Ungarn/Europäische Union – Nur wenige Tage, nachdem er eine Ausnahme vom russischen Ölembargo erwirkt hatte, hat der ungarische Ministerpräsident bei der Europäischen Union durchgesetzt, dass Patriarch Kyrill von Moskau von der Liste der Personen gestrichen werde, die von den antirussischen Sanktionen der Europäischen Union wegen der russischen Aggression gegen die Ukraine betroffen sind.
Religionsfreiheit ist eine Prinzipienfrage
Die Nachricht wurde am Donnerstag, den 2. Juni, vom ungarischen Außenminister Péter Szijjártó auf seiner Facebook-Seite verkündet: „Das sechste Sanktionspaket aus Brüssel ist ‚durch‘. Wir haben einen langen Kampf geführt, aber es hat sich gelohnt. Es hat sich gelohnt, dem Druck standzuhalten, es hat sich gelohnt, sich dem Mainstream zu stellen, der die Aufgabe unserer nationalen Interessen forderte… […] Und es gab noch einen weiteren wichtigen Punkt:
Wir haben es schließlich geschafft, Patriarch Kyrill von der Sanktionsliste streichen zu lassen. Für uns war dies eine Prinzipienfrage, denn ebenso wie auf das nationale Interesse bestehen wir auch auf Religionsfreiheit.
Es ist schwer vorstellbar, welche Prozesse in Gang gesetzt worden wären, wenn man das Oberhaupt einer der größten christlichen Kirchen Europas auf die Sanktionsliste gesetzt hätte“.
Ein umstrittener Würdenträger
Patriarch Kyrill von Moskau (Wladimir Michailowitsch Gundjajew), Patriarch von Moskau und der ganzen Rus, ist der höchste Würdenträger der russisch-orthodoxen Kirche. Er war zu Sowjetzeiten Mitglied des KGB und gilt als enger Vertrauter des ehemaligen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew sowie von Wladimir Putin, dessen Präsidentschaft er als „Wunder Gottes“ für Russland bezeichnet hat. Zuletzt sprach er sich positiv über die „militärische Sonderoperation“ in der Ukraine aus, da er der Meinung sei, dass Russland lediglich seine Grenzen verteidige. Er wird außerdem verdächtigt, ein sehr großes verstecktes Vermögen zu besitzen.
Religionsfreiheit ist „heilig und unantastbar“
Dabei hat der Grund, warum sich die ungarische Regierung gegen Sanktionen gegen ihn ausgesprochen hat, nichts mit seiner Person im engeren Sinne oder seinen politischen Standpunkten zu tun, sondern liegt vor allem in seiner Funktion als Religionsvertreter. Als der Patriarch von Antiochien und dem ganzen Orient, Ignatius Ephräm II. Karim, Primas der syrisch-orthodoxen Kirche, am 12. Mai vom ungarischen Ministerpräsident Viktor Orbán im Karmeliterkloster empfangen wurde, bat er ihn, sich bei seinen europäischen Amtskollegen dafür einzusetzen, dass Patriarch Kyrill von Moskau nicht von der Europäischen Union mit Sanktionen belegt werde:
„Ich bitte die Staats- und Regierungschefs, die Kirchen aus ihrer politischen Agenda und ihren politischen Aktionen herauszuhalten, denn die Position der Kirchen ist, dass sie gegen Gewalt sind“.
Bei dieser Gelegenheit hatte Viktor Orbán daran erinnert, dass sich Ungarn gegen die Aufnahme von kirchlichen Würdenträgern – ohne Ausnahme – in eine Sanktionsliste aussprechen würde, und erklärt, dass Ungarn die Religionsfreiheit als „heilig und unantastbar“ betrachte.
Diese Position wurde auch vom ungarischen Staatssekretär für die Hilfe für verfolgte Christen, Tristan Azbej (KDNP, Christdemokraten), vertreten, der auch das Programm Hungary Helps leitet. Weiters betonte Viktor Orbán dies erneut in seinem Kommuniqué vom 2. Juni :
„Die Position Ungarns zu möglichen Sanktionen gegen Patriarch Kyrill ist den EU-Partnern wohlbekannt und wurde in den letzten Wochen wiederholt zum Ausdruck gebracht.“
Die ungarische Beharrlichkeit in dieser Frage wurde insbesondere vom russischen Botschafter bei den Vereinten Nationen, Michail Uljanow, gelobt: „Der Name von Patriarch Kyrill wurde also dank der festen Position, des gesunden Menschenverstands und des politischen Willens Ungarns aus dem sechsten Sanktionspaket gestrichen“.