Ungarn/Polen/EU – Während sich die Mehrheit des Europaparlaments am Donnerstag, den 10. März (mit 478 zu 155 Stimmen) für die schnelle Verhängung von Sanktionen gegen Ungarn und Polen aussprach, da der EUGH die Klagen dieser beiden Mitgliedstaaten gegen den „Konditionalitätsmechanismus“ abgewiesen hatte, scheint die Europäische Kommission jedoch – angesichts der durch den Krieg in der Ukraine verursachten humanitären Situation – eher geneigt zu sein, die Anwendung dieses Verfahrens zumindest vorerst auszusetzen.
„Es ist ‚höchste Zeit’ für die Kommission, ihren Pflichten nachzukommen“
Die Europaabgeordneten „begrüßten die Abgeordneten das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs, mit die von Ungarn und Polen gegen die Konditionalitätsverordnung erhobenen Klagen abgewiesen wurden sowie die Schlussfolgerungen des Gerichtshofs, dass die Verordnung im Einklang mit dem EU-Recht steht und die Zuständigkeiten der EU in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten bestätigt werden“. Ferner betonten sie
„dass es ‚höchste Zeit’ für die Kommission ist, ihren Pflichten als Hüterin der EU-Verträge nachzukommen und auf die anhaltenden Verstöße gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit in einigen Mitgliedstaaten zu reagieren, die eine Gefahr für die finanziellen Interessen der Europäischen Union darstellen“.
Ungarn und Polen nehmen mehr als anderthalb Millionen Flüchtlinge auf
Die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen scheint sich der Tatsache bewusst zu sein, dass eine Bestrafung der beiden an die Ukraine angrenzenden Mitgliedstaaten, die mittlerweile mehr als anderthalb Millionen Kriegsflüchtlinge – vor allem Frauen und Kinder – aufgenommen haben, zu einer künstlichen Verschärfung der bereits prekären humanitären Lage beitragen könnte. Die Auslösung des „Rechtsstaatsmechanismus“ würde den Haushalten Polens und Ungarns 130 bzw. 40 Milliarden Euro entziehen – Geld, das in den kommenden Wochen vor Ort dringend benötigt wird.
Laut Bloomberg wäre die Europäische Kommission sogar bereit, die Einführung dieses Mechanismus aufgrund der Veränderungen in der EU-Politik, die durch den russisch-ukrainischen Krieg verursacht wurden, vorläufig aufzugeben.
Im Falle Polens, das die große Mehrheit der ukrainischen Flüchtlinge aufnimmt, wäre die Einführung dieses Verfahrens umso unangebrachter, als die polnischen Behörden sich kooperativ zeigen und ihre Bereitschaft signalisiert haben, Teile der umstrittenen Justizreform abzubauen.
Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge als „gemeinsame Sache“ Europas
Der stellvertretende polnische Außenminister Pawel Jablonski, der am Montag, dem 14. März, von Bloomberg in Medyka an der ukrainischen Grenze interviewt wurde, sprach sich deutlich dafür aus:
„Wir befinden uns in einer Kriegssituation […] Dies ist eine Herausforderung, der sich Europa seit Jahrzehnten nicht mehr hat stellen müssen. Wir müssen all die kleinen Dinge beiseite lassen, [die uns entzweien]“,
Er betonte ebenfalls, dass Polen „Millionen von Euros“ benötigen werde, um die durch den Krieg in der Ukraine verursachten Flüchtlingsströme würdig aufzunehmen. Diese Meinung teilte auch der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, für den die Aufnahme der ukrainischen Flüchtlinge eine „gemeinsame Sache“ Europas darstellt.