Polen – Am 7. Juli gab die PiS-Fraktion bekannt, dass sie dank der Rückkehr eines der drei Abgeordneten, die Ende Juni ausgetreten waren, wieder über eine Mehrheit im Sejm verfügt. Die von der Koalition der Vereinigten Rechten gebildete Regierung kann nun auf 231 Abgeordnete zählen, einen mehr als die Mehrheit. Doch gleichzeitig berichtete die Tageszeitung Rzeczpospolita am 6. Juli, dass elf PiS-Abgeordnete einen Gesetzentwurf der nationalistischen und libertarischen Rechten gegen die Segregation der Polen nach sanitären Kriterien unterstützt haben.
„Niemand darf im politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Leben diskriminiert werden, weil er gegen Covid-19 geimpft ist oder nicht“, heißt es in der ersten Bestimmung des Gesetzentwurfs mit dem Titel „HALT der sanitären Segregation“.
Die zweite Bestimmung würde es verbieten, von Menschen zu verlangen, dass sie erklären, ob sie geimpft sind oder nicht, bevor sie Zugang zu Kultur-, Sport-, Bildungs- oder anderen Veranstaltungen haben, öffentliche Versorgungsgebäude betreten oder irgendwelche Leistungen erhalten können. Um einen solchen Entwurf einzubringen, sind mindestens 15 Abgeordnete erforderlich. Die Konfederacja, die das Gesetz gegen die sanitäre Segregation initiiert hat, hat jedoch nur 11 Mandatare im Sejm. Die anderen elf Abgeordneten, die es möglich machten, diesen Entworf im Sejm einzubringen, kommen alle aus der PiS-Fraktion (in der die Abgeordneten der vier Parteien der Koalition der Vereinigten Rechten sitzen). Während die Namen dieser Abgeordneten von der Konfederacja vertraulich behandelt werden, behauptet die Zeitung Rzeczpospolita, dass sich unter ihnen die PiS-Abgeordnete Anna Maria Siarkowska befinde, die an der Spitze der Anti-Sanitarismus-Bewegung innerhalb ihrer Fraktion steht. Im Mai gründete Siarkowska eine parlamentarische Gruppe gegen Sanitarismus, der sieben Abgeordnete angehören.
Der Begriff „Sanitarismus“ (poln. sanitaryzm) wurde in Polen von Dr. Paweł Basiukiewicz popularisiert. Wie viele andere Ärzte, die der Massenimpfkampagne oder der Gesundheitspolitik angesichts der Pandemie kritisch gegenüberstehen, wird Dr. Basiukiewicz von der Ärztekammer angegriffen, die von Gesundheitsminister Adam Niedzielski zu dieser Reaktion ermutigt wurde.
Aber nicht nur Ärzte, die sich der offiziellen Politik der Regierung im Kampf gegen Covid widersetzen, werden angegriffen.
Bis heute ist die Sendung Warto Rozmawiać („Reden lohnt sich“) des konservativen Journalisten Jan Pospieszalski, die im April wegen ihrer Kritik an der Gesundheitspolitik gegenüber dem Covid vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen suspendiert wurde, noch nicht wieder auf den Bildschirmen zu sehen. Diese Fernsehzensur kommt zu der sehr effektiven Zensur des Internets durch die sozialen Netzwerke in den USA hinzu.
Gleichzeitig erhöht die Regierung von Mateusz Morawiecki den Druck auf die Polen, sich impfen zu lassen. Angesichts von Ländern, die versuchen, Touristen anzulocken, indem sie von Anreisenden keinen Impfnachweis oder negativen Test verlangen, hat Polen die Verpflichtung eingeführt, allen nicht geimpften Personen, die aus dem Ausland zurückkehren, einen negativen Test vorzulegen – auch Kindern. Wer aus Ländern außerhalb des Schengen-Raums zurückkehrt, muss sich ebenfalls einer obligatorischen Quarantäne unterziehen. Diese Maßnahme hat viele ungeimpfte polnische Touristen dazu veranlasst, auf ihren Urlaub außerhalb Polens zu verzichten.
Während die Zahl der Menschen, die einen Termin zur Impfung vereinbaren, stark rückläufig ist, sagte der Sprecher des Gesundheitsministeriums Anfang des Monats, dass die Regierung darüber diskutiert, wie lange der Covid-19-Impfstoff kostenlos sein wird. Die Behörden machen keinen Hehl daraus, dass das Ziel dieser Mitteilung darin besteht, die Polen dazu zu bringen, sich schnell impfen zu lassen, bevor sie dafür zahlen müssen. Außerdem gilt die Begrenzung der Anzahl von Gästen bei Hochzeiten, Hotels, Restaurants, Theatern, Kinos, Konzerten, Schwimmbädern usw. nicht für Geimpfte, auch wenn dies in der Realität sehr kompliziert zu überprüfen ist. Da dies aber immer noch nicht ausreicht, kündigte Adam Niedzielski an, dass sein Ministerium eine Reihe von Maßnahmen vorbereitet, um Menschen, auch Minderjährige, zur Impfung zu bewegen.
Bildungsminister Przemysław Czarnek seinerseits deutete im Mai an, dass ungeimpften Kindern die Rückkehr in den Präsenzunterricht im September verwehrt werden könnte, wenn dies die Entscheidung des Gesundheitsministers sei.
Und das, obwohl die polnischen Kinder im Schuljahr 2020-21 bereits zu denjenigen in der EU gehören, die am längsten zu Hause bleiben mussten.
Doch während sich die EU-Gremien seit den PiS-Reformen ständig über die angeblich fehlende Unabhängigkeit der Justiz in Polen sorgen, häufen sich gleichzeitig die Gerichtsurteile, die die sanitären Einschränkungen und die während der Lockdowns verhängten Geldstrafen wieder aufheben. Am 1. Juli entschied der Oberste Gerichtshof (Kassationsgerichtshof), dass das per Regierungsdekret eingeführte Versammlungsverbot ungültig sei und dass ein Ausnahmezustand oder ein Sondergesetz hätte erlassen werden müssen, um ein solches Verbot einzuführen.
So wurden zwei Bürgern, die im vergangenen Oktober an einer Demonstration vor dem Büro eines Abgeordneten teilgenommen hatten, die Bußgelder erlassen, die gegen sie unter anderem mit der Begründung verhängt wurden, dass sie keine Maske getragen hatten. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs wird sicherlich einen Präzedenzfall schaffen.
Am Tag zuvor hatte ein Gericht in Kattowitz Sanktionen gegen Restaurantbesitzer aufgehoben, die während der Lockdowns Kunden empfangen hatten, als Restaurants und Bars offiziell keine Kunden in ihren Räumlichkeiten bedienen durften. Der Richter entschied, dass die Verfassung und das aktuelle polnische Recht es der Regierung nicht erlauben, einem Restaurantbesitzer den Betrieb zu verbieten. Was die Krafttraining- und Fitnessclubs betrifft, so haben sie gerade eine Sammelklage gegen die Regierung Morawiecki eingereicht, um Schadenersatz für die seit Beginn der Covid-Pandemie angeordneten Schließungen zu erhalten. Etwa 150 Unternehmen, die etwa 450 Fitnessclubs besitzen, haben sich der Sammelklage angeschlossen. Wenn sie gewinnen, wird die polnische Regierung etwas zu befürchten haben, da andere geschädigte Sektoren in den Startlöchern stehen.