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Lesezeit: 5 Minuten

Dieser Artikel ist am 25. April 2021 auf der Seite Moszkvatér erschienen.

Mit der Rückkehr Amerikas wird Mitteleuropa erneut zur Frontlinie eines Konflikts zwischen den Vereinigten Staaten und Russland. Das slowakische und dann das tschechische Beispiel zeigen, dass Washington keinen „Verkehr“ mit Moskau duldet – und beginnt, die gleiche Behandlung gegenüber Peking anzuwenden –, aber auch, dass die Zermürbung der souveränistischen Parteien an der Macht und der Sieg von Joe Biden den globalistischen Kräften Auftrieb gegeben hat, die die Eliten der Region zunehmend unter Druck setzen. Igor Matovič ist gefallen, Andrej Babiš versucht das Unmögliche, um nicht das gleiche Schicksal zu erleiden. Könnte Viktor Orbán der Nächste sein?

Joe Bidens Aufstieg an die Macht und das damit verbundene Wiedererstarken Amerikas auf der Weltbühne hat die internationale Situation verändert. Die Spannungen haben zugenommen, und die USA, die entschlossen sind, ihre globalen Positionen um jeden Preis zu halten, üben nicht nur auf ihre Rivalen – sondern sogar auf ihre Verbündeten – immer mehr Druck aus und verlangen, dass sie sich in ihrem Kampf gegen China und Russland eindeutig auf ihre Positionen ausrichten.

„Je weniger Gewicht ein Land unter diesen Bedingungen hat, desto weniger kann es sich gegen diese Art von ‚unabweisbaren Vorschlägen’ wehren. Und diejenigen der politischen Kräfte, deren Rückhalt in der Bevölkerung in ihren Ländern schwindet, sind besonders gefährdet.“

Im laufenden Umbruch nehmen die Globalisten, die unter der ideologischen Flagge der Verteidigung demokratischer Werte in den Krieg ziehen, schnell die sogenannten illiberalen Kräfte – die Populisten, die die Souveränität betonen – ins Visier. Janez Janšas Slowenische Demokratische Partei steht seit geraumer Zeit im Kreuzfeuer liberaler Angriffe, während die italienische Lega von Matteo Salvini, die sich ebenfalls in einer zunehmend schwierigen Situation befindet, es vorgezogen hat, in der Regierung des Globalisten Mario Draghi in Deckung zu gehen. Was Polens Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) betrifft, die loyal zu Amerika ist, aber ein zu gutes Verhältnis zur Trump-Administration hatte, so bleibt ihre Regierung vorerst stabil, aber dunkle Wolken ziehen an ihrem Horizont auf, wie auch bei anderen Populisten. Andrej Babišs zentristisch-populistische Partei ANO (Aktion unzufriedener Bürger) kämpft zwar auch mit der Energie der Verzweiflung darum, an der Macht zu bleiben, aber die für diesen Herbst angesetzten Wahlen scheinen ihr nicht glücken zu wollen, sondern eher der „Piratenpartei“, die auf die Unterstützung Washingtons zählen kann.

„Angesichts all dieser Elemente ist es nicht verwunderlich, dass das Verhältnis zu Russland zu einem integralen Bestandteil der Auseinandersetzungen in der tschechischen Politik geworden ist. Aber angesichts dessen, was in der Slowakei passiert ist – ganz zu schweigen von Polen – wird diese Argumentation auf ganz Mitteleuropa anwendbar.“

Es sind die Streitigkeiten um die Sputnik-V-Käufe, die Matovičs Macht erschüttert haben, während Babiš auf Kosten eines Frontalangriffs auf Moskau zu retten versucht, was noch zu retten ist. In einem solchen Kontext ist es nicht mehr wirklich überraschend, dass nach der Posse in Prag nun Pressburg an der Reihe ist, russische Diplomaten auszuweisen – und sich dabei, in Ermangelung eines besseren Wortes, auf die geopolitische Lage zu berufen, um sich zu rechtfertigen. Oder dass Rosatom von der Teilnahme an der Ausschreibung für den Ausbau eines Atomkraftwerkes in Tschechien ausgeschlossen wurde. Und das, obwohl die russische Holding bereits bedeutende Aufträge an Škoda vergeben hat. Das verheißt nichts Gutes für den Ausbau des Kraftwerks Paks in Ungarn, der aus unerfindlichen Gründen noch nicht begonnen hat.

„Es ist sicher, dass die zunehmend angespannten Ost-West-Beziehungen, die aus Bidens Wahlsieg resultieren, die ungarische Außenpolitik beeinflussen werden, und es sollte keine Überraschung sein, dass sie ein Thema bei den ungarischen Parlamentswahlen im nächsten Jahr sein werden. Ungarns jahrzehntelange Politik der Öffnung nach Osten wird sich bei einem Regierungswechsel wahrscheinlich verlangsamen – aber auch das Risiko eines solchen Wechsels wird wahrscheinlich dazu führen, dass sie überhaupt in Frage gestellt wird.“

Die Präsidentschaftswahlen in den USA haben ein neues Kapitel in der Geschichte der bilateralen Beziehungen aufgeschlagen. Die Ruhe, die zwischen Washington und Budapest herrschte, die Verständigung zwischen dem Weißen Haus und der Orbán-Regierung – all das gehört nun der Vergangenheit an. Die neue Administration – da können wir sicher sein – wird die illiberale Politik der ungarischen Regierung – die in vielerlei Hinsicht heterodox ist und in vielen Bereichen den amerikanischen Interessen entgegensteht – nicht ohne Reaktion dulden wollen.

„Im Moment entwickeln sich die amerikanisch-ungarischen Beziehungen zufriedenstellend. Die Ruhe hält noch an, aber der Hauptgrund für diese Galgenfrist ist, dass die USA andere Sorgen haben.“

Was die Zukunft betrifft, wäre es jedoch falsch, sich irgendwelchen Illusionen hinzugeben. Viktor Orbán war der erste, der Donald Trump unterstützte, und einer der Einzigen, der nie wankte – Grund genug, die Gunst von Joe Bidens Team nicht zu genießen. Ganz zu schweigen davon, dass der ungarische Außenminister Péter Szijjártó während des US-Wahlkampfs hart mit Biden ins Gericht ging – etwas, das in Washington nicht so schnell vergessen werden wird. Und auch die neue amerikanische Regierung, die sich lautstark zu demokratischen Werten bekennt, dürfte mit dem Zustand der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn nicht zufrieden sein. Sie ist auch nicht glücklich über die allzu guten Beziehungen Budapests zu Moskau und Peking.

Die Regierung würde auch falsch liegen, wenn sie viele Vorteile erwarten würde. Sie versucht sicherlich, sich bei Washington einzuschmeicheln, indem sie ihre Militärausgaben steuert und erhöht, aber das wird nicht ausreichen. Während in der Trump-Ära solche Gesten vielleicht ausgereicht hätten, um die Dinge ruhig zu halten, ist jetzt die größte Hoffnung, die Orbán hat, dass Ungarn den Amerikanern nicht wichtig genug sei, damit Washington zustimme, viel Energie darauf zu verwenden, ihn zu stürzen.

„In jedem Fall kann man eine erhöhte Aktivität Washingtons und der unter seinem Einfluss stehenden zivilgesellschaftlichen Organisationen in Richtung einer ‚Demokratisierung’ Ungarns erwarten. Doch nach den ersten Handlungen der neuen Regierung zu urteilen, hängt die Überprüfung dieser Hypothese nicht wirklich vom tatsächlichen Zustand der Demokratie in einem bestimmten Land ab.“

Im Lichte des tschechischen Beispiels scheint es, dass mit dem Herannahen der Parlamentswahlen auch die Orbán-Regierung auf schwierige Zeiten zusteuert. Es ist sicher, dass Amerikas Schmeichelei und Unterstützung für die Kräfte der liberalen Linken zunehmen wird. Daran scheint es angesichts der ungarischen Kontakte von Außenminister Anthony Blinken und seiner explizit kritischen Haltung gegenüber der aktuellen Regierung keinen Zweifel zu geben. Und Blinken wird ganz sicher einen Botschafter wählen, der diese Einstellung teilt. Es scheint auch garantiert, dass die liberalen Kräfte innerhalb der EU-Institutionen dies nutzen werden, um die Intensität des Drucks, den sie auf Orbán ausüben, zu erhöhen. Ähnlich wie zum Zeitpunkt der Präsentation des Sargentini-Berichts.

„Die ungarischen Regierungskräfte, die kaum der Naivität verdächtigt werden können, sind sich – seien wir sicher – all dessen wohl bewusst und bereiten sich auf einen erbitterten Kampf vor.“

Genauso wie sich der Fidesz sicherlich der Tatsache bewusst ist, dass er in einem sich gegen ihn entwickelnden internationalen Umfeld und in einem Kontext schrumpfender außenpolitischer Handlungsspielräume wird wahlkämpfen müssen. Denn er hat nicht mehr den Schirm der Europäischen Volkspartei über seinem Kopf und kann immer weniger auf die Unterstützung Berlins zählen. Zum einen, weil der Wahlkampf die Aufmerksamkeit der deutschen Politik monopolisieren wird, und zum anderen wegen der Schwächung Angela Merkels, die Orbán bisher noch eine Art Schutz bot. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sie von der Macht abtreten wird und dass die Bildung einer linksliberalen Regierung in Deutschland Orbáns Situation am Ende sehr schwierig machen könnte. Wissend, dass die Grünen den globalistischen Offensiven Washingtons und Brüssels noch weniger entgegensetzen werden als die derzeitige Mannschaft – und das ist noch sehr untertrieben!

In dieser Perspektive sollten wir die Entwicklungen in Mitteleuropa verfolgen, ohne jedoch zu vergessen, dass der Rückhalt in der Bevölkerung, den Viktor Orbán genießt, den eines Babiš oder Matovič weit übersteigt. Oder die Tatsache, dass sich das ungarische politische System stark von dem in Tschechien und in der Slowakei unterscheidet. Aus all diesen Gründen ist es keineswegs sicher, dass der ungarische Regierungschef das Schicksal des letzteren teilen muss. Es ist jedoch sicher, dass er keine leichte Aufgabe haben wird. Und es ist nicht abzusehen, welche Opfer Orbán auf dem Altar amerikanischer Interessen zu bringen bereit sein wird, um an der Macht zu bleiben – nach dem Beispiel dessen, was Babiš gerade tut.

Gábor Stier

Von der Visegrád Post aus dem Ungarischen übersetzt.