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Nach dem Krieg – die Zukunft der polnisch-ukrainischen Beziehungen

Lesezeit: 3 Minuten

Polen – Geschichte wiederholt sich: Die Deutschen wollen die Welt zu ihrem eigenen Besten retten, die Engländer nichts mehr vom Kontinent wissen, die Russen im Krieg eher plündern als kämpfen – und Polen heroisch auf der Seite der Unterliegenden streiten … und somit Gefahr laufen, am Ende von allen im Regen stehen gelassen zu werden.

Die folgenden Überlegungen mögen zu einem Zeitpunkt, wo die gesamte polnische Bevölkerung enthusiastisch für die Interessen der Ukraine fiebert, vielleicht ein wenig ernüchternd sein, aber man sollte sich durchaus die Frage stellen, welche realistischen Aussichten die viel beschworene polnisch-ukrainische Brüderschaft auch nach Kriegsende haben wird, bzw. wie man ihren Erhalt garantieren kann. Noch ist es so, dass auf beiden Seiten sowohl von den Bevölkerungen als auch den Regierungen sämtliche historischen wie realpolitischen Differenzen zu den Akten gelegt worden sind, um eine ewig währende Brüderschaft zu beschwören, basierend auf Solidarität und Dankbarkeit. Und sicherlich steckt in jenen Beteuerungen auch sehr viel ehrliche Empfindung. Doch werden diese Empfindungen auch standhalten, nachdem der Krieg zu Ende gegangen ist und sich die Frage nach dem künftigen Status der Ukraine stellen wird?Wir wollen es zutiefst hoffen, dürfen dabei aber nicht ganz ausblenden, dass eine Normalisierung des Alltags auch eine Rückkehr der Realpolitik bedeuten wird – und dass politische Akteure auf den Plan treten werden, die sich gegenwärtig kaum mit Ruhm bekleckern,allen voran Deutschland und die Europäische Union.

Noch ist es so, dass die Ukraine gegenwärtig alle ihre Hoffnungen auf die polnische Unterstützung legt, weil Deutschland ebenso wie Frankreich, Italien oder die Europäische Union sich auf bloße moralische Phrasen konzentrieren, da ein lang dauernder Krieg mit Russland schlecht für die dortigen wirtschaftlichen Interessen ist. Wie aber wird die Lage aussehen, wenn es um den konkreten Wiederaufbau der Ukraine und ihre damit eng verbundene politische und ideologische Zukunft gehen wird? Polen hofft, sicherlich nicht zu Unrecht, die enge Zusammenarbeit mit der Ukraine auch nach dem Krieg fortsetzen zu können und zum wesentlichen wirtschaftlichen wie politischen Bezugspunkt der Ukraine (und, wer weiß, vielleicht sogar Weißrusslands) zu werden und somit endlich die gegenwärtige Isolierung innerhalb der Europäischen Union aufzubrechen. Doch wie wird die Ukraine sich entscheiden, wenn eben jene westeuropäischen Politiker, welche die Ukrainer bislang im Regen stehen lassen, nunmehr die nationalen und europäischen Geldtöpfe öffnen, um den Wiederaufbau der Ukraine zu finanzieren, wenn auch freilich im Austausch für eine weitgehende Öffnung des Landes für das westliches Kapital und vor allem für die gegenwärtig regierende Ideologie politischer Korrektheit?

Wird die Ukraine der Aussicht auf schnelles Geld widerstehen, um einen Teil der Dankesschuld gegenüber Polen abzutragen?Wird die Ukraine bereit sein, Polen in seinem ideologischen Kampf um Christentum, Familie und Patriotismus zu unterstützen, auch wenn dies bedeutet, die künftigen Geldgeber aus Berlin, Brüssel, Paris und Washington zu erzürnen? Oder könnte es gar möglich sein, dass nach Kriegsende Polen isolierter als zuvor dastehen wird, da nicht nur die westeuropäischen Partner die bereits jetzt schon drückenden „Sanktionen“ weiter vertiefen werden,sondern auch die Ukraine Polen die kalte Schulter zeigen wird, um seine neuen Freunde nicht zu verprellen?

Schließlich darf nicht vergessen werden dass die Ukraine bereits vor Beginn des Krieges sich in vielen Aspekten seiner Wirtschaft und Politik der Versuchung der westlichen, globalistischen, politisch korrekten und transhumanistischen Ideologie als äußerst empfänglich erwiesen hat, wenn der Prozess eines ideologischen Umbaus der ukrainischen Bevölkerung auch noch ganz in den Kinderschuhen steckt und dementsprechend noch nicht den Kern ihrer Identität berührt hat. All dies mag sich nach Kriegsende rasch wandeln, und es muss im Interesse Polens sein, vor dieser Eventualität nicht die Augen zu verschließen, um ihr jetzt schon pragmatisch entgegenwirken zu können. Präsident Dudas Versuch, schon jetzt, mitten im Krieg, die Basis für eine langfristige institutionelle Kooperation mit der Ukraine zu legen, ist daher äußerst begrüßenswert und sollte unbedingt weiterverfolgt werden, da es, wie wir wohl zu sagen wagen, auch im Interesse des ukrainischen Volkes liegen sollte, seine eigene Seele zu bewahren, anstatt ihre langfristige Auslöschung durch die geballte Macht des Globalismus zu riskieren. Dies gilt übrigens auch im entgegengesetzten Sinn: Es kann nicht angehen, dass Polen die Errichtung eines osteuropäischen Schutzbundes gegen Russland damit erkauft, dass es die schwer gewonnenen Errungenschaften der letzten Jahre opfert, um Washington oder Brüssel genehm zu stimmen.

Es bahnt sich also eine überaus schwierige Zeit an, in der sich für Polen ebenso enorme Zukunftsaussichten wie gewaltige Risiken präsentieren -und eine entsprechend vorsichtige wie strategisch kluge und weitsichtige Politik erfordern, welche eben nicht nur kurz- bis mittelfristig, sondern auch langfristig denkt und dabei die realpolitischen Aussichten nicht den wesentlich bedeutenderen identitäts- und kulturpolitischen Implikationen überordnet.