie möglich erholen kann und auch nicht in eine Spirale eintritt, die zu Depressionen führen würde, hat Ministerpräsident Mateusz Morawiecki freilich auf sein Versprechen eines ausgeglichenen Haushalts für dieses Jahr verzichtet, und zwei Pläne zur Unterstützung von Unternehmen, die als „Krisenschutzschilde“ bezeichnet werden, wurden vom Parlament verabschiedet (Dem zweiten wurde in letzter Lesung in der Nacht von Donnerstag auf Freitag zugestimmt) und schon kündigen manche Medien einen dritten Plan an, der gerade vorbereitet wird.
Während soziale Abstandsmaßnahmen in Polen schon in einer frühen Phase der Epidemie ergriffen wurden, so sind sie weniger streng als in Frankreich, Italien, Spanien oder in Großbritannien. Auf diese Weise konnten die meisten Geschäfte offen bleiben, mit Ausnahme derjenigen in Einkaufszentren, in denen nur noch Supermärkte betrieben werden. Seit Donnerstag, dem 16. April, müssen Menschen an allen Orten, an denen sie sich in der Nähe anderer Menschen befinden, Mund und Nase bedecken (in Geschäften, an Arbeitsplätzen, auf der Straße, wenn sich Menschen in der Nähe befinden , im öffentlichen Verkehr, in Autos in Gegenwart von Personen, die nicht im gleichen Haushalt leben usw.), wobei nach Möglichkeit weiterhin ein Mindestabstand von 2 m zwischen ihnen einzuhalten ist. Polen schreibt daher jetzt das Tragen von Masken wie Tschechien und die Slowakei vor – zwei Länder, in denen die Epidemie langsamer fortgeschritten ist.
Fernarbeit bleibt nach Möglichkeit obligatorisch und es wurde noch kein Termin für die Rückkehr der Kinder in die Schulen festgelegt. Ab Montag, dem 20. April, können die Geschäfte mehr Kunden gleichzeitig aufnehmen: vier gleichzeitig für Geschäfte unter 100 m², eine Person pro 15 m² für Geschäfte über 100 m² (seit dem 24. März waren es höchstens 3 Kunden pro Kassa, unabhängig von der Größe des Geschäfts). Die Kirchen dürfen nun eine Person pro 15 m² empfangen – gegenüber maximal 5 Gläubige seit dem 24. März. Der Zugang zu Parks und Wäldern ist wieder gestattet. Kinder über 13 Jahren können wieder unbegleitet ausgehen und reisen.
Es wurde eine wöchentliche Neubewertung mit Maßnahmen angekündigt, die entsprechend der Entwicklung der Epidemie ergriffen werden sollen.
Nach dieser ersten Phase ist eine zweite Phase geplant – ab wann ist noch nicht bekannt – mit der Wiedereröffnung von Hotels, Bibliotheken, Museen und Kunstgalerien, und erst mit der dritten Phase werden Friseure, Schönheitssalons sowie Einkaufszentren (jedoch mit Einschränkungen) bzw. Restaurants wiederöffnen dürfen. Dann kommt eine vierte Phase für alles Andere (Fitnessclubs, Theater, Kinos usw.) und zwar mit neuen Gesundheitsregeln.
Natürlich werden Unternehmen mit Spannung auf die Wiedereröffnung der Schulen warten, um ihre zu Hause gefangenen Mitarbeiter wiederzubekommen, aber wie oben erwähnt, wurde noch kein Datum dafür bekannt gegeben, und es kann durchaus sein, dass die Wiedereröffnung der Schulen erst im September erfolgen könnte. Sie werden auch auf die Rückkehr der rund 150.000 Ukrainer warten, die in ihre Heimat zurückgekehrt sind, insbesondere um die Arbeit auf den Baustellen zu beschleunigen, die jetzt durch Gesundheitsmaßnahmen und den Mangel an Arbeitskräften verlangsamt werden (denn die Baustellen sind in Polen nicht geschlossen worden). Dafür wird es jedoch notwendig sein, die Wiedereröffnung der Grenzen für Ausländer abzuwarten, deren Datum auch noch nicht bekannt ist. Neben dem Arbeitskräftemangel (Polen hatte im Januar nur 2,9% Arbeitslosigkeit gemäß der Eurostat-Berechnungsmethode oder 5,5% nach den Kriterien des polnischen statistischen Amtes, GUS) sind die Unternehmen seit März einem starken Rückgang des Verbrauchs, der Einstellung „nicht wesentlicher“ Aktivitäten bzw. der starken Abschwächung der Aktivitäten auf den wichtigsten Exportmärkten ausgesetzt.
Um den Unternehmen zu ermöglichen, diese Periode zu überleben, hat die Regierung von Mateusz Morawiecki mehrere große Maßnahmen vom Parlament verabschieden lassen, darunter: Entschädigung wegen Abgangs oder Reduzierung der Tätigkeit bis auf 80% des Mindestlohns für Selbständige, Befreiung von Sozialversicherungsbeiträgen für Selbstständige und Unternehmen mit bis zu 9 Beschäftigten für 3 Monate, teilweise Befreiung von Sozialversicherungsbeiträgen für größere Unternehmen, Zahlung von Löhnen durch den Staat bis zu 50% des Mindestlohns oder bis zu 40% des Durchschnittslohns für Kurzarbeit sowie Möglichkeiten der Steuerstundung. Voraussetzung dafür ist ein Umsatzrückgang des betreffenden Unternehmens gegenüber dem Vorjahresmonat. Darüber hinaus enthalten die beiden bisher verabschiedeten „Krisenschutzschilde“ Maßnahmen zur Unterstützung der am stärksten betroffenen Sektoren wie Verkehr und Tourismus sowie Maßnahmen zur Unterstützung von Krediten, Vorzugskrediten und teilweise nicht erstattungsfähigen Krediten für Unternehmen, die ihre Belegschaft nicht entlassen, die Möglichkeit, die Rückzahlung von Bankkrediten für einen begrenzten Zeitraum auszusetzen usw.
Andere Maßnahmen zielen darauf ab, die Produktion zu unterstützen, u.a. mit der Fortsetzung der Infrastrukturarbeiten mit neuen Ankündigungen im April sowie beispielsweise mit dem Start eines großen Maskenproduktionsprogramms durch Koordinierung der Kapazitäten von rund 200 im ganzen Land verteilten Nähwerkstätten.
All diese Maßnahmen haben einen potenziellen Wert von schätzungsweise 212 Milliarden Złoty (rund 49 Milliarden Euro nach dem Kurs vor der Epidemie – etwas mehr als 45 Milliarden Euro zum aktuellen Kurs) bzw. rund 10% von Polnisches BIP.